Bürgermeister Wittenborg. Arnulf Meyer-Piening. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Arnulf Meyer-Piening
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783748547198
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       Arnulf Meyer-Piening

      Bürgermeister Wittenborg

       Heerführer der Hanse

       Roman

      Imprint

      Bürgermeister Wittenborg – Heerführer der Hanse

       Arnulf Meyer-Piening

       Copyright: © 2019 Arnulf Meyer-Piening

       Satz & Umschlag: Erik Kinting / www.buchlektorat.net Titelbild: jeneva86 (depositphotos.com)

      Alle Rechte vorbehalten. Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung, die über den Rahmen des Zitatrechtes bei korrekter vollständiger Quellenangabe hinausgeht, ist honorarpflichtig und bedarf der schriftlichen Genehmigung des Autors.

      Vorwort

      Deutsche Hansekaufleute hatten im 13. und 14. Jahrhundert enge Handelsbeziehungen im gesamten Ostseeraum unter anderen mit Dänemark, Schweden, Norwegen und Russland gepflegt und in vielen Hafenstädten bedeutende Niederlassungen gegründet. Die Ostsee war sozusagen ihr Heimatrevier, das jedoch in vielfältiger Weise von Seeräubern und angrenzenden Mächten bedroht wurde. (Vgl. Wikipedia, Hansetag, Juli 2019)

      Zunehmende wirtschaftliche Bedeutung erhielten in den folgenden Jahrzenten die Nordsee mit den Häfen London, Antwerpen und Brügge sowie die Handelswege von Nowgorod über Brügge und Augsburg nach Venedig. Von dort kamen Seidenwaren und Gewürze, im Gegenzug wurden hochwertige Pelze und Bernstein geliefert.

      Die Hanse war ein loser Verbund von Kaufleuten mit dem Ziel der Förderung und Erleichterung von profitablen Handelsgeschäften. Sie verfügte weder über Landbesitz noch über festgelegte Befehlsstrukturen sowie ein stehendes Heer. Die Macht der Hanse beruhte im Wesentlichen auf den Grundsätzen von Treu und Glauben, denen sich die Kaufleute verpflichtet fühlten. Bündnisse und Verträge wurden geschlossen, zeitweise sogar mit Königen und anderen bedeutenden Potentaten außerhalb der Gemeinschaft. Gemeinsame Aktionen wurden auf sogenannten Hansetagen, die je nach Bedarf in irgendeiner möglichst zentral gelegenen Hansestadt einberufen wurden, beschlossen. Verstießen Kaufleute gegen die festgelegten ethischen Grundsätze, so verloren sie ihren Kredit und waren für alle Zeiten wirtschaftlich erledigt.

      Insgesamt ging es um die Vorherrschaft auf der Ostsee. Jahrelang war der Handelsverkehr über die Ostsee im Großen und Ganzen friedlich verlaufen. Die Kaufleute betrieben ihr Geschäft und respektierten sich gegenseitig. Bis eines Tages im Juli 1361 der König Waldemar IV., Atterdag, von Dänemark die Macht über die Ostsee ergreifen wollte. Er griff die Insel Gotland an, wo die Hansekaufleute in der Stadt Visby eine bedeutende Niederlassung gegründet hatten. Die Schlacht von Visby fand am 27. Juli 1361 statt. Bei der Erstürmung der Stadt wurden 1800 Bürger, die sich den Angreifern zur Wehr gesetzt hatten, getötet. Die Warenlager wurden geplündert und nahezu die ganze Stadt zerstört. Aufgrund dieser Ereignisse beschloss die Hanse, einen Krieg gegen Dänemark vorzubereiten.

      Zu diesem Zweck fand am 7. September 1361 ein Handelstag in Greifswald statt, bei dem die Hansestadt Lübeck von den Ratsherren Johann Wittenborg und Johann Pleskow vertreten wurden. Neben den Vertretern anderer Hansestädte nahmen Gesandte des Deutschen Ordens und die Könige von Schweden und Norwegen teil. Der Hansetag beschloss die Unterbrechung der Handelsverbindungen zu Dänemark sowie die Vorbereitung und Finanzierung eines Krieges gegen Dänemark. Die mit der Besetzung von Teilen Schwedens, Schonen und Gotland verbundene Vorherrschaft auf der Ostsee durch die Dänen sollte gebrochen werden. Zwischen den Königen Hakon von Norwegen und Magnus von Schweden sowie dem Herzog von Schleswig und den Grafen von Holstein wurden Verträge gegen Dänemark geschlossen. Die Könige sollten 2000 Bewaffnete mit den erforderlichen Schiffen bereitstellen. Deren Aufrüstung verteilte sich auf folgende Städte: Lübeck 600 Mann, 2 Koggen, 6 Sniggen (große und kleine Kriegsschiffe), 2 Wurfmaschinen, Hamburg 200 Mann und 2 Koggen, die Städtegemeinschaften Rostock und Wismar, Stralsund und Greifswald, sowie Kolberg, Stettin und Anklam jeweils 600 Mann, 6 Sniggen und 2 Wurfmaschinen, Bremen 100 Mann und eine Kogge, Kiel 30 Mann, 1 Schiff und 10 Schuten.

      Ein weiterer Hansetag fand einen Monat später am 8. Oktober 1361 in Stralsund statt. Der Angriff der Hanse gegen Dänemark wurde auf April 1362 festgelegt. Mit 52 Schiffen, darunter 27 Koggen, lief die Flotte unter der Führung von Bürgermeister Johann Wittenborg von Lübeck aus. Als Anführer der Flotte wird auch (mit unklaren Führungsaufgaben) Graf Heinrich von Holstein genannt. Anfang Mai 1362 erreichte die Flotte Kopenhagen und begann mit der Belagerung. Die Stadt wie auch das Schloss wurden eingenommen und geplündert. König Waldemar IV. floh in die Festung Helsingborg. Die hansische Flotte folgte ihm und landete in Schonen, um dort auf die nordischen Verbündeten zu warten. Da die Zeit verrann und die Unterstützung ausblieb, entschloss sich Wittenborg mit etwa 1500 Besatzungen die Festung Helsingborg zu belagern. Die mit einer schwachen Besatzung zurückgelassenen Schiffe wurden am 18. Juli 1362 von Waldemar IV. angegriffen und 12 große Koggen erbeutet. Die Besatzungen der Schiffe wurden gefangengenommen und in Helsingborg eingekerkert.

      Etwa ein halbes Jahr später wurde ein Stillhalteabkommen in Rostock geschlossen. Als Vertreter von Lübeck waren Bertram Vorrade und Johann Pleskow benannt. Waldemar IV. hatte bevollmächtigte Vertreter gesandt. Ebenso waren Vertreter der Könige von Norwegen und Schweden beteiligt. Das Abkommen sollte bis zu 6. Januar 1364 Gültigkeit behalten.

      Die Verhandlungen über einen endgültigen Friedensvertrag sowie die Freilassung der Gefangenen zogen sich noch bis zum Januar 1363 hin. Auf dem Hansetag in Stralsund wurde versucht, Johann Wittenborg als Anführer der Flotte die alleinige Schuld für das Misslingen der militärischen Aktion zu geben und ihn öffentlich vor Gericht zu stellen. Zwischenzeitlich saß er im Gefängnis in Lübeck, wohin er mit einem Sonderkurier gebracht worden war.

      Wittenborg im Gefängnis

      Direktor Hinrich Hirsekorn erwartete den Delinquenten vor dem alten Marstall der Hansestadt Lübeck. Er war nervös, denn er hatte noch nie einen Bürgermeister hinter Schloss und Riegel bringen müssen. Der hohe Herr musste wohl ein besonders schweres Verbrechen begangen haben, aber der Direktor wusste nicht welches. Das brauchte er ja auch nicht zu wissen, ihm genügte die schriftliche Anweisung des Rats, die er sorgfältig in seinem Schreibtisch bewahrte.

      Die schwarze Kutsche mit den kräftigen Rappen, wie sie üblicherweise bei offiziellen Zeremonien und Fahrten für hohe Staatsgäste genutzt wurde, hielt vor dem Eingang.

      In Ketten gefesselt stieg Bürgermeister Johann Wittenborg etwas steif aus dem Wagen und wurde von Wachmännern ins Haus geführt. Er schien seine Umgebung nicht wahrzunehmen, wirkte benommen, starrte wie abwesend vor sich hin und folgte den Männern scheinbar willenlos. Stand er unter Drogen? In ihm war kein Anzeichen von Leben zu erkennen. Niemand ahnte, was in ihm vorging: Es war ein Gemisch aus Trotz, Resignation und Auflehnung: Gefühle, die sich gegenseitig blockierten und ihn zum willenlosen Gefolgsmann der Mächtigen werden ließen. Dieser Eindruck stand in deutlichem Gegensatz zu seiner natürlichen Erscheinung, die einen Mann von großer Tatkraft und Willensstärke kennzeichnete. Aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt schien er ein gebrochener Mann zu sein. Während seine blauen Augen sonst strahlten, waren sie nun müde, ausdruckslos und abgestumpft. Sein gewelltes Haar war ungekämmt, sein Bart zerzaust, als hätte er seit langer Zeit weder Messer noch Seife gesehen. Kurz, ein jämmerlicher Eindruck. Kaum einer hätte den ehemaligen Bürgermeister und Feldherr in ihm erkannt.

      Der Direktor wies ihm eine Zelle im Erdgeschoss zu. Der Raum war erst kürzlich auf Anweisung des Rats zu einem Gefängnis hergerichtet worden. Das heißt, er war frisch geweißt, im Übrigen kahl und spärlich beleuchtet. Nur ein einfaches hölzernes Bett, ein kleiner Tisch mit einem Stuhl standen an der Wand, an der sich im oberen Bereich ein vergittertes Fenster zeigte.

      Hirsekorn begann zaghaft ein Gespräch, seine Verunsicherung war ihm deutlich anzumerken:

      „Herr Bürgermeister, in diesem Raum werden Sie nun für einige Zeit wohnen. Ich weiß nicht für wie lange, aber ich hoffe, ihr Aufenthalt wird nur von kurzer Dauer sein.“

      „Das hoffe ich auch.