Tom war schon immer eher grüblerisch. Nun hatte er mit seinem Vorhaben, eine Internetplattform zu gründen, noch mehr Aspekte, über die er grübeln konnte. Würden die Nutzer seine Plattform annehmen? Würden Unternehmen dort Werbung schalten? Würden sich die Arbeit und all die Zeit am Ende auszahlen? Die Zweifel wuchsen. Bis er letztlich seine Situation aus einer anderen Perspektive betrachtete: Wenn er das erfolgreiche Scheitern zu seinem Ziel erklärte und seine alten Erfolgsvorstellungen ablegte, würde er gewinnen. In einem Moment der Ruhe (Regel 3) erkannte er, dass er keine andere Möglichkeit, als zu scheitern, hatte. Fortan war er sich des Scheiterns bewusst und ließ den Erfolg nicht einmal mehr als theoretische Chance in sein Denken. All seine Bemühungen richtete er nun darauf, wie er das Scheitern beflügeln und sicherstellen könnte.
7. Zweifeln Sie immer an Ihrem Scheitern
Zu gefestigter Glaube macht blind für Gefahren und Chancen.
Zweifel halten den Geist wach und kreativ.
In unserer erfolgsdominierten Gesellschaft ist es nicht leicht, den Gedanken an das Gelingen eines Vorhabens zu verbannen und an seinem erfolgreichen Scheitern zu zweifeln. Mitunter scheint ein Projekt den Erfolg fast magisch anzuziehen – wie sollen Sie da an Ihrem Scheitern zweifeln? Ganz einfach: Gönnen Sie sich Momente, in denen Sie es sich gestatten, an Ihrem Scheitern zu zweifeln, Momente, in denen Sie sogar einen Erfolg für gar nicht so unmöglich halten, wie er es ist. Diese Momente werden Ihnen Kraft und Energie geben.
Diese Momente sind überlebenswichtig für das Projekt, sonst würden Sie es in der Gewissheit des Scheiterns ja vorzeitig beenden und für gescheitert erklären. Aber für „erfolgreiches Scheitern“ müssen Sie es bis zu Ende bringen, vorzeitige Abbrüche sind nur Niederlagen.
Die zwei gezeigten Zweifelsfelder sind daher essenziell für Ihr Vorhaben, wie Yin und Yang, die positive und die negative Energie, die zwei Gegensätze der chinesischen Philosophie. Die Nicht-Zweifel am Scheitern sind notwendig, um das Richtige zu tun und erfolgreich scheitern zu können. Die Zweifel am Scheitern sind nötig, damit Sie Ihr Projekt weiter betreiben und nach außen verkaufen können.
Anna war sich sicher, dass sie scheitern wird, gab aber nicht auf, denn immer mal wieder, wenn sie das Feuilleton las, wurde ihr bewusst, wie wichtig es war, dass sie ihren Roman schrieb. In solchen Momenten schöpfte sie Kraft, wieder ein Stück weiterzugehen und ihr Vorhaben voranzubringen.
Josef und Mara zweifelten anfangs nie an ihrem Erfolg, doch im Laufe der Arbeit stellten sich Zweifel ein. Konnten sie als Team eine solche Arbeit überhaupt erfolgreich zu Ende führen? Schließlich übernahmen diese Zweifel die Oberhand, und sie waren sicher, dass ein Scheitern unausweichlich ist. Dennoch hielten sie ihre Idee für so gut und erfolgversprechend, dass sie die Arbeit daran nicht aufgaben. Jeder geschulte Beobachter wäre in der Lage gewesen, ihnen in diesem Studium ein bravourös erfolgreiches Scheitern zu prophezeien, hatten sie doch genau die richtige Balance zwischen Erfolgs- und Scheiterzweifeln gefunden und machten außerdem auch alles andere instinktiv richtig, um dem erfolgreichen Scheitern näherzukommen und das Projekt nicht vorzeitig abzubrechen.
Du siehst, lieber Leser, es genügt keine einzelne Einstellung, sondern gerade die Kombination aus verschiedenen Kräften, die in Dir im Widerstreit liegen, weist den richtigen Weg. Verweigerst Du Dich einer dieser Kräfte, wirst du kläglich scheitern. Deine Aufgabe besteht darin, beide Kräfte in Dir zu erkennen, zu nähren und Dich beiden gleichermaßen intensiv hinzugeben.
8. Keine Kompromisse
„Der eine will ein Auto, der andere ein Motorrad. Was wird angeschafft? Ein Mülleimer.
Ein guter Kompromiss ist dann erreicht, wenn alle unzufrieden sind.“
Volker Pispers
Wer nach Harmonie strebt, gar Kompromisse als probates Mittel zur Zielerreichung ansieht, hat schon verloren. Nur strikte Kompromisslosigkeit und Unnachgiebigkeit sind erfolgversprechende Charakterzüge. Es könnte oft so einfach sein: Beide Seiten, die etwas wollen, geben ein Stückweit nach und schon ist etwas geklärt. Warum sollten aber gerade Sie nachgeben? Ihre Vision verträgt keine Kompromisse. Sie wollen Ihr Vorhaben doch nicht durch Kompromisse und Zugeständnisse verwässern.
Ganz egal, ob Ihnen jemand erklärt, dass etwas unmöglich sei, Ihr Motto ist: „The Sky is the Limit.“ Nur eine gesunde und gepflegte Ignoranz gegenüber Einwänden und scheinbaren Notwendigkeiten, die Ihnen Kompromisse abverlangen würden, wird Sie mit Sicherheit zum erfolgreichen Scheitern führen. Selbst wenn Sie das Gefühl haben sollten, dass ein Kompromiss Ihr Vorhaben ja gar nicht relevant verändert – mit einem kleinen Kompromiss fängt Ihr Untergang an, es werden weitere Kompromisse folgen, und irgendwann werden Sie Ihr Projekt nicht mehr wiedererkennen.
Jans Vision enthielt einen genauen Plan, wie sein Geschäft aussehen sollte: drei Räume, jeweils quadratisch, davon der erste mit den Auslagen acht Meter breit, der zweite fünf und der dritte drei Meter breit. Sie sollten hintereinander liegen. Der mittlere müsste eine kirchenartige Akustik haben, um die Platten angemessen anhören zu können, der hintere sollte eine Leseecke für die Bücher bieten. Selbstverständlich wäre alles nach strengen Feng-Shui-Regeln eingerichtet, sonst würde er sich ja lächerlich machen. Es wäre müßig, hier die angebotenen Kompromisse aufzuzählen. Kurzum: Jan ging keinen dieser Kompromisse ein und nutzte die Zeit, bis er ein geeignetes Objekt finden würde, für weitere Vorbereitungen.
Anna hatte noch nie Texte geschrieben, die länger waren als eine Seite. Von einigen Freunden bekam sie den Rat, doch erst einmal eine Kurzgeschichte zu versuchen. Wenn ihr das Schreiben Spaß machte und leicht fiele, könnte sie ja leicht daraus den Roman entwickeln. Selbstverständlich ignorierte Anna solcherlei Ansinnen.
Mara schlug Josef vor, mit der Idee bei einem großen Pharma-Unternehmen oder einer Forschungseinrichtung vorstellig zu werden und dort zu forschen; dieser Versuch hätte aufgrund familiärer Verflechtungen Maras sogar Erfolgsaussichten. Josef, der zahllose Kompromisse bei seiner Arbeit befürchtete, schlug diese Option natürlich aus.
Tom wollte seinen alten Computer zuhause als Server umrüsten und über diesen seine Plattform betreiben. Die Warnungen, dass der Aufwand somit unverhältnismäßig anwachse und der alte Rechner die Aufgabe nicht bewältigen würde, wischte er beiseite; die Idee, einen Server bei einem etablierten Anbieter zu mieten, kam erst recht nicht in Frage.
9. Sie wissen alles
„Zwei Dinge sind unendlich: das Universum und menschliches Wissen.
Beim ersten bin ich mir allerdings nicht sicher.“
frei nach Albert Einstein
Niemand weiß so viel wie Sie. Sie sind die einzige Person, die alles weiß, was für das Projekt wichtig ist. Sie können als einziger Mensch auf der ganzen weiten Welt sämtliche Aspekte qualifiziert einschätzen. Ob es sich um die finanziellen und buchhalterischen Aspekte handelt oder den Arbeitsaufwand oder die Marktchancen – Sie sind die einzige Person, die geeignet ist, sich für Ihr Projekt über diese Dinge Gedanken zu machen. Auch die Gestaltung und das Marketing ihres Vorhabens sowie sämtliche Überprüfungen und Anpassungen – Ihre Hände sind die einzigen, in denen solche Aspekte gut aufgehoben sind.
Lassen Sie sich nicht überreden, auch nur einen Teilbereich von jemand anderes ausführen zu lassen. Woher soll diese Person all die Tausend Details kennen, die erfolgsentscheidend für Ihr Vorhaben sind? Natürlich wird Sie keiner überreden wollen, man will sie nur „überzeugen“. Aber wie groß der Unterschied zwischen beidem ist, lehrt die englische Sprache: Dort gibt es nur ein Wort für beides, „persuade“. Vielleicht bietet auch nur jemand seine Hilfe und seinen Rat an. Seien Sie vorsichtig; niemand bietet aus purer Menschenliebe einfach so an, seine Zeit zu opfern. Niemand wird Sie so lieben können, wie Sie sich selbst lieben, und niemand wird so viel wissen wie Sie! Wie könnten diese Personen Ihnen dann helfen?
Sie, und nur Sie, sind