„Das hättest du nicht zulassen dürfen!“ Durchschneidet ein Schrei die Stille.
Iogis Vater baut sich anklagend vor Varus, seinem Vater, auf. „Schweig! Im Namen der Götter, nimm nicht noch größere Sünden auf dich. Es steht niemandem, auch dir nicht, zu, die Taten der Götter oder ihrer Priester infrage zu stellen. Zur Strafe knie vor der Kirche nieder und bete laut zehnmal: Ehre und Dank sei den Göttern.“ „Ich denke nicht daran!“ Faucht Johann zurück. Der Priester erwidert mit gefährlich, leiser Stimme. „Dann eben zwanzigmal. Auch du mein Sohn musst den Göttern und ihrem Priester gehorchen, verweigerst du den Gehorsam lasse ich dich im Block erst peitschen und dann beten. Erspare mir, deiner Frau und deinen Kindern diesen Anblick.“
Und so warf Johann sich im Schnee nieder und begann zu beten. Die ersten Zuschauer verließen bereits beim dritten Gebet den Kirchplatz. „Ich bin beim Achten gegangen.“ Beendet Swen seinen Bericht. Iogi ist erschüttert. „Ich muss heim, es wird zwar dicke Luft herrschen, aber je später ich komme umso schlimmer wird es - und Swen, danke für alles.“
Als sich Iogi daheim in die Wohnküche schleicht, werden seine Befürchtungen noch übertroffen. Seine Geschwister hocken verängstigt mit Mutter auf der Eckbank, Vater stampft wütend vor dem Tisch hin und her. „Diese Schande! Er hat mich zum Gespött des ganzen Dorfes gemacht! Erst kriecht er vor diesem perversen Go ... “ „Versündige dich nicht!“ Schreit Mutter dazwischen, doch das bringt Johann erst recht in Fahrt. „Ha! Und dein Sohn hängt auch noch dauernd bei diesem Priester rum!“
Da erblickt er Iogi und schimpft los. „Ho! Der Herr Sohn kommt auch schon nachhause! Wo hast du dich rumgetrieben, warst du wieder bei deinem geliebten Großvater unserem erhabenen Priester? Hast du schon den Spott gehört, den die Dörfler, dank deines Opas, über mich ausgießen? Du wirst ihn nicht mehr sehen, ich verbiete dir den weiteren Umgang mit diesem Schwein! Antworte gefälligst, warum warst du nicht, wie immer, bei der Rückkehr der Holzfäller dabei? Du hast auch den Besuch eines erhabenen Gottes verpasst!“
Iogi steht vor dem Tisch, die darauf brennenden Lichter umhüllen seinen schlanken, aber noch kindlichen Körper, mit ihrem Schein, als er leise antwortet. „Ich hatte kein Bedürfnis auf die Gesellschaft dieses Gottes.“ Der Vater blickt seinen Sohn an und vor seinem geistigen Auge steht der kleine Pauli plötzlich daneben:
Der gleiche Körperbau, das gleiche Haar, die Ähnlichkeit ist unübersehbar.
Johanns Wut ist schlagartig verschwunden, er erbleicht und verlässt wortlos den Raum, damit niemand seine Tränen sehen kann.
Frühlingsgefühle
Der Schnee ist geschmolzen, der Boden aufgetaut und abgetrocknet, der Frühling ist da!
In dieser Zeit genießt die Familie Birke höchstes Ansehen. Zu dem Dorf gehören nämlich vier riesengroße Felder, die von den Dörflern auf Anweisung und mithilfe der Götter bewirtschaftet werden. Die Allmächtigen bestimmen die jeweilige Feldfrucht, schenken das Saatgut und stellen ihre göttlichen Maschinen zur Verfügung - und Johann Birke ist dann der Fahrer. Drei der Felder liegen über einen Tagesmarsch vom Dorf entfernt, und da das Herrichten jedes Ackers mehrere Tage dauert, hat Iogis Vater in dieser Zeit sogar ein Auto, mit dem er zur und von der Arbeit fahren darf. Hier mitfahren zu dürfen ist das Höchste.
Heute hat Iogi mal wieder das Privileg, leider kann er Swen nicht mitnehmen denn die anderen Plätze sind schon vergeben. Ein Sitz geht wie immer an Vaters Stellvertreter und „Lehrling“ Herrn Müller, die beiden Restplätze diesmal an Iogis kleine Schwester Iris und ihre Freundin Anja. Das Feld, zu dem die Fahrt geht, liegt ganz im Südwesten und die Reise wird lange dauern. Die beiden Mädchen genießen die vorbeifliegende Landschaft, Iogi konzentriert sich jedoch auf die Bewegungen von Herbert, der unter Vaters strengen Augen fahren darf. Er würde es auch gerne mal versuchen aber seine diesbezüglichen Bitten finden kein Gehör. Dann ist das teilweise hergerichtete Feld mit dem einsamen Schlepper samt Kultivator erreicht. Herbert stellt das Auto am Ende des Weges bei einem verfallenen Gehöft ab; von hier bis zum Traktor ist es noch knapp fünf Minuten zu Fuß. Weil nicht alle auf dem Traktor mitfahren dürfen, bleibt Iogi hier zurück, die beiden Mädchen können sich einen Seitensitz teilen, den anderen wird derjenige der Männer einnehmen, der nicht den Schlepper führt.
Das verfallene Gehöft hat Iogi schon im Herbst, verbotenerweise, durchsucht. Die Nebengebäude sind nur noch bewachsene Schutthaufen, die größten Bäume, die darauf stehen, haben bereits schenkeldicke Stämme. Das Dach und eine Giebelwand des Haupthauses sind eingestürzt, ihre Reste liegen auf der Decke des Erdgeschosses, darüber wuchern Gras, Unkraut und kleinere Büsche. In den Innenräumen des Erd- und Kellergeschosses war nichts Besonderes zu finden. An das Gehöft grenzt ein ehemaliger Garten, in dem sich noch einige Obstbäume gegen die Übermacht von haushohen Birken, Weiden und Fichten stemmen, das Ganze geht dann in einen Hochwald über, der in eine Senke führt. Iogi beschließt die Niederung und den gegenüberliegenden Wald, zu erkunden.
Nachdem er den Sumpf und den Bach in der Mulde durchwatet hat, steigt er auf der anderen Seite im Wald empor. Nach einer viertel Stunde ist der höchste Punkt erreicht. Hier schließt sich niedriger Wald mit dichtem Unterholz an. Während die Bäume des Hochwaldes in Reih und Glied stehen ist der niedrige Wald ungeordnet, auch dominiert hier nicht die Fichte, sondern es herrscht ein Durcheinander von vielen verschiedenen Baumarten und Sträuchern. Iogi zwängt sich etwa fünf Minuten an der Grenze der beiden Wälder entlang, als ihm ein großer, undefinierbarer Hügel im Hochwald auffällt.
Der mit allerlei Strauchwerk bewachsene Boden steigt hier steil an, darüber liegt ein Gewirr aus toten Ästen und daraus wächst einiges Unkraut. Iogi umrundet den Haufen und bleibt auf der anderen Seite staunend stehen. Hier steht, an drei Rändern halb eingegraben, ein eisernes Fahrzeug, unter einem vielfach zerrissenen Netz und darauf bereits bewachsenem Totholz. Das Gefährt hat keine Reifen, sondern auf jeder Seite viele Räder, die äußeren mit Zacken, über denen ein breites, ebenfalls gezacktes Band, liegt.
„Irgendwo habe ich so etwas schon einmal gesehen. — Ja, an einer Schubraupe der Götter beim Straßenbau.
Denkt sich Iogi. Kurz darauf erblickt er einen weiteren und später, nach einigem Suchen, noch zwei derartige Haufen, in jedem steht ein solches Gefährt, dessen dunkelgrüne Farbereste ihn an die Motorräder der Götter erinnern, die den fremden Priester getötet hatten. Die Klinken an den Türen lassen sich an keinem der Fahrzeuge bewegen, sodass Iogi nicht ins Innere schauen kann.
Er beschließt seinen Fund zunächst geheim zu halten und sich morgen mit seinem Großvater darüber zu beraten. Iogi geht zum Gehöft zurück und erreicht es noch vor dem Mittagessen. Seine Abwesenheit ist niemandem aufgefallen, im Gegenteil, er wird noch dafür gelobt, dass er das Auto so gut bewacht hat. Am Nachmittag muss er zuerst auf die beiden kleinen Mädchen aufpassen, denen die Lust am Schlepperfahren vergangen ist. Später löst ihn Herr Müller ab und sein Vater nimmt ihn auf dem Traktor mit. Als sie wieder einmal am Ende des Feldes, außer Sicht der anderen, gewendet haben, darf Iogi den Schlepper steuern. Bevor das Gehöft erneut erscheint, muss er auf den Beifahrersitz wechseln, da ja nach göttlicher Anweisung nur Vater und dessen Stellvertreter fahren dürfen.
Iogi genießt diese kurzen Fahrten, die er schon öfter machen durfte. Es ist ein erhabenes Gefühl diese gewaltige Maschine zu beherrschen. In diesem Glücksgefühl ist er nahe daran Vater von seinem Fund zu erzählen, doch er verwirft diese Idee, weil es sich sicher um etwas Göttliches handelt und dafür ist doch eher sein Opa zuständig. Den besucht er gleich nach ihrer Rückkehr im Dorf.
„Hallo,