„Ja, warum eigentlich nicht, ich bin mir ebenfalls sicher, dass wir einen Schritt weiter kommen würden“, meint Gerd Wildfang. „Okay, dann übermorgen. Wir werden die Fragen die noch offen sind, gut vorbereiten bevor wir unsere Recherche in Sankt Gilgen durchführen.“ Gerd Wildfang meint, dass es vielleicht nicht schlecht sei, mal mit Helene zu sprechen. Sie scheint die nähere Verwandtschaft vom Waginger gut zu kennen. Am Abend serviert Helene einen köstlichen Schweinebraten. Dazu gibt es einen Grünen Veltliner. Da ihr Sohn schon nach München abgereist ist, sucht sie das Gespräch mit den beiden Kommissaren. „Sag mal Helene, wer ist eigentlich dieser Waginger?“, so beginnt Wildfang sein Gespräch. Schnell merkt er, dass Helene über den Waginger nichts sagen will. Er hackt mit der Frage nach, „was spricht man denn so über ihn?“
„Er ist ein herzensguter Mensch. Hat sich niemals etwas zuschulden kommen lassen. Vielleicht hat er sich mit dem Schwarzgeld von seinem Schwager etwas zuviel aufgeladen, aber auch der Unterrainer war immer ein fairer Mensch.“ Walter Broder geht ein wenig in der Stube herum und betrachtet sich Fotos, die auf einer Kommode platziert sind. „Sag mal Helene, ist das nicht der Waginger, hier auf dem Foto?“ „Das kann schon sein, wir sind ja zusammen bei der Bergrettung gewesen.“ „Ach was, du bist Bergsteigerin“, meint Broder. Dann knüpft er an die Befragung an. „Kennt ihr euch schon aus Kindertagen?“
„Ja freilich, er ist ja der Taufpate meines Sohnes Benedikt. Er wird auch die Hochzeit für meinen Sohn ausrichten.“ „Ach sieh mal einer an. Das klingt ja nach einer sehr engen Freundschaft. Was war denn eigentlich dein Mann von Beruf. Ist er schon lange nicht mehr da?“ Helene ist nun recht verlegen und antwortet, „Du wirst es ja sowieso irgendwann rausbekommen. Ich war nie verheiratet und Benedikt ist der Sohn vom Waginger.“
„Nun wird mir auch klar, warum dein Sohn in München studiert. Was studiert er denn eigentlich?“ Helene beginnt zu stottern: „Er wird mal die Schreinerei übernehmen, zumindest hat ihm das der Waginger, sein Vater versprochen.“ Nun wissen Wildfang und Broder einiges mehr. Diese Aussage von Helene bringt etwas Licht in die Angelegenheit. Aber die Befragung in Sankt Gilgen ist unumgänglich. „Lass uns noch ein bisschen auf die Terrasse gehen, die Abendluft ist so angenehm und mild.“, meint Gerd Wildfang.
Für den nächsten Tag nehmen sich die beiden Kommissare einen Ausflug nach Traunstein vor. „Traunstein soll einen schönen Ortskern haben, zumindest hab ich das gehört“, meint Broder.
Wildfang und Broder ordern bei Helene noch eine leckere Schinkenplatte. So verbringen sie die halbe Nacht auf der Terrasse. Sie versuchen die Sternbilder zu erklären und erzählen sich Geschichten aus ihrer Anfangszeit bei der Kripo. Walter Broder sitzt am Morgen bereits seit einer guten Stunde am Frühstückstisch. Hat seinen Zeichenblock neben sich liegen. „Hallo du Langschläfer“, so begrüßt er den noch etwas verschlafen dreinschauenden Gerd Wildfang.
Wortlos sitzen sie am Tisch und schlürfen aus ihrem Haferl den Kaffee. „Na dann wollen wir uns mal Traunstein ansehen“, meint Wildfang. Nochmal kräftig gestreckt und dann greift er zum Wagenschlüssel. „Brauchst du noch etwas, oder können wir gleich abfahren?“
Sie gondeln gemütlich vor sich hin, als sie von lautem Hupen aus dem Dösen hoch geschreckt werden. Hinter ihnen ist ein Lastwagen mit einem Anhänger. Er scheint unbeladen zu sein, zumindest lässt sich das aus dem Tempo schließen, dass er drauf hat. Wildfang lenkt seinen Peugeot etwas an den Straßenrand und dann donnert der Laster schon an ihnen vorbei. Auf der Ladeplanke lesen sie die Aufschrift einer Firma aus Traunstein. „Waginger-Holztransporte“.
„Fahr einfach hinterher, der bringt uns an den Ort, den wir suchen!“, meint Walter Broder. Nach guten zehn Minuten stehen sie vor einem großen Holzlagerplatz. Haushoch türmen sich hier die geschnittenen Bretter auf. Etliche weitere Langholzfahrzeuge stehen hier in Reih und Glied.
„Lass mich mal reingehen, ich frage nach einem kleinen Holzhaus für meinen Hund.“ „Seit wann hast du denn einen Hund?“ „Ich frage doch nur, um mir den Betrieb mal anzusehen“, meint Gerd Wildfang. Sie folgen dem Schild „Büro“. Das befindet sich am Ende einer langen Straße die vorbei führt an den beschrifteten Holzsorten. Im Büro geht es zu, als gäbe es hier etwas umsonst. Mindestens zwanzig Personen warten darauf an die Reihe zu kommen. Eine Nummer muss man ziehen, an einer Tafel wird diese dann angezeigt, wenn es soweit ist.
„Das sparen wir uns, meint Gerd Wildfang. Wir nehmen einen Prospekt mit, dass reicht erstmal, oft sind solche Dokumente sehr aussagekräftig.“ Sie gehen gerade auf ihren Wagen zu, als jemand nach ihnen ruft. „Sie sind doch die Kommissare aus Bad Endorf.“ „Richtig, und wer sind sie?“ „Ich bin der Waginger, kennen sie mich denn nicht mehr?“ Broder übernimmt das Wort. „Nach dem sie schon nach wenigen Minuten gegangen sind, wie sollten wir sie erkennen?“
Waginger bittet die beiden Herren in sein Büro und ordert sofort einen Kaffee. „Sehen sie, das ist mein Reich. Hier arbeite ich und lebe ich. Das in Bad Endorf, war die erste Firma, heute ist es nur noch ein Nebenbetrieb. Haben Sie noch Fragen, dann nutzen sie die Gelegenheit, denn in zwei Tagen muss ich nach Norwegen um Holz einzukaufen.“ „Nein, im Moment gibt es nichts zu fragen. Wenn es soweit ist, werden wir sie verständigen. Sie müssten dann aufs Revier kommen.“ „Kein Problem, hier meine Karte und verständigen sie mich rechtzeitig, da ich viel unterwegs bin.“ Die Kommissare Wildfang und Broder greifen noch nach einer „Firmen-Vita“.
„Die dürfen wir doch mitnehmen, oder nicht?“ „Nehmen Sie die Unterlagen ruhig mit!“ Das war ein kurzer aber sehr aufschlussreicher Besuch, so zumindest meint Walter Broder. Während der Fahrt blättert Broder in den Prospekten und stellt fest, dass die Firma sich wohl hauptsächlich auf Fußbodenbeläge aus Holz spezialisiert hat. „Parkett in jeder Form, hier bekommst du alles“, stellt Kollege Broder fest. Auf dem Weg zur Pension beschließen die beiden noch einen Abstecher nach Ruhpolding zu machen.
„Lass uns dort zum Mittagessen gehen.“ Sie sitzen dann unter einem großen Sonnenschirm, denn die Sonne brennt gnadenlos herab. „Eigentlich sollten wir jetzt im Wasser liegen und nicht irgendwelchen Personen nachstellen. Aber jetzt lass mal sehen, was wir ergattern konnten.“ Walter Broder reicht die Prospekte an seinen Kollegen weiter. „Ich für meinen Teil glaube, dass es hier um Erbstreitigkeiten geht, die aus dem Ruder gelaufen sind“, meint Broder. Beide ordern einen Schweinebraten und ein Weißbier dazu. „Meinst du, wir können das als Dienstessen absetzen?“ „Du als Österreicher sicher, ich als Münchener sicher nicht.“ „Dann lass mich zahlen“, meint Walter Broder.
Nur zur Verdauung, wie Wildfang meint, machen sie anschließend einen ausgedehnten Spaziergang. Dass dieser rein zufällig an einem Stand vorbei führt, an welchem Obstschnäpse angeboten werden, ist ein angenehmer Zufall. „Komm lass uns mal den Feigenschnaps probieren. Nur ein Stamperl, mehr natürlich nicht, schließlich musst du noch fahren!“, meint Broder zu Wildfang. Es fängt schon fast zu dämmern an, als die beiden auf den Hof der Pension zu fahren.
In der „Guten Stube“ brennt bereits Licht. Helene ist damit beschäftigt einiges an der Bettwäsche zu flicken. „Das muss auch sein“, kommentiert sie, als die beiden den Raum betreten. Dann aber will sie natürlich wissen, wie es in Traunstein gelaufen ist.
So berichtet Walter Broder, dass sie den Werner Waginger dort angetroffen hätten und er ihnen den Betrieb sogar gezeigt hätte. „Ein schöner Betrieb, das muss ich schon sagen“, meint Gerd Wildfang, dann holt er seine Kamera um einige Fotos von dem schönen Sonnenuntergang zu machen. Vielleicht ist es das einzige Hobby Wildfangs, das mit dem Fotografieren. Seit einem Jahr hat er eine Digitalkamera, früher verwendete er Filme, oft sogar nur in Schwarz/Weiß. Er sagte mal, „da kommen die Schatten so richtig toll heraus.“ Die Kamera ist ein professionelles Gerät. Ein Objektiv der besonderen Art, es war nicht billig, dafür hält es ewig. So ähnlich hat er sich ausgedrückt, als er die Scheine dafür hinlegen musste.
Helene bringt die Tageszeitung mit der Überschrift: „Polizei tappt im Dunkeln!“