„Viel Glück, wo auch immer Ihr hingeht.“ Sie schaute nochmals kurz zu Krystina, die ihr zunickte. Dann verschwand sie leise und zog die Tür hinter sich zu.
„Seid Ihr sicher, dass uns hier die Häscher Miros nicht finden?“, fragte Krystina ängstlich und zog unbehaglich ihre Schultern nach oben, als wolle sie sich verkriechen. „Was, wenn die Köchin und ihre junge Begleiterin ihren Mund nicht halten, oder die Magd in der Küche den anderen von unserer Anwesenheit erzählt?“
„Keine Sorge, Mara wird uns nicht verraten. Sie ist schon hier gewesen, als Ludek noch gar nicht geboren war. Sein Vater hat sie einst zu sich genommen, als sie ihre ganze Familie durch das Fieber verloren hatte. Sie erregte sein Mitleid und er brauchte eine Köchin. Sie ist der Familie treu ergeben. Und da Ludek mein bester Freund ist, wird sie auch mich nicht hintergehen.“
„Und was ist mit Zenka?“ Krystina sah nicht sehr überzeugt aus.
„Sie ist Maras Enkelin. Auch sie wird Schweigen bewahren.“ Falk grinste anzüglich. „Zumal sie hin und wieder Ludeks Bett wärmt.“
„Nun gut. Sie bewahren vielleicht Stillschweigen. Aber was ist mit der Spülmagd? Und mit den Wächtern am Tor?“
„Und mit den Hühnern auf dem Hof“, spottete Falk. „Ach Krystina, habt ein wenig Vertrauen. Was bleibt uns auch weiter übrig, als darauf zu hoffen, dass uns niemand verrät. Und außerdem“, setzte er hinzu, „die Wächter wissen sowieso nicht, wer wir sind. Da sie meinen, zwei fahrenden Leuten Einlass gewährt zu haben, werden sie sich nicht den Kopf darüber zerbrechen, wo wir abgeblieben sind. Und wenn es Euch beruhigt – die Spülmagd ist stumm.“
„Ihr scheint Euch ja hier recht gut auszukennen“, meinte Krystina nicht ohne leisen Sarkasmus in der Stimme. „Haben die Mägde Euch auch das Bett gewärmt?“
„Hin und wieder“, antwortete Falk unverblümt und lächelte spöttisch. „Doch da Ihr jetzt mein Weib seid, kommt diese Ehre in Zukunft Euch zu.“
Krystina schnappte entrüstet nach Luft. Doch bevor sie zu einer Antwort ansetzen konnte, wies Falk auf den Zuber.
„Beeilt Euch, das Wasser wird kalt.“
„Wenn Ihr glaubt, dass ich mich hier vor Euch ausziehe und wasche, dann habt Ihr Euch geirrt.“ Trotzig schaute sie ihm ins Gesicht.
„Dann bleibt halt schmutzig. Doch gestattet, dass wenigstens ich mir den Gestank des Kerkers vom Leib wasche.“ Ohne sie weiter zu beachten, zog er sich sein Wams über den Kopf und wandte sich dem Zuber zu. Krystina blieb vor Schreck der Mund offenstehen. Als er ihr den Rücken zuwandte, konnte sie das Spiel seiner Muskeln sehen. Doch dann schnappte sie fassungslos nach Luft, denn seine Haut war von Narben übersät, wie sie nur Peitschenhiebe hinterlassen konnten.
„Was ist, Krystina?“, fragte Falk, als er sie hinter sich keuchen hörte. „Erschreckt Euch mein Aussehen?“ Er drehte sich halb zu ihr herum, so dass sie nun auch einen Blick auf seine Brust erhaschte, auf der das Wasser in glänzenden Perlen herablief, was sie für einen kurzen Moment ihr Entsetzen ob seines geschundenen Rückens vergessen ließ.
„Eigentlich müsstet Ihr doch Genugtuung empfinden bei meinem Anblick, ist es mir ja nicht gelungen, Eure Mutter zu retten.“ Falk sah ihr prüfend in die Augen.
„Wie könnt Ihr so etwas sagen“, erwiderte sie voller Entrüstung. „Ich hatte ja keine Ahnung, was Ihr erleiden musstet.“
„Was spielt das jetzt noch für eine Rolle“, meinte Falk lapidar. „Das ist fast zwanzig Jahre her. Ich habe seitdem Schlimmeres überlebt.“ Nun wandte er sich vollständig zu ihr herum. Eine breite Narbe zog sich von seiner Brust bis hinunter zur Hüfte. Krystina Augen weiteten sich.
„Ich war gerade mal zwanzig Jahre alt, als Bischof Heinrich Bretislav mir sein Schwert in den Leib rammte. Leider lebte er nicht mehr lange genug, als dass ich mich an ihm rächen konnte.“ Falk drehte sich wieder zum Zuber und fuhr mit seiner Wäsche fort. Dann angelte er nach dem Leinentuch und rieb seinen Oberkörper trocken.
„Auch wenn ich das Bedürfnis verspüre, noch andere Teile meines Körpers zu säubern, will ich Euch die Verlegenheit ersparen, die es Euch bereiten würde.“
Er zog sein Wams an, auch wenn es ihm sichtlich Unbehagen verursachte, das schmutzige Kleidungsstück wieder überzustreifen. Dann legte er sich ins Stroh und deckte sich mit dem sauberen Umhang zu.
„Kommt, legt Euch nieder, Krystina. Wir brauchen unseren Schlaf. Die nächsten Tage werden sehr anstrengend werden.“
Zögernd trat sie einen Schritt auf ihn zu, doch dann schielte sie sehsüchtig in Richtung des Zubers.
„Versprecht mir, dass Ihr Euch zur Wand dreht und die Augen schließt“, sagte sie unvermittelt und sah ihn flehend an.
Mit einem übertriebenen Seufzer kam er ihrer Bitte nach. Krystina zog rasch ihr Unterkleid aus und rieb sich schnell von Kopf bis Fuß mit dem nur noch lauwarmen Wasser ab. Dann wickelte sie sich fröstelnd in das Leinentuch, dass Falk achtlos auf dem Boden hatte liegenlassen. Doch fühlte sie sich anschließend wesentlich wohler. Sie war froh, ihre Scham überwunden zu haben. Schnell schlüpfte sie wieder in ihr Unterkleid, auch wenn dieses noch etwas klamm war. Sie wickelte sich in den anderen Umhang und legte sich neben Falk auf das Stroh nieder. Ihre Schuhe hatte sie neben ihr Lager gestellt. Sie würden wohl niemals trocknen und wohl oder übel müsste sie am nächsten Morgen wieder in die feuchten Stiefel schlüpfen. Auch Falk hatte sich seiner Stiefel entledigt. Seine Füße schmerzten, denn er hatte sich Blasen gelaufen. Lange lag er neben seiner jungen Frau, doch es wollte ihm nicht gelingen, einzuschlafen. Zu viele Gedanken gingen ihm durch den Kopf. Was sollte er nur mit Krystina anfangen? Sie behinderte ihn. Wegen ihr musste er versuchen, in die Mark Meißen auf seine Burg zu gelangen. Hier in Böhmen wäre sie nicht sicher. Doch nachdem sie ihm das Leben gerettet hatte, war er ihr verpflichtet. Und wieder beschlich ihn das unvertraute Gefühl, sie beschützen zu müssen. Krystina lag neben ihm im tiefen Schlaf. Die Strapazen der letzten zwei Tage hatten ihren Tribut gefordert und sie war vollkommen erschöpft gewesen. Falk setzte sich auf und betrachtete ihr zartes Gesicht, ihre leicht geschwungenen Brauen, die im Gegensatz zu ihrem rotblonden Haar dunkel waren, ihren roten, sinnlichen Mund, der zum Küssen wie geschaffen schien, die dichten Kränze ihrer langen Wimpern, die sich wie Schleier unter ihren geschlossenen Lidern auf die Wangen legten.
Was tat er hier eigentlich? Sie war sein Weib, ja. Aber die Umstände, die dazu geführt hatten, waren alles andere als von Gefühlen geleitet gewesen. Wenigstens von seiner Seite aus...
Falk erhob sich und ging leise zum Zuber, indem das Wasser inzwischen kalt geworden war. Doch das störte ihn nicht weiter. Schnell entledigte er sich seiner Stiefel und der Beinkleider und beendete seine Wäsche. Er tauchte seine geschundenen Füße in den Bottich und genoss die wohltuende Wirkung des kühlen Nasses. Anschließend schlüpfte er wieder in seine Kleidung, wobei er dieselbe Abscheu empfand wie zuvor. Doch das ließ sich jetzt nicht ändern. Allerdings konnte er vielleicht verhindern, dass ihre Schuhe am nächsten Morgen noch nass waren. Er hob Krystinas Stiefel auf und trug sie zusammen mit seinen eigenen hinaus in die Küche, in der Hoffnung, dass im Herd noch genügend Glut war, um das Leder wenigstens ein wenig zu trocken. Dann schlich er sich zurück auf das Lager. Vorsichtig berührte er die bleiche Wange seiner Braut. Sie fühlte sich kalt an und als er ihre Hand in seine nahm, spürte er, wie ein Schauer ihren Körper erzittern ließ. Etwas unschlüssig darüber, was er tun sollte, zog er sie letztlich an sich, so dass ihr Rücken an seiner Brust zu liegen kam. Er zog den Umhang fester um sich und hüllte Krystina mit darin ein. Nach und nach wurde es wärmer und langsam bemächtigte sich der Schlaf seines erschöpften Körpers.
Krystina erwachte. Ihr war wohlig warm und sie hatte das Gefühl, als wäre sie von einem schützenden Kokon umschlossen. Doch plötzlich holten sie die Erinnerungen der vergangenen