„Siehst du, und das verstehe ich auch nicht! Warum nur landesweit? Der Vize hat auf der ganzen Welt den Befehl zur Massentötung gegeben, also warum fällt es dann nur hier in Deutschland so ins Gewicht, dass man den Medien eine Geschichte auftischen musste?“, rätselte sie und blickte mich dabei hoffnungsvoll an. Ich wusste zwar eine Menge, aber alles wusste auch ich nicht mehr. Immerhin hatte ich in den letzten Monaten andere Probleme gehabt. „Ich denke mal, und dass ist jetzt nur eine Vermutung, dass John diese Rebellion auf Deutschland konzentriert, da hier das Zentrum des Ministeriums ist. In den anderen Ländern können deine Fighter morden und morden, ohne, beziehungsweise nur mit wenig Widerstand. Im Dunklen und im Geheimen. Vielleicht verstecken sich die Mischlinge auch und warten auf ihre Anweisungen. Ich habe dir doch erzählt, dass er die Manipulationsabteilung behalten hat, um diese Morde zu vertuschen.“ Sie überlegte kurz, ehe sie sich ohne ein weiteres Wort dem Fernseher zuwandte. Scheinbar hatte sie festgestellt, dass der Bericht jetzt vorüber war, während wir diskutiert hatten. „Wir halten sie natürlich auf dem Laufenden, falls es etwas Neues zu dieser Thematik gibt. Und nun zu einem ebenfalls aktuellen Thema.“ Die Stimme versagte und Amy, die nun im Schneidersitz neben mir saß, drehte sich zu mir um. Ich blinzelte in Richtung des Fernsehers, der nun im Dunklen lag. „Hast du davon gewusst?“
„Mehr oder weniger ja.“ Ich gähnte lang und schaute auf die Uhr. „Zeit fürs Abendbrot, findest du nicht?“
„Wie können sie so etwas zulassen! Es ist doch nur noch eine Frage der Zeit, bis jemand Fotos oder Videos ins Netz stellt die zeigen, wie sie kämpfen, wie sie ihre Zähne zeigen, wie sie regenerieren und dann ... und dann …“
„Jetzt mach mal halblang. So weit wird es der Minister schon nicht kommen lassen. Du hast da etwas außer acht gelassen. Diese Lüge mit dem Bandenkrieg und den Drogen ist doch eine gute Deckung für ihn. Schon seit ungefähr einem Monat gibt es diese Nachrichten. Nur leider seid ihr dabei die bösen und die anderen die gutmütigen Drogenjunkies, die Familie haben und bei denen die Frauen oder Männer des Öfteren in Interviews auf die Unschuld ihres geliebten plädieren. Aber ich denke, der Minister wird nicht jedes Interview mit einem Hinterbliebenen zulassen. Ich weiß nicht, wie viele Mischlinge sich nun vor ihren Lebenspartnern und ihrer Familie geoutet haben, aber ich denke mal, es werden nicht alle gewesen sein und deshalb sind so viele so ratlos über den Tod ihres Mannes oder ihrer Frau. Aber diese Frau vorhin wusste eindeutig mehr. Das hat man ihr angesehen.“ Ich glitt vom Bett hinunter und reichte Amy die Hand. Sie schien komplett unter Strom zu stehen und angespannt nachzudenken. Wahrscheinlich überlegte sie gerade, wie sie sich am einfachsten wieder in Gefahr begeben konnte und das schlimme daran war, dass ich nichts dagegen tun konnte, ohne sie wieder zu verlieren. Ob ich sie gehen ließ oder sie einsperrte. Es schien, als hätte ich keine Wahl mehr, denn ganz egal was ich auch tun würde, es gab bei jeder Entscheidung die Möglichkeit, dass sie mich verließ. Diese Machtlosigkeit, dieser Verlust meiner Kontrolle machte mich wahnsinnig und ich wollte aufhören, darüber nachzudenken, dass sie gehen würde. „Willst du nun mit essen kommen oder nicht?“
„Ich muss dringend mit Marvin und Nicki sprechen. Ich muss wissen was hier vor sich geht“, sagte sie abwesend, nahm jedoch meine Hand entgegen. Etwas zu energisch zog ich sie zu mir. „Entschuldige“, entgegnete ich daraufhin und legte meine Hände an ihre Hüfte. „Schon okay, gibst du mir dann mein Handy wieder“, antwortete sie gleichgültig. Mittlerweile kannte ich sie nur zu gut. Es ging ihr nun besser und so war sie von diesem Thema so gefesselt, dass sie sich wie ein hungriger Adler auf alles stürzte. Kopflos, ohne darüber nachzudenken was sie tat. Ihr Tatendrang in dieser Sache würde mir wohl auch noch weiterhin nur Probleme bereiten, egal, wie sehr ich mich auch von alledem fernhalten wollte. Ich schaute sie an, als ich bemerkte, dass sie zu mir aufsah. „Nach dem Essen“, bestimmte ich und ließ sie mit meiner Stimme spüren, dass ich mich nicht umstimmen lassen würde. „Ja, meinetwegen“, erwiderte sie hektisch und entriss sich meiner Umarmung. Als sie schon aus dem Raum war, blieb sie stehen und schaute zu mir zurück. „Was ist nun?“ verständnislos schüttelte ich den Kopf. „Ich will in Ruhe mit dir essen, also mach jetzt bitte nicht so eine Hektik. Die Welt wird sich auch mit diesem Telefonat nicht ändern“, meinte ich, als ich zu ihr aufschloss. „Ich habe mehr als zwei Monate wegen dir verpasst! Ich will endlich wissen was im Ministerium vor sich geht.“ Sie war wirklich anstrengend. In den letzten zwei Tagen, hatten wir einander mehr gegeben als jemals zuvor. Was vielleicht auch daran lag, dass wir endlich Zeit für uns gehabt hatten. Amy war zu schwach gewesen um das Bett zu verlassen und somit hatte ich ihr Bettruhe verschrieben, bis es ihr wieder besser ging. Nun erschien mir diese Zeit, wie als hätte es sie nie gegeben. Jetzt, da sie wieder Feuer und Flamme für unser kleines Problem war, würde sie keine Ruhe mehr geben. Ich verfluchte unsere Situation, in der wir uns noch immer befanden. Das schlimmste an allem war wirklich, dass ich sie gehen lassen musste. Wahrscheinlich hatte sie recht, ich konnte nicht alles kontrollieren.
„Wir sollten uns langsam etwas einfallen lassen. Du musst mit John reden! Aber gut, dafür müssen wir ihn erst einmal ausfindig machen. Mal sehen, vielleicht weiß ja das Ministerium schon etwas. Man kann sich ja schließlich nicht in Luft auflösen!“, rätselte sie nachdenklich und massakrierte dabei ihr Essen. Kannte sie denn wirklich kein anderes Thema mehr? Ich wusste es, ich hätte ihr den Fernseher nicht geben dürfen… Ich ärgerte mich selbst darüber, denn vielleicht hätte ich so noch ein paar Tage mehr mit ihr in Frieden leben können. In einer Welt, in der es nur uns beide gab. Wo sie alles vergessen hatte, was sie war und welche Probleme sich da draußen ansammelten. „Schon vergessen, dass ich mich da heraushalte? Euer komischer Krieg interessiert mich nicht mehr. Gerade jetzt, wo ich scheinbar als Tot gälte, hoffe ich bloß, dass es auch dabei bleibt. Nicht das hier irgendwann ein paar Fighter zum ausräumen der Villa vorbei kommen!“ Das klirren der Gabel ließ mich Aufsehen. „Das kann doch nun wirklich nicht dein ernst sein! Wir brauchen dich. Ohne dich wird es nicht funktionieren!“
„Mir reicht es, wenn du mich brauchst, was interessiert mich der Rest der Menschheit? Ich mische mich nicht in andere Angelegenheiten ein.“ Was dachte sie? Das sich jetzt durch diesen Vorfall alles geändert hatte? Ich meinte es ernst, als ich zu ihr sagte, dass ich niemanden mehr töten wollte. Ihr zu liebe, würde ich das Leben anderer schätzen, aber das hieß nicht, dass ich wieder bei ihrem Krieg Spielchen mitmachen wollte und mich dabei auch noch selbst in Gefahr begeben würde. Ich war und würde niemals ein Engel werden, der Teufel war mir schon immer lieber gewesen. „Ich habe meine Entscheidung getroffen, habe sie gründlich durchdacht und meinen Weg gewählt. Hätte ich noch ein paar mehr Jahre zur Verfügung, sehe dieser vielleicht anders aus, aber warum sollte ich meine letzten Jahren damit verschwenden, einen Kampf zu kämpfen, der für mich nicht von Nutzen ist? Ich werde keinen Menschen mehr grundlos töten, dass habe ich dir versprochen. Aber zum Retter der Menschheit werde ich in diesem Leben nicht mehr mutieren.“
„Wie bitte? Nicht von nutzen? Natürlich hätte es einen Nutzen für dich. Denkst du im Ernst, ich werde mich jemals mit dir zur Ruhe setzen, solange diese Welt nicht sicher ist? Ist das denn wirklich das einzige, für was du dich noch interessierst? Seit wann bist du so fixiert auf uns beide? Es tut mir ja leid, aber das ist mein Job, Damian. Ich wurde damit erzogen, die Menschen beschützen zu wollen. Vor allem die Menschen, die mir wichtig sind. Wenn du es schon nicht für dich tust, dann tue es wenigstens für mich oder für uns. Willst du mich wirklich im Stich lassen? Ich habe den Fightern, die dich fast umgebracht hätten, versprochen, dass ich etwas tun werde. Das wir beide etwas unternehmen werden. Damit haben sie dich im Übrigen am Leben gelassen! Ich brauche dich in diesem Kampf. Du bist der einzige, auf den John hören könnte oder der zumindest etwas gegen ihn ausrichten kann. Das weißt du.“Jetzt legt sie los. Ihre belehrenden Worte fingen langsam an, mir auf die Nerven zu gehen. Sie war nicht in der Position, mich zu belehren. „Du kannst doch nicht im Ernst in so einer Welt leben wollen. Ich meine, dir kommen diese 60 Jahre die du noch hast vielleicht wenig vor, aber für uns Menschen ist es mehr als ein halbes Leben! Du hast doch vorhin gesehen, was bereits los ist. Diese Welt verändert sich in die falsche Richtung! Und daran sind nicht zuletzt wir Fighter schuld. Ich werde meine Kollegen garantiert nicht im Stichlassen.“ Ich