Bürgermeister Wittenborg. Arnulf Meyer-Piening. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Arnulf Meyer-Piening
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783748547198
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treuen und verlässlichen Mann und vertraue ihnen.“

      „Ich tue mein Bestes. Im Übrigen darf ich Sie auf unsere Hausordnung hinweisen.“

      „Danke, die ist mir bekannt. Sie wird sich wohl in den letzten Monaten seit meiner Abreise nicht geändert haben.“

      „Nicht sehr, aber auf ein paar Änderungen möchte ich Sie hinweisen: Der Rat hat angeordnet, dass Sie die Zelle nur zu kurzen Gängen im Hof und in Begleitung unserer Wachleute verlassen dürfen.“

      „Haben die nichts Besseres zu tun. Ich werde schon nicht über die Mauer klettern, zumal in schweren Ketten gefesselt.“

      „Im Übrigen: Jeglicher Besuch muss zuvor vom Rat genehmigt werden. Das betrifft auch Ihre Familienmitglieder.“

      „Reine Schikane.“

      „Bettwäsche, Waschzeug und Handtücher finden Sie im Schrank. Waschgelegenheit und Abort befinden sich hinter dieser Tür“, und wies jeweils mit der Hand in die angegebene Richtung.

      „Ich werde es mir später ansehen“, sagte Johann zunehmend genervt.

      „Wenn Sie gestatten, möchte ich mich jetzt zurückziehen. Sofern Sie etwas brauchen, dann rufen Sie nach dem Wachhabenden. Er befindet sich am Ende des Ganges.“ Hirsekorn sagte es zögernd mit einem Gemisch aus Unterwürfigkeit und aufgesetztem Befehlston, mit dem er seine Untergebenen beeindrucken wollte.

      „In Ordnung.“ Johann wollte allein sein. Er hatte weder Lust noch Kraft zu einer weiteren Auseinandersetzung mit diesem einfältigen Mann.

      Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, verließen Hirsekorn und die zwei Wachmänner den Raum und verschlossen die Tür mit besonderer Sorgfalt, wie es schien.

      Wittenborg richtete sich so gut es ging in seiner kärglichen Umgebung ein. Er wusste nicht, warum er im Gefängnis sitzen musste. Natürlich wusste er, dass er durch den verlorenen Krieg seiner Stadt und ihren Bürgern – vor allen den Ratsherren und machen Kaufleuten aus anderen Hansestädten – großen Schaden zugefügt hatte, für den er als Heerführer verantwortlich war. Aber das war wirklich kein Grund für eine Verhaftung mit Einweisung in ein Staatsgefängnis, räsonierte er, denn Fluchtgefahr bestand nicht. Wohin sollte er fliehen, zumal er verheiratet war und sechs unmündige Kinder hatte. Er und seine Familie waren seit Generationen fest in der Hansestadt verwurzelt. Außerdem würde niemand einen erfolglosen Feldherrn bei sich aufnehmen. Wohin er sich auch immer flüchtete, wäre er heimatlos und geächtet. Voller Verzweiflung und antriebslos ließ er sich auf dem einzigen Stuhl sinken. Wenn er doch wenigstens einen Blick aus dem Fenster tun könnte. Das aber war in seiner augenblicklichen Verfassung – zumal in schweren Ketten – nicht möglich. Das Fenster war zu weit oben, fast unter der Decke des hohen Raumes angebracht.

      Er rief nach dem Wachhabenden: „Ich verlange ein ordentliches Zimmer. In diesem jämmerlichen Stall kann ich keine zwei Stunden bleiben“, sagte Johann und bemühte sich um einen normalen Befehlston, der ihm jetzt durchaus angemessen zu sein schien.

      „Ich werde es dem Direktor ausrichten“, sagte der Wachmann, schlug die Hacken zusammen, salutierte und verließ den Raum. Nichts, außer einigen entfernten Stimmen, waren zu hören. Beklemmende Stille.

      Kurze Zeit später betrat der Direktor den Raum:

      „Herr Bürgermeister, verzeihen Sie, dass ich Ihnen kein besseres Zimmer anbieten kann. Es ist das Beste, das ich habe. Alle anderen haben keine Fenster, sind dunkel und feucht. Die möchte ich Ihnen ersparen. Aber seien Sie versichert, unter anderen Umständen würde ich Sie gerne als mein Gast in der Burg unterbringen, aber dazu bin ich nicht berechtigt. Ich führe nur meine Befehle aus.“

      „Hirsekorn, machen Sie sich darüber keine Gedanken. Ich kenne und achte unsere Gesetze, die jeder aufrechte Diener unserer Stadt ohne Widerspruch zu befolgen hat.“

      „Ich danke Ihnen für Ihr Verständnis. Sie waren mir immer gewogen und haben als Bürgermeister viel zum Ausbau und zur Verbesserung der Sicherheit unseres ehemaligen Marstalls beigetragen.“

      „Die Erhaltung des historischen Gebäudes war mir ein besonderes Anliegen. Außerdem ist es für jedes Staatswesen unerlässlich, sichere Gefängnisse für Verbrecher und Missetäter zu haben.“

      „Aber zu dieser Art von Individuen zählen Sie ja – wenigstens in meinen Augen – nicht. Sie waren immer ein Vorbild für alle rechtschaffenden Bürger unserer Stadt.“

      „Ich war immer um das Gemeinwohl bemüht. Meine persönlichen Interessen habe ich stets in den Hintergrund gestellt. Ich achte die Gesetze, deshalb könnten Sie mir ruhig die Ketten abnehmen, denn ich werde dieses Gefängnis nicht ohne Richterspruch verlassen. Das verspreche ich Ihnen hoch und heilig.“

      „Herr Bürgermeister, auf Ihr heiliges Versprechen nehme ich mir die Freiheit, Ihnen die Ketten abnehmen zu lassen. Dem Rat ging es wohl nur um eine Machtdemonstration und die öffentliche Zurschaustellung Ihrer Person.“

      „Das ist ihm in der Tat gelungen. Ich bin auf immer und ewig als Verbrecher gebrandmarkt. Ein sichtbares Signal weit über die Grenzen unserer Stadt hinaus. Bestimmte Kräfte im Rat wollen mich zerstören. Das hat nichts mit dem verlorenen Krieg gegen Dänemark zu tun.“

      „Aber was wollen die denn?“

      „Sie wollen Helden, keine Verlierer. Es geht ihnen nur um Geld und Macht. Sie wollten den Krieg, aber sie wollten sich nicht die Finger schmutzig machen. Sie haben mich vor ihren Karren gespannt.“

      „Aber Sie machten damals durchaus einen heldenhaften Eindruck als Führer einer kampfbereiten Flotte.“

      „So habe ich mich wirklich nicht gefühlt. Ich hatte keine andere Wahl. Als Bürgermeister war ich gezwungen, die Entscheidungen des Rats in die Tat umzusetzen.“

      „So sind unsere Gesetze.“

      „Ich habe den Krieg nicht gewollt. Er ist mir aufgezwungen worden. Ich bin in erster Linie Kaufmann und kein Heerführer. Ich suche den friedlichen Wettstreit der Kaufleute. Aber die widrigen Verhältnisse, und die ständigen Angriffe der Dänen gegen unsere Handelsschiffe und Niederlassungen zwangen uns zum Handeln. Wir wären durch die feindseligen Angriffe erdrückt worden. Besonders seit dem hinterhältigen Überfall des Dänenkönigs auf Visby blieb uns keine andere Wahl als den Krieg zu beginnen, damit unsere Schiffe auch weiterhin friedlich über die Ostsee fahren können.“

      „Das war uns alle, die wir auf Gedeih und Verderben mit unserer Stadt verbunden sind, schon seit langem klar. Es war wirklich an der Zeit, den Dänenkönig in seine Schranken zu weisen. Aber es fehlte an einem geeigneten Führer, der zum Kampf entschlossen war. Wir haben lange Zeit auf jemanden wie Sie gewartet. Endlich waren Sie zur Stelle, und haben unsere Flotte gegen den Feind geführt. Nur schade, dass der Kampf nicht siegreich ausgegangen ist.“

      „Wie wahr! Aber es hat nicht viel gefehlt, denn wir hatten das Schloss in Kopenhagen schon eingenommen, aber der König hatte sich auf seine Burg in Helsingborg geflüchtet. Dorthin folgten wir ihm, konnten ihn aber wegen der hohen Mauern nicht verhaften. Wenn uns das gelungen wäre, wäre er jetzt an meiner Stelle.“

      „Den Schurken hätte ich lieber statt Ihnen in meiner Gewalt gehabt. Ich hätte ihn in ein dunkles Verließ im Keller gesteckt. Der wäre hier nie lebend herausgekommen.“

      „Es ist nun anders gekommen. Dabei hatten wir alle Trümpfe in der Hand, aber die schwedischen und norwegischen Flottenverbände hatten uns im Stich gelassen.“

      „Wenn es denn so war wie Sie sagen, dann allerdings wurden Sie zu Unrecht gefangengesetzt. Ich hoffe, dass Ihnen bald Gerechtigkeit zuteilwird.“

      „Das ist mein sehnlichster Wunsch.“

      „Aber jetzt zu dem Nächstgelegenen: Möchten Sie etwas zu Essen haben oder sich lieber erst ausruhen? Das Bett ist allerdings nicht so komfortabel, wie Sie es in Ihrem Hause gewohnt sind, und auch ein warmes Bad können wir Ihnen hier nicht bieten.“

      „Ich kenne dies alte Gemäuer und seine spartanische Ausstattung. Ursprünglich für