Diakon in Dortmund und Soest - Rückblicke - Teil 4. Jürgen Ruszkowski. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jürgen Ruszkowski
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783738067569
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so ernst als wahr,

       so klug als weise,

       in der Schrift bewandert,

       im Glauben gegründet,

       voll Liebe zum armen Volke,

       geschickt zu solch einem Umgang,

       der Menschen fürs Himmelreich gewinnt,

       solche Männer wünschen wir in Scharen

       unter das Volk.

      Johann Hinrich Wichern

      – Präambel der früheren Brüderordnung des Rauhen Hauses –

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      Im Beruf als Volkspfleger bei der Freien und Hansestadt Hamburg in Hamburg

      Zurück zu meinem beruflichen Werdegang: Hans-Otto Wölber möchte mich in St. Nikolai als Gemeindediakon übernehmen und ist stocksauer, dass ich nicht bleiben will, aber erstens weiß ich, dass mir das Charisma für Jugendarbeit fehlt und zweitens ist mir das Milieu in St. Nikolai eine Nummer zu bürgerlich vornehm. Außerdem habe ich zu der Zeit Probleme damit, mich aus Kirchensteuermitteln bezahlen zu lassen.

      So bewerbe ich mich bei der Freien und Hansestadt Hamburg um die Stelle eines „Volkspflegers“ bei der Sozialbehörde. Ich will diesen Dienst bei der Behörde aber nicht nur als Fürsorger, sondern bewusst als Diakon wahrnehmen. Vom 1. April bis 30. Juni 1959 arbeite ich ein viertel Jahr bei der Sozialbehörde Hamburg, Gefährdetenfürsorge-Abteilung II/12: Dieser Stelle obliegt die Betreuung von Trinkern, anderen Rauschgiftsüchtigen, Schwachsinnigen, Geisteskranken und gefährdeten Heranwachsenden und die Führung und Vermittlung von Vormundschaften für Erwachsene. Rechtslage und Begriffe haben sich bis heute grundlegend gewandelt, aber das ist damals die gängige Terminologie. Ich wohne in dieser Zeit weiterhin im Wichernhaus des Rauhen Hauses.

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      Nachdem ich bei der Sozialbehörde gerade eben eingearbeitet worden war, spricht mich eines Tages Fiete Jahnke an, um mir eine Stelle als Jugendfürsorger beim Kirchlichen Gemeindedienst für Innere Mission in Dortmund mit Inaussichtstellung einer Dienstwohnung anzubieten. Gottfried Scheer, Rauhäusler Diakon, der dort als Geschäftsführer tätig ist, hat offenbar seinen Chef, Dr. Heinrich Schmidt, darauf gebracht, am 3.04.1959 beim Rauhen Haus nach einem geeigneten Fürsorger anzufragen. Jahnke weiß, dass meine Braut aus dem Ruhrgebiet kommt, dass wir eine Wohnung brauchen und will mich für den Dienst in der Kirche zurückgewinnen. Am 25.04.1959 schreibt das Rauhe Haus nach Dortmund:

      „...es handelt sich bei R. um einen hochbegabten Mann, der im Augenblick Dienst bei der Stadt Hamburg tut, aber lieber bei der Kirche arbeiten würde...“

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      Diakon in Dortmund

      Diese Stelle interessiert mich dann doch sehr und ich bewerbe mich erfolgreich.

      Unsere Dienstwohnung im Gebäude der Inneren Mission in der 2. Kampstraße 40 in Dortmund in der Nähe des Hauptbahnhofs, einem alten grauen Zahn von Haus, ist noch nicht frei.

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       2. Kampstraße 40 in Dortmund – im 1. Stock ganz links wird unsere Wohnung frei werden

      Dort ist ein Frauenwohnheim der Mitternachtsmission untergebracht, für das sich die Fertigstellung des Neubaus verzögert. Es gelingt mir bei einem Kurzaufenthalt in Dortmund, für die ersten Wochen ein Provisorium von zwei düsteren Räumen mit mangelhaften sanitären Verhältnissen für den damals sündhaft teuren Mietzins von 156 DM monatlich von einer später wegen Mietwuchers verurteilten Hausbesitzerin in Dortmunds Altstadt in der Borsigstraße 23, Ecke Gronaustraße, zu mieten. Monica wird mit ihrem Halbtagsjob in einer Kirchengemeinde kaum mehr verdienen, als die Miete verschlingt. Als ich dort am 1. Juli 1959 mit unseren wenigen Sperrmüllmöbeln und Kartons per Beipackumzug ankomme, ist die Bude noch nicht frei. In den beiden Löchern hausen etwa ein Dutzend Männer. Als sie die „Wohnung“ endlich geräumt haben, hole ich eimerweise Dreck aus den Ecken hervor und kann das Wischwasser nicht oft genug erneuern, bis ich einen Hauch von Sauberkeit geschafft habe. Monica, deren Arbeitgeber sie nicht vor Ultimo ziehen lassen wollte, reist gesondert über Vermittlung einer Mitfahrerzentrale per Pkw an. Ihr Fahrer unternimmt unterwegs noch einen Verwandtenbesuch und kommt daher unplanmäßig spät in Dortmund an. Ich vermute, sie sei trotz der Vereinbarung eines Treffens in Dortmund direkt nach Castrop-Rauxel zu ihren Eltern gefahren. Dorthin besteht aber keine Telefonverbindung, so dass ich nicht nachfragen kann. So lege ich mich schlafen, in der Hoffnung, Monica werde mich, sollte sie doch noch kommen, in unserer Parterrewohnung schon herausklopfen. Sie kommt auch noch und klopft heftig gegen die Fenster, aber ich bin von der Knochenarbeit derart müde und im Tiefschlaf, dass sie mich nicht wach bekommt. So fährt sie mit der Straßenbahn weiter nach Castrop und muss ihre bereits schlafenden Eltern aus dem Bett klingeln.

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      Heirat

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      Am 3. Juli 1959 heirate ich vor dem Standesamt Castrop-Rauxel und in der Martin Luther-Kirche in Castrop Monika Anita Maria Mieck. Der Weg zu Fuß bergauf zum Standesamt ist für mich sehr mühevoll. Habe ich mir diesen für das ganze Leben so entscheidenden Schritt auch gründlich genug überlegt?

      Nach der schlichten Hochzeitsfeier fahren wir, Monica in ihrem einfachen weißen Brautkleid, ich in meinem dunklen „Anzug“ aus Spendenbeständen des Rauhen Hauses, von Castrop-Rauxel mit der Straßenbahn in unsere „Wohnung“ nach Dortmund, weil bei unserer Armut das Geld nicht für ein Taxi reicht. Nur mit Mühe kann ich Monica davon überzeugen, ihren Brautschleier vor der Straßenbahnfahrt abzunehmen. – Monica ist die erste Frau in meinem Leben und wird es bleiben, bis ich diese Zeilen als alter Mann schreibe. Ich glaube, dass ich für meine Zeit in dieser Hinsicht ein seltenes Exemplar von Mann bin. Ich werde mit meiner hochsensiblen Monica eine recht dynamische Ehe führen, und sie wird es mit mir und der Nebenbuhlerin „Diakonenberuf“ nicht leicht haben.

      Drei Tage nach der Hochzeit, zu Beginn der Flitterwochen, steht plötzlich Horst Nagler, Schulkamerad aus Grevesmühlen, zum Besuch bei uns vor der Tür. Seitdem habe ich immer mal wieder Kontakt mit ihm.

      Nach vielen Wochen können wir im Herbst endlich die Dienstwohnung beziehen. Es wird auch höchste Zeit, denn in unserer nicht heizbaren provisorischen Bude wird es empfindlich kalt. Die neue Wohnung im 1. Stock meiner Dienststelle hat Zentralheizung und ein Badezimmer und kostet uns nur 60 DM Miete monatlich.

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       Monica in der Küche neben dem alten Gasherd aus Spendenmöbeln

      Über uns im Hause wohnt Dr. Heinrich Schmidt, der Dienststellenleiter, von Hause aus Jurist, ein fähiger Mann, den ich sehr schätze. Er war als Halbjude in der Nazizeit diskriminiert und als Kurier aktiver Mitarbeiter der Bekennenden Kirche. An die Dienstwohnung geknüpft ist meine Aufgabe, mich nach Feierabend und am Wochenende um die Stadtstreicher zu kümmern, die recht häufig, auch noch spät abends, an der Tür klingeln und um Hilfe nachsuchen. So manches Schmalzbrot wird vom eigenen schmalen Wirtschaftsgeld dafür abgezwackt. Außerdem habe ich die Koksfeuerung der Zentralheizung zu bedienen, wenn der Hausmeister Urlaub hat oder wegen