Utz wider die Alben. Rainer Seuring. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rainer Seuring
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738092950
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stellt er sich breitbeinig über die am Boden Liegende. „Grüß mir die Götter, Sanmari.“, flüstert er. Dann hebt er den schweren Stein hoch über seinen Kopf und zerschmettert mit hässlichem Krachen ihren Schädel.

      Augenblicklich ist ihr Glanz gänzlich erloschen. Doch statt eines wunderbaren Geistes wird eine deutlich geschundene schwach erkennbare Seele für die Elben sichtbar. Ein nur vorstellbar zarter Windhauch löst das Bild auf.

      „Ich glaube, wir machen an dieser Stelle erst einmal Pause.“, sagt die Stimme der nebelhaften Gestalt, die jeden Zwerg zur Größe einer Ameise schrumpfen lässt und reißt mich damit aus dem Bann des Geschehens. „Schreib jetzt erst einmal alles auf, damit du nichts vergisst. Und sei gewiss, es wird noch schlimmer.“

      * * * * *

      Die Gestalt, die jeden Zwerg zur Größe einer Ameise schrumpfen lässt, hat mich direkt empfangen. Gilbret Steinschleifer ließ sich nicht blicken.

      „So will ich denn nun fortfahren, mit meinem Bericht, Waltruda. Ihr seid bereit?“

      „Ja.“, antworte ich.

      „So sei es.

      Die Leiche von Sanmari hat man nur notdürftig verscharrt und schon bald wurde sie von jeglichem Getier zur Nahrung genutzt. Die Natur bahnte sich ihren Weg. Der Friede, den die Elben bringen und bewahren sollten, wurde immer brüchiger.

      Inzwischen hat jeder der verbliebenen elf Elben mindestens einmal gemordet und die Macht genossen, Leben zu nehmen. Längst schon haben Sie die Melodien und Liedtexte vergessen, mit denen sie allenthalben die Lebewesen erfreut und friedlich gestimmt hatten. Weitere Morde beraubten sie ihrer friedenstiftenden Kraft, nicht aber der magischen Fähigkeiten, mit denen sie gleichfalls ausgestattet wurden. Wurm und Made waren nun nicht mehr sicher vor einem Vogel und der Wolf hatte die Lämmer zum Fressen gerne. Es war wieder ein gänzlich anderes Bild, wenn die Seele aus dem Fisch entweicht, den der Bär gefangen hat.

      Dass nun kein Friede mehr war zwischen den Tieren, war den Elben gleich. Sie sahen es sogar als Erfolg ihrer >Befreiungsbemühungen<. Den Widerspruch dazu, dass sie vor der Befreiung die Qual des Opfers genossen, erkannten sie nicht. Im Gegenteil, gleich einem Wettstreit eiferten sie darum, wer die beste Seelenveränderung erbrächte. Ein jeder entwickelte eigene Vorstellungen, wie eine schöne Seele auszusehen habe.

      Natürlich blieb ihr Tun nicht unendlich verborgen. Nach vielen anderen kam auch Sanmaris geschundene Seele nach langen Irrwegen schließlich vor die Götter und diese beschlossen endlich, Einhalt zu gebieten. Es kam zu einer Verhandlung. Die dummen (Hüsteln der Stimme), ich meine die treuen und gehorsamen Elben umzingelten die Abtrünnigen. Es kam zu keinerlei Kampfhandlung, denn untereinander können die Wächter des Friedens ihre Magie nicht einsetzen. Also ergaben sich die entarteten Elben der grenzenlosen Übermacht. Jeder konnte nun sehen, dass die mordenden Seelenbefreier ihren Glanz inzwischen fast vollständig verloren hatten. Der kümmerliche Rest war nur noch das Zeichen der magischen Fähigkeiten, die ihnen inne wohnte. Zudem stellten sich auch körperliche Veränderungen ein. Die Abtrünnigen hatten eigene Gestalten entwickelt. Groß und klein, dick und dünn. Ihr vollendetes Erscheinungsbild war dahin.

      Als Richter erscheinen Kane und Samas, die Abgeordneten der Götter und ein Vollstrecker im Gefolge. Ein treuer Freund der himmlischen Herrschaften.

      Du wirst ihre Gestalt nicht sehen, so wie du mich nicht sehen darfst, doch wirst du wohl ihr Wort vernehmen.“, bekomme ich ergänzend erläutert.

      Damit endet zunächst die Stimme und ich sehe wie von einer Anhöhe herab die fast dunklen Elben, eingekreist von den wunderbar strahlenden Elben. Beim Anblick der güldenen Friedenswächter erfasst mich ein unbeschreiblich friedliches Gefühl. Mein aufgeregtes Herz wird augenblicklich ruhig.

      Von oben herab schweben zwei nebelhafte Gestalten, die gut zehn Fuß über dem Boden verharren. Von ihnen geht ein noch hellerer Glanz aus, als von den Elben. Ihr Erscheinen erfüllt mich mit großer Ehrfurcht. Aus dem Hintergrund wächst ein dritter Schatten in mehr als riesenhafte Größe, dass jeder Zwerg zur Größe einer Ameise schrumpfen würde. Dicht hinter dem Kreis der Elben bleibt der Schatten stehen.

      „Alamon,“, ruft es aus einem der kleinen Schatten, „berichte uns: Was ist geschehen?“

      „Was soll ich berichten? Was soll geschehen sein? Nichts ist geschehen, Samas!“, ruft Alamon trotzig nach oben.

      „Du lügst!“, donnert es erbost aus dem zweiten kleinen Schatten herab. „Wenn nichts geschehen ist, warum klagen dann viele Geister über dich und dein Gefolge? Was habt ihr mit Sanmari gemacht? Die arme Seele ist völlig zerrüttet. Lange hat es gedauert, bis sie uns von ihrem Leid berichten konnte und noch länger wird man sie pflegen müssen, um sie wieder herzustellen. Achtet ihr so unser Werk?“

      „Ah, das meint ihr, werter Kane! Wir haben uns erlaubt, die geplagten Geister aus ihrem Gefängnis zu befreien, in das ihr Götter sie gesteckt habt. Ein fester Körper behindert jeden freien Geist.“

      „Dass die Lebewesen einen Körper erhalten haben, gehört zum Reifeprozess der Seele, Wahnsinniger. Dies zu verstehen reicht auch die euch Elben gegebene Weisheit nicht aus. Ihr werdet in Äonen noch nicht in der Lage sein, göttliche Pläne zu begreifen. Mir will scheinen, ihr seid alle nicht einmal reif, ein Elb zu sein. Es ist also gerade so, wie wir in unserem Rat bereits gedacht haben. Ihr habt euren Auftrag missachtet und eure Aufgabe verraten. Ihr seid keine Diener mehr für uns. So mag es also auch nicht wundern, dass das Urteil schon parat ist, das ihr nun hören werdet.

      Weil ihr inzwischen so vielen Wesen das Leben nahmt und weil wegen eures Versäumnisses, die friedvollen Lieder zu singen, weitere unschuldige Wesen den Tod fanden, hat unsere Schöpfung nicht unerheblichen Schaden genommen. Dieser Schaden soll dadurch behoben werden, dass jegliches Leben fürderhin selbst dafür Sorge tragen muss, wieder seine Vollständigkeit zu erlangen.

      Zur Mahnung aller werden nunmehr die Frauen Leibesfrucht auf die Welt bringen, nachdem sie, jede nach ihrer Art, von den Männern den Samen erhalten haben. Um einen jeden zu befähigen, Gut und Böse unterscheiden zu können, wird es von nun an das Gewissen geben, das jeden drücken wird, der Unrecht handelt. Wir Götter müssen uns nun bemühen, unsere Schöpfung zu verbessern, um mehr Friede auf Erden zu ermöglichen.

      Kein Wesen wird mehr unsterblich sein. Auch die Elben nicht. Jedem bleibt nur bestimmte Zeit, bis dass sein Geist vor uns erscheint, um auf Reife geprüft zu werden. Wohl dem, dessen Seele rein und ohne Makel und dessen Gewissen ohne Last ist.

      Dies soll gelten bis es den treuen und reinen Elben gelungen ist, ihre volle Zahl von genau zwölf Stämmen mit je zwölf Familien zu je zwölf mal zwölf Elben wieder herzustellen.

      Eure Strafe aber sei es, abgeschieden von allem Leben, im ewigen Eis des Nordens zu bleiben. Loki hier“, dabei erwächst aus dem linken kleinen Nebel so etwas wie ein Arm, der auf den Schatten in mehr als riesenhafter Größe, dass jeder Zwerg zur Größe einer Ameise schrumpfen würde, zeigt „wird euch auf eine Halbinsel am Rande der Gestade bringen. Dann wird er die Verbindung zum Festland zerstören und die so geschaffene Insel bis in die tiefsten und kältesten Regionen der Erde schaffen. Dort wird sie für alle Zeiten festgemacht, auf dass ihr fern bleibt unserem Werk. Nur wer von euch in Reue stirbt und vor uns tritt, dem mag ein neues Leben als einfaches Wesen auf Erden geschenkt werden. Wer ohne Reue kommt, muss warten, bis ein anderer Körper frei wird, um wieder auf die Insel zurück geschickt zu werden. Ihr werdet, wie alle anderen auch, Kinder bekommen, doch deren Geister werden die Seelen eurer Verstorbenen sein oder aber die Seelen derer, die in ihrem Leben hier auf Erden eurem bösen Beispiel folgten und geläutert werden müssen.

      Euer Dasein wird die Hölle genannt werden und ein jeglicher mag sich fürchten vor diesem Ort. Streit, Missgunst, Zwietracht und Misstrauen bestimme künftig euer Leben.

      Weil die Macht, die euch gegeben, auch nach göttlichen Gesetzen nicht mehr genommen werden kann und ihr ohne sie nicht leben könnt, um eure Strafe zu erleiden, werden wir sie bündeln und im Kern der Insel vor euch verschließen. So sei gesichert, dass ihr niemals die Insel verlassen könnt. Wer sich