Hans Christian Andersen - Gesammelte Werke. Hans Christian Andersen. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hans Christian Andersen
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783746750194
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Abend kamen Räuber an; sie erschlugen drei ihrer Leute, auch den Kettenhund erschlugen sie, und dann legten sie Frau Meta an die Hundekette am Hundehause, während sie sich selber in dem Saale breit machten, den Wein und das gute Bier aus ihrem Keller tranken.

      Frau Meta war an die Hundekette gelegt; sie konnte nicht einmal bellen. Aber siehe! Da schlich sich der Bursche eines der Räuber heran, ganz leise, er durfte nicht bemerkt werden, sonst hätten sie ihn todtgeschlagen.

      »Frau Meta Mogens!« sagte der Bursche; »weißt Du noch wie mein Vater zu Lebzeiten Deines Herrn auf dem hölzernen Pferde reiten mußte? – Du batest für ihn, aber es half zu Nichts, er sollte so lange reiten bis ihm die Glieder verstümmelt sein würden; aber Du schlichst Dich zu ihm hinab, wie ich mich jetzt zu Dir schleiche; Du selbst schobst einen kleinen Stein unter jeden seiner Füße, damit er sich stützen könnte. Niemand sah es, oder sie thaten, als sähen sie es nicht, Du warst ja die junge, gnädige Frau. Das hat mir mein Vater erzählt, und das habe ich mir gemerkt und nicht vergessen! Jetzt löse ich Dich ab, Frau Meta Mogens!«

      Darauf zogen sie Pferde aus dem Stalle heraus und ritten bei Regen und Wind und erhielten Freundeshilfe.

      »Das war die kleine That an dem Alten reichlich vergolten!« sagte Meta Mogens.

      »Aufgeschoben ist nicht aufgehoben!« sagte der Bursche.

      Die Räuber wurden gehenkt.

      Ein alter Herrenhof lag da, er liegt noch da; es ist nicht der der Frau Meta Mogens; er gehört einem andern hochadeligen Geschlechte.

      Wir befinden uns in der Gegenwart. Die Sonne bescheint die vergoldete Thurmspitze, kleine Waldinselchen liegen gleich Bouquets auf dem Wasser, und die wilden Schwäne umkreisen sie schwimmend. Im Garten wachsen Rosen; die Frau vom Hause ist selbst das feinste Rosenblatt, es strahlt in Freude, in der Freude guter Thaten, nicht aber in die weite Welt hinaus, sondern drinnen in den Herzen, und was dort verwahrt ist, das ist nicht vergessen, – aufgeschoben ist nicht aufgehoben!

      Jetzt begiebt sie sich vom Herrenhause aus nach dem kleinen Bauernhäuschen auf dem Felde. Darin wohnt ein armes, gelähmtes Mädchen; das Fenster in dem Stübchen sieht nach Norden, die Sonne kommt hier nicht herein; das Mädchen kann nur über ein kleines Stückchen Feld hinausschauen, welches von einem hohen Zaune eingeschlossen ist. Aber heute ist Sonnenschein, die warme, herrlichschöne Sonne unseres lieben Herrgottes ist drinnen im Stübchen; sie kommt aus dem Süden durch das neue Fenster, dort wo früher nur Mauer war.

      Die Gelähmte sitzt in dem warmen Sonnenscheine, sieht Wald und See, die Welt ist so groß, so wunderschön geworden und zwar durch ein einziges Wort von der freundlichen Frau auf dem Herrenhofe.

      »Das Wort war so leicht, die That so winzig!« sagte sie; »die Freude, die sie mir gewährten, war unendlich groß und segensreich!«

      Und deshalb übt sie so manche gute That, denkt an Alle in den armen Häusern und in den reichen Häusern, wo es auch Betrübte giebt. Es ist verborgen und verwahrt, aber der liebe Gott vergißt es nicht; aufgeschoben ist nicht aufgehoben!

      Ein altes Haus stand da; es war in der großen, Stadt mit ihrem regen Verkehr, Zimmer und Säle hat es; aber die betreten wir nicht; wir bleiben in der Küche, und dort ist es warm und hell, rein und niedlich; das Kupferzeug blitzt, der Tisch ist wie gebohnt, der Ausgußstein ist wie ein frisch gescheuertes Spickbret; das Alles hat das eine Dienstmädchen ausgerichtet und doch noch Zeit erübrigt, sich anzukleiden, als wolle es zur Kirche gehen. Es trägt eine Schleife an der Haube, eine schwarze Schleife; das deutet auf Trauer. Aber es hat ja Niemand zu betrauern, weder Vater noch Mutter, weder Verwandte noch Geliebte; es ist ein armes Mädchen. Einst war es verlobt, verlobt mit einem armen Burschen; sie liebten sich innig. Eines Tages kam er zu ihr und sagte:

      »Wir Beide haben Nichts!« sagte er; »die reiche Witwe drüben im Keller hat mir warme Worte gesagt; sie will mich in Wohlstand versetzen; aber Du bist in meinem Herzen. Wozu räthst Du mir?«

      »Zu dem, wovon Du meinst, es wird Dein Glück sein!« sagte das Mädchen. »Sei gut und liebevoll gegen sie, aber das laß Dir gesagt sein, daß wir Beide von Stund' an, wo wir uns trennen, uns nicht wieder sehen dürfen.«

      – Und es verstrichen Jahre; da begegnet ihr der einstige Freund und Bräutigam auf der Straße; er sah krank und elend aus; da konnte sie es nicht unterlassen, sie mußte fragen: »Wie geht's Dir?«

      »Reich und gut in jeder Beziehung!« sagte er; »die Frau ist brav und gut, aber Du bist in meinem Herzen. Ich habe meinen Kampf gekämpft, er ist bald ausgekämpft! Wir sehen uns jetzt nicht eher als bei Gott.«

      Eine Woche ist verstrichen; diesen Morgen stand es in der Zeitung zu lesen, daß er gestorben war; deshalb trägt das Mädchen ein Trauerkleid! Der Bräutigam ist gestorben und hat Frau und drei Stiefkinder hinterlassen, wie es zu lesen steht; es klingt dies, als wenn es einen Riß hätte, und doch ist das Metall rein.

      Die schwarze Schleife deutet auf Trauer, das Gesicht des Mädchens deutet in noch höherem Grade darauf; im Herzen ist sie verwahrt, wird niemals vergessen! Aufgeschoben ist nicht aufgehoben!

      Seht, das waren drei Geschichten, drei Blätter an einem Stiele. Wünschest Du noch mehrere Kleeblätter? Im Herzbüchlein sind deren viele, aufgeschoben ist nicht aufgehoben!

Illustration: Hutschenreuter/Petersen

      Weit von hier, dort wohin die Schwalben fliegen, wenn wir Winter haben, wohnte ein König, der eilf Sohne und eine Tochter Elisa hatte.

      Die eilf Brüder waren Prinzen und gingen mit dem Stern auf der Brust und dem Säbel an der Seite in die Schule. Sie schrieben mit Diamantgriffeln auf Goldtafeln und lernten ebenso auswendig, wie sie lasen; man konnte gleich hören, daß sie Prinzen waren. Die Schwester Elisa saß auf einem kleinen Schemel von Spiegelglas und hatte ein Bilderbuch, welches für das halbe Königreich erkauft war.

      O, die Kinder hatten es außerordentlich gut; aber so sollte es nicht immer bleiben!

      Ihr Vater, welcher König über das ganze Land war, verheirathete sich mit einer bösen Königin, die die armen Kinder gar nicht liebte. Schon am ersten Tage konnten sie es merken. Auf dem Schlosse war große Pracht, und da spielten die Kinder: »Es kommt Besuch«; aber statt daß sie, wie sonst, alle Kuchen und alle gebratenen Aepfel erhielten, die nur zu haben waren, gab sie ihnen blos Sand in einer Theetasse und sagte, sie könnten thun, als ob Dies etwas wäre.

      Die Woche darauf brachte sie die kleine Schwester Elisa auf das Land zu einem Bauernpaare, und lange währte es nicht, da log sie dem König so viel von den armen Prinzen vor, daß er sich gar nicht mehr um sie kümmerte. –

      »Fliegt hinaus in die Welt und ernährt Euch selbst,« sagte die böse Königin. »Fliegt, wie die großen Vögel ohne Stimme!« Aber sie konnte es doch nicht so schlimm machen, wie sie gern wollte; sie wurden eilf herrliche wilde Schwäne. Mit einem sonderbaren Schrei flogen sie aus den Schloßfenstern, weit über den Park in den Wald hinein.

      Es war noch früh am Morgen, als sie da vorbeikamen, wo die Schwester Elisa in der Stube des Landmanns lag und schlief. Hier schwebten sie über dem Dache, drehten ihre langen Hälse und schlugen dann mit den Flügeln; aber Niemand hörte oder sah es. Sie mußten wieder weiter, hoch gegen die Wolken empor, hinaus in die weite Welt; da flogen sie nach einem großen, dunklen Walde, der sich bis an den Strand erstreckte.

      Die arme, kleine Elisa stand in der Stube des Landmannes und spielte mit einem grünen Blatte; anderes Spielzeug hatte sie nicht. Sie stach ein Loch in das Blatt, sah hindurch und gegen die Sonne empor, da war es, als sähe sie ihrer Brüder klare Augen; jedesmal, wenn die warmen Sonnenstrahlen auf ihre Wangen schienen, gedachte sie aller ihrer Küsse.

      Ein Tag verging eben so, wie der andere. Strich der Wind durch die großen Rosenhecken draußen vor dem Hause, so flüsterte er den Rosen zu: »Wer kann schöner sein, als Ihr?« Aber die Rosen schüttelten das Haupt und sagten: »Elisa ist es!« Und saß die alte Frau am