»Wir danken euch! Wir wissen, was uns die Höflichkeit gebietet, und bitten euch also, euer Mahl allein zu verspeisen.«
»Ihr versteht mich falsch. Wir meinen unsre Einladung in vollem Ernste.«
»Auch mir ist es völlig Ernst mit meiner Abweisung. Folgte ich eurer Bitte, so müßtet ihr uns für sehr unbewanderte und unhöfliche Menschen halten. Ihr seid so höflich, uns einzuladen, wie dürften wir da so unhöflich sein, euch dadurch zu belästigen, daß wir euern Wunsch erfüllen!«
Der Blaurote hatte nach chinesischen Begriffen vollständig recht. Man darf nur derjenigen Einladung folgen, welche in aller Form und unter Überreichung eines großen, farbigen, dazu hergerichteten Papierbogens geschieht.
»Wir meinen unsern Wunsch wirklich aufrichtig,« drängte der Ho-tschang. »Wir haben keine gedruckten Einladungen an Bord, und da ich englisch spreche, meine ich meine Einladung nicht chinesisch.«
»Darf ich es glauben?«
»Ja, ich bitte sehr darum.«
»So will ich es wagen, die Einladung anzunehmen. Wann wird das Essen beginnen?«
»In einer halben Stunde. Ich selbst werde euch abholen. Fleisch kann ich euch leider nicht vorsetzen, denn das hat der Geist verzehrt.«
»Ich habe es bisher nicht gewußt, daß Geister Fleisch essen. Vielleicht haben sie eine besondere Vorliebe für denjenigen Braten, welchen ihr ihm vorsetztet. Werdet ihr die Güte haben, mir zu sagen, von welchem Tiere dieses Fleisch gewesen ist?«
»Es war Dschi, das delikateste Essen, welches es nur geben kann. Darum hat der Geist uns leider nichts übrig gelassen.«
Indem der Methusalem zu seinen Gefährten zurückkehrte, welche während dieser Unterredung von fern gestanden hatten, lachte er über dieses Dschi still in sich hinein. Er führte sie nach dem Bug zu, da er ihnen eine Mitteilung zu machen hatte, und unbeobachtet sein wollte.
»Dort angekommen, teilte er ihnen mit, daß sie zum Abendessen eingeladen seien, und fügte lächelnd hinzu: »Aber Mijnheer van Aardappelenbosch wird da wohl nicht viel leisten können.«
»Waarom niet?« fragte der Dicke. »Ik ete en drink zeer gaarne.«
»Aber Sie haben am Nachmittage schon tüchtig gespeist und jetzt am Abende wieder.«
»Immers, doch heb ik evenwel alreeds wederom Honger – allerdings, doch habe ich trotzdem schon wiederum Hunger.«
»Mijnheer, ist das möglich? Was für einen Magen müssen Sie haben!«
»Ja, mijn maag is goed, maar mijn buik niet. Hij is zoo zwak – ja, mein Magen ist gut, aber mein Bauch nicht. Er ist so schwach.«
Er legte mit der traurigsten Miene die Hände an den Bauch und fragte dann den Methusalem in dringlichem Tone: »Wat zegt het woordenboek von de buik?«
»Was das Wörterbuch von dem Bauche sagt? Das wollen wir nicht erörtern. Ich halte es für viel interessanter, Sie zu fragen, ob Sie wissen, was für Fleisch Sie gegessen haben.«
»Gebraden kalsvleesch.«
»Leider nicht. Es war nicht Kalb, sondern Dschi.«
»Dschi? Dat weet ik niet.«
»Sie wissen nicht was Dschi ist?«
»Neen.«
»So raten Sie einmal!«
»Goed; is't een dier?«
»Ja, es ist ein Tier.«
»Kan't vliegen?«
»Nein, fliegen kann es nicht.«
»Kan't zwemmen?«
»Ja, schwimmen kann es.«
»Kan't ook loopen?«
»Laufen kann es auch.«
»Is het geschoten worden van de jager?«
»Nein, es ist nicht vom Jäger geschossen worden. Der Jäger schießt es nie, denn er nimmt es als beste Hilfe mit auf die Jagd.«
Das runde Gesicht des Mijnheer wurde zusehends länger.
»O mijn Holland en Nederland!« rief er erschrocken aus. »Is het een hond?«
»Ja, Hund ist es. Dschi heißt Hund. Sie haben Hundebraten gegessen. Wissen Sie nicht, daß man in China gewisse Hunderassen, welche schnell fett werden, mästet, um sie dann zu schlachten und zu verzehren?«.
»Hondvleesch, Hondvleesch heb ik gegeten!« schrie der Dicke.
Er raffte sich von seinem Sitze auf und wollte davoneilen, besann sich aber doch eines andern. Er drehte sich wieder um, schlug sehr energisch mit der einen Hand in die andere und rief: »Neen, en driemal neen, en duizmdmal neen! Wat in de maag is, dat moet ook in de maag blijven – nein, und dreimal nein und tausendmal nein! Was in dem Magen ist, das muß auch in dem Magen bleiben!«
»Selbst wenn es ein Hund ist!« lachte der Methusalem.
»Ja, de Hond moet blijven! Ik et nook en gebraden openop – ja, der Hund muß bleiben! Ich esse noch einen Braten obendrauf.«
Alle lachten. Er aber nahm wieder auf seiner Decke Platz, und in seinem fetten, zufriedenen Angesicht war nicht die mindeste Spur des Ekels zu bemerken, den er soeben empfunden hatte.
»So, den Hund haben wir begraben,« fuhr der Methusalem fort. »Nun fragt es sich, ob wir das andre ebenso leicht bewältigen. Haben Sie sich nicht über die Antwort gewundert, welche der Geist auf meine Frage gab?«
»Außerordentlich!« sagte Turnerstick. »Erst, als Sie unter so emsigen Verbeugungen den Geist, den man doch nicht sehen konnte, geführt brachten und ihn so höflich einluden, sich niederzusetzen, mußte ich mir alle Mühe geben, das Lachen zu verbeißen. Später aber, als Sie mir die Antwort verdolmetschten, was übrigens nur darum nötig war, weil dieser Geist ein so miserables Chinesisch diktiert hatte, wußte ich wirklich nicht, woran ich war.«
»Aber jetzt, nun wissen Sie es?«
»Aufrichtig gestanden, nein.«
»Aberst ich weiß jenau, wat ich von die Sache zu denken habe,« fiel Gottfried ein. »Dieser Jeist leidet an Schwindel, wat ja nicht zu verwundern ist, da er ja aus die Wolken jekommen ist. Die Schreiberei auf den Sand ist sonner Mumpitz, dat ich dem Priester jewiß wat hinter die Ohren jewidmet hätte, wenn ich nicht als Fremder verpflichtet wäre, nur meine anjenehmen Eijenschaften zu zeijen. Es hat mir die jrößte Mühe jekostet, dem Betrüjer nicht mit die Hände im Jesichte herum zu lustwandeln.«
»Aber seine Antwort auf meine Frage!«
»Ja, die ist mich allerdings auch noch eine unentdeckte Himmelsjegend. Ich kann sie mich unmöglich erklären. Sie vielleicht?«
»Ja. Wir sind doch wohl alle darüber einig, daß von einem Geiste keine Rede ist. Der Priester gibt die schriftlichen Antworten nach eigenem Ermessen und nicht infolge der Einwirkung eines überirdischen Wesens. Er muß also wissen, welchen Zweck wir in China verfolgen. Er hat es erfahren; aber von wem?«
»Von mich kein Wort!«
»Van mij ok niet!« beteuerte der Mijnheer.
»Das glaube ich gern. Wer es ihm verraten hat, muß der chinesischen Sprache mächtig sein. Es ist nur die eine Erklärung möglich, daß wir belauscht worden sind und zwar hier auf dem Schiffe. Wann haben wir von unsren Absichten gesprochen? Als wir beim Eintritte der Dunkelheit vor unsrer Kajüte saßen. Und wer von der Schiffsmannschaft war da bei uns? Der Malaie, welcher uns bedient. Er also muß es sein, der das Erlauschte dem Priester verraten hat.«
»Aberst wie sollte dat möglich