Seine Worte legen sich um mein Herz wie ein Seidenschal und lassen wieder dieses Gefühl in mir aufpeitschen. Aber etwas in mir will das Misstrauen nicht ganz beiseiteschieben. Da kann auch sein flehender Blick nichts gegen ausrichten.
Vorsichtig frage ich ihn und umklammere mit der freien Hand meine Bettdecke: „Wie willst du mir das beweisen?“ Ich kann mir nicht denken, was er tun kann, um mir meine letzten Bedenken zu nehmen, die ihn scheinbar überhaupt nicht plagen.
„Ich rede von miteinander schlafen. Du willst das doch auch! Ich weiß das! Und du wirst sehen, dass meine Gefühle zu dir so stark sind, wie ich sage.“
Ich sehe Tim sprachlos an. Er versteht wirklich gar nichts. Genau das ist es doch, was mir Angst macht. Wenn wir unseren Gefühlen nachgeben, wird es uns dann genauso ergehen, wie all unseren Vorfahren vor uns?
Ich glaube immer noch, er will nur mit mir in die Kiste gehen und wenn ich schwanger bin, ist seine Mission beendet. Dann sind die Gefühle weg und ich stehe genauso da, wie meine Mutter, seine Mutter, meine Oma und wer weiß wer noch alles aus unserer Familie. Ich kann das nicht. Ich habe zu viel Angst vor falschen Beweggründen und Entscheidungen. Mir fehlt der Mut, es drauf ankommen zu lassen.
Tim erklärt eindringlich, als ich immer noch nicht die Bettdecke hochreiße und ihn an mich ziehe: „Weißt du, ich denke, dass mit uns wird etwas Besonderes sein. Nicht so wie mit den anderen …“ Dabei funkeln seine Augen voller Ungeduld. Er rutscht auf meiner Bettkante näher an mich heran und umschlingt meine Hand fester. „Du bist alles für mich. Mehr als jemals ein Mensch zuvor. Das musst du mir glauben.“ Der Druck auf meine Hand verstärkt sich noch mehr und er fügt mit leidenschaftlichem Zittern in der Stimme fort: „Und ich begehre dich, wie niemals jemanden zuvor.“
Hu! Das ist wie in einem alten `Vom Winde verweht` Film. Mama würde dahinschmelzen.
Ich starre ihn nur an. Nichts was er da sagt, gibt mir das Gefühl, dass ich nachgeben kann und mich ihm bedingungslos hingeben darf. Aber in meinem Inneren kämpft ein Hurrikan mit einem Tsunami. Ich will so gerne mein erstes Mal in seinen Armen erleben und doch glaube ich, das wäre ein fataler Fehler. Etwas in mir warnt mich eindringlich.
Marcel kommt mir in den Sinn. Er spricht offen von Liebe und tiefer Zuneigung. Seine Worte drängen wieder in mir hoch: „Wenn du das nicht überlebt hättest, dann hätte ich auch nicht mehr leben wollen.“ Das ist etwas anderes als: Reiß die Decke hoch und lass uns wilden Sex haben, egal was hinterher wird.
Ich finde Tims Art verdächtig unseriös und Marcel erscheint mir, mehr denn je, wie der romantische Prinz hoch zu Ross. Verdammt, warum kann ich für ihn nicht das Gleiche empfinden wie für Tim? Aber ich habe eine Wahl und muss die richtige Entscheidung treffen.
Weil ich auf Tims Worte nicht reagiere, schüttelt er den Kopf und fragt eindringlich: „Carolin, du hast doch schon mal, oder?“
Ich bin von seiner Frage wie vor den Kopf gestoßen. Es klang fast anklagend und verunsichert mich. Bei ihm fühle ich mich, als wäre ich eine Zurückgebliebene aus der tiefsten Walachei. Seine direkte Art erschüttert mich. Bisher hat mich noch keiner so in Verlegenheit gebracht. Daher reagiere ich auch etwas ungehalten und zische aufgebracht: „Ich bin mit Marcel zusammen“, als würde das meinen Sexstatus erklären.
Tim zieht hörbar die Luft ein und in seinen Augen funkelt es empört. Er lässt meine Hand auf die Bettdecke fallen, als würde sie brennen und verkrallt seine ineinander. „Was, ihr beide seid zusammen? Das wusste ich nicht.“
Verdammt, warum habe ich das gesagt? Ich will doch nur ihn und er soll mir einfach die Gewissheit geben, dass er mich für immer lieben wird. Aus tiefstem Herzen.
Tim sieht auf und knurrt: „Das sagst du nur so, stimmt’s?“ Und bevor ich einen vernünftigen Gedanken fasse, nicke ich auch schon.
„Mann, Carolin! Was soll das? Warum tust du das?“, zischt er aufgebracht.
„Ich weiß doch gar nicht, was das wirklich zwischen uns ist“, verteidige ich mich und meine Stimme will mir versagen. In meinem Inneren toben mittlerweile einige Wirbelstürme, die meine Gedanken und Wünsche durcheinanderwirbeln. Ich spüre ganz klar, dass es nicht richtig ist, wenn wir zusammen sind und uns unseren wirren Gefühlen hingeben, solange wir keine Gewissheit haben, woher das kommt. Aber ich kann es auch nicht ertragen, es nicht zu tun.
Tim springt auf, geht zum Stuhl und wirft sich darauf. „Was das zwischen uns ist? Worüber machst du dir eigentlich einen Kopf?“, presst er hervor. Er kann das offensichtlich nicht verstehen und ich fühle mich hilflos. Dass wir uns immer weiter voreinander entfernen, macht mich ganz krank. Ich strecke meine Hand nach ihm aus. Ich will ihn nicht verlieren. All meinen Mut zusammennehmend, flüstere ich fast unhörbar: „Ich nehme keine Pille.“
Noch nie hatte ich mit einem Jungen über Sex, die Pille und solche Dinge gesprochen. Tim fordert mich da echt bis zum Anschlag des Erträglichen. Aber meine ausgestreckte Hand soll ihm meine Bereitschaft signalisieren, wenn ich auch noch nicht weiß, wozu ich wirklich bereit bin. „Deshalb können wir nicht einfach miteinander schlafen.“
Damit habe ich einen plausiblen Grund geliefert, warum wir uns zurückhalten müssen. Das sollte auch ihm klar sein. Sonst ist er der Hinterwäldler …
Er steht langsam auf und kommt wieder zu mir. Bedächtig setzt er sich erneut auf die Bettkante und streicht mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Sein Gesicht sagt nichts von „nicht übereinander herfallen“. Es sprüht förmlich vor Verlangen.
Das macht mich wieder nervös und ich will von Tim etwas über wirkliche Gefühle hören. Also starte ich erneut: „Was ist, wenn es bei uns beiden nur etwas ist, das der Kurt Gräbler Teil in uns auslöst?“
Tims Blick wandelt sich von sanft in genervt. Es scheint mir so, als wäre das ein Gedanke, der einfach in seinem Kopf nicht Fuß fassen will. Dann schüttelt er wütend den Kopf und nimmt mein Gesicht in beide Hände. Dabei sieht er mir fest in die Augen. „Das darfst du nicht denken. Das ist doch kein Hokuspokus! Das ist echt!“, zischt er.
Seine Worte geben mir Hoffnung. Vielleicht ist wirkliche Liebe so, wie wir sie empfinden? Vielleicht hat Kurt Gräbler wirklich nichts damit zu tun.
Bevor ich weiter nachdenken kann und Einwände mich verunsichern, beugt er sich vor und küsst mich.
In meinem Körper scheinen alle Muskeln ein Eigenleben zu entwickeln und auf seinen Kuss zu reagieren. Es schmerzt fast. Und Tim scheint sich sicher zu sein, dass damit die Diskussion beendet ist. Er greift nach der Fernbedienung und ich spüre das Rückenteil, das unter unserem Gewicht nachgibt, bis ich liege. Dann zieht er an der Bettdecke, um mich von ihr zu befreien. Als ich sie versuche festzuhalten, werden seine Küsse drängender und ich lasse sie los. Er schiebt sich neben mir in das Bett, stützt sich auf einem Ellbogen ab und mit der drängenden Zungenakrobatik in meinem Mund sucht seine Hand einen Weg unter meine Pyjamajacke und schiebt sich auf meine Brust.
Ich drücke Tim verwirrt und aufgebracht von mir weg und sehe in seine Augen, die zu glühen scheinen. „Aber ich bin mir nicht sicher, ob wir nicht doch irgendwie manipuliert werden. Denk doch nur daran, wie wir alle entstanden sind“, sage ich mit einem letzten Aufbegehren, um ihn davon abzuhalten, mich weiter so zu küssen und seine Hände meinen Körper erkunden zu lassen. Mich verunsichert seine gierige Art. Außerdem liegen wir in einem Krankenhausbett und es kann jederzeit jemand hereinkommen.
Aber er greift nur nach meiner Hand, die ihn aufhalten will und schiebt sie beiseite, mich wieder mit heißen Küssen bedrängend. Ich befürchte, ich kann ihn irgendwann nicht mehr stoppen und drehe meinen Kopf zur Seite und stemme mich erneut gegen ihn. „Tim … Tim hör auf!“
Er sieht mich aus zusammengekniffenen Augen an und räuspert sich. Dann schüttelt er den Kopf, als müsse er erst seine Gehirnzellen an den richtigen Platz bringen. Er wirkt benommen, und dass ich unsere innige Zweisamkeit wieder so abrupt unterbreche scheint ihn wütend zu machen.
„Wir werden nicht manipuliert. Wie