Meister Joachim Pausewang. Erwin Guido Kolbenheyer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Erwin Guido Kolbenheyer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783748521013
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den geschwungnen Ähren; war wie ein Goldregen über meines Lebens Gestalten allen. Hagelte in ihre Herzen. Also erstarrete die drangvolle Woge vor mir, türmet sich hoch und sank zurück. Ergoß sich über das weite Feld und jeglicher Stein verschlang das Seine. Es reckten sich die Halm neu. Ein leiser Kornduft und Schmack der satten Erd wallet drüber hin.

      Erhob sich die Stimm in meinem Herzen, so immer bei mir gewest, wenn mich des Lebens Mühsal fast übermannet, und sie klang über das weite Feld hin: „Ich will euch rufen, jeden an seinem Feierabend!“ Aus den Steinen scholls dawider: „Wir hören!“

      So ich meines Vaters, Pätzke Pausewang, gedenk, jucket midi jetzund noch Buckel und Hinterleder, gleichwohl mein Haar grau ist. Wer meine Mutter Sibylla ist gewest, des hab ich keine entschieden Kund. Fraget ich meinen Herrn Vater nach ihr, sähe er mich unter einer finstern Stirn starr an und knurret: „Laß die Toten ruhn, grüner Fant!“ Weiß allein, daß sie eines freien Mannes Kind war und die einzig Tochter auf der Wolfshufen zu Erlau im Kurkreis. Auf besagter Hufen, wo ich geborn, ist jedoch das grundherrlich Privilegium eines Wirtslehens gelegen. Hing also immer eine Stangen aus mit dem Krug daran. Kehrten alle Kaufleut ein, so von Leipzig und Dräsn Pfeffer, von Breslau Garn und Leinwand führeten. Die Leipziger riefen meinem Vater: ,He, Krüger!' – die von Breslau: ,Ho, Kretschmer!' – so einer aus Franken kam:

      ,Schenk, hallo!' – zog einer gar mit Welschwein, Bozner und Traminer gen Krakau, kunnt ich den ,Tabernario!‘ rufen hörn. Derhalben ich glaubet, mein Herr Vater seie auf der ganzen Welt bekannt, indem ihm jeglichs Land einen andern Titul verliehen.

      Er aber stand breit und gespreizet unterm Tor, als wurzelten seine Sohlen im Boden. Es strammten sich seine starken Waden, seine verschlungnen Arm preßten sich für die breit Brust und sein Gesicht ward puterrot. Also maß er einen schreienden Kaufmann vom Käpplein bis zum Fürschuh.

      „Pätzke Pausewang bin ich benamset, du Leipziger Pfeffersack, du Breslauer Ellenschinder! Kannst he und ho deine triefenden Mähren auf der Landstraß fürdertreiben! Hie ist die Wolfshufen, da gilt keins andern He und Ho dann das mein. Auf Dräsn und Leipzig ist noch ein gut Stück, da kunnt dir He und Ho in der Gurgel dörren!“

      Sprang also der Kaufmann von seim Gaul, lüftet er’s Käpplein und bat um Herberg, dann reichet ihm mein Herr Vater die Hand und wies die Knecht an, das fahrend Gesind zu versorgen; er führet den Kaufmann in die Stub, bot ihm den Willkomm, fraget ihn zierlich nach der ehrbaren Zunft zu Leipzig und Breslen und rief nach einigem Verweilen den Altknecht Kilian, empfahl ihm den höflichen Gast. Bestund aber einer mit grobem Unflat auf seim Herbergsrecht, so mußt ihm das Baurenloch gnügen, wohin mein Vater das gehrend Gesindel und die Vagabondie wies; und bekam selbiger, was ihm zustund: ein saures Weinlein und Roggenbrot. So verfuhr mein Herr Vater auch dazumal noch, als die Wolfshufen schier gänzlich den Stolpener Pfaffen gehöret.

      Stieg aber ein nasser Vogel vom Gaul mit einer Feuernas im Gesicht und feuehtlustigem Augenblinzlen, dann sähe ich meines Vaters Brust schwellen und seine Nüstern schnauben; ging ein Zittern durch ihn, wie ein Hengst im Lenz vorm Stutenstall schaudert. Sein Geblüt wich aus’m Gesicht und schoß wieder auf, seine bebenden Lefzen kunnten den Gruß kaum erpressen, aber er bot dem Gast die Händ beid und schüttlet sie also inniglich, daß ich darauf spannet, ob er ihn möcht ans Herz drücken – so gierig grüßet er einen solchen. Führet ihn feierlich in sein kühlest Kämmerlein, atzet ihn wohl, als ein Herzog seinen trefflichsten Turnierer, mit dem er morgen ein scharf Rennen bestehen möcht. Und sparet nit Pfefferhecht und Aal in scharfer Lauchbrüh. Saß ihm gegenüber und nötiget ihn, würzet das Mahl mit Schnurren und sah ihn dabei an als wie Junker Gassander sein feist Gretelein. Ich aber mußt ihnen zutragen. Hab meinen Herrn Vater nirgend so freundlich gesehen als vor einer Feuernas.

      Dann probeten sie förderst den rotglühenden Zinobel, des Herbe sollt den Lauch- und Pfefferbrand schüren. Setzten darauf vom Bacheracher Gold so viel Gläslein, als Ring an einer Ritterketten sein, den Purpurmantel Zinobel stattlich zu zieren. Flochten darüber ein Posament von Neckarperlen. Also stund König Bacchus in stolzem Faltenfluß vor ihnen.

      Sie schwiegen beid. Schaueten einander in die Augen, als zween Gesellen, traut von Jugend auf. Was kunnt ihnen ein flüchtigs Wort bedeuten! Das eingehet zum Mund, ist gut – das durch die Lippen fährt, daran hängt sich der Teufel. Und mocht dem Gast der Kopf sinken, rüttlet mein Vater ihn auf.

      „Uns fehlet noch Krön und Stein! Willst du schon aufs Estrich fallen und prahlest mit solch einer Feuernas? Italia soll dich krönen als römischen Kaiser dieser Nacht, und Gräcia soll deine Krön mit Stein bestreuen! “

      Also bracht ich Reinval und Malvasier, und sie krönten Bacchum mit rotem Gold und dunkelem Topas. Mich überkam kein Schlaf. Kunnt kein Aug von meinem Herrn Vater verwenden. Der saß wie ein steinen Bild so hoch und steif und schauet: in seins Kompani Aug, aber jetz nit mehr liebreich und sanft – herrisch und hart schossen seine Flammen, durchbrannten das glastige Stieren des andern, solang da noch ein Fünklein Weinlust innen schwamm. Bis endlich der Fahrend niederbrach als wie ein gefälleter Pappelbaum und steif und weintot am Boden lag.

      Dann strich mein Herr Vater wohl das ein und ander Mal sein Duppelbart, und seine starken Zähn blitzten blank im Lichtschein. Ich lauschet gespannt hin, dann es kunnt zu sollicher Gelegenheit sein, daß er mit leiser, feiner Stimm anhob:

      „Er setzt sein Gläslein für den Mund,

      Krauseminte,

      Er trank es aus bis auf den Grund,

      Salveie, Poleie,

      Die Blümlein auf der Heiden,

      Krauseminte …“

      Floß ein sanftes Leuchten von seinen Augen, das sah ich wie eines müden Sternes Gruß entschweben. O Basil, wie liebet ich meinen Vater zu solcher Stund, wie bebete mein Herz nach ihm. Hätt mein jungs Leben hingetan, so er nur einmal mit der Hand über mein Scheitel gefahren war, anstatt über den feuchten Bartwust. Allein, er stund stets ohnbekümmert auf, recket sich und stieg festen Schrittes die schmal Steigen in sein Zimmer über den Gaststuben hinauf.

      Lag ich sodann auf meim Strohsack, mocht mir die Brust zerspringen. Weinet mich oft in den Schlaf. Zuweilen aber höret ich seine leise, sanfte Stimm noch im Ohr und mocht sich meine Imagination ein Streichlen seiner Hand fürstellen.

      Salveie, Poleie,

      Die Blümlein auf der Heiden …

      Dieweil ich an die sechs Jahr gewachsen, reichet mir mein Vater am Sunnabend vor Francisci, da wir immer eine Sau stachen, Höslein, Bruch und Wammes, und ich freuet mich sehr, daß ich nun ein ganzer Mann seie.

      Mein Vater saget: „Des sollst du ein Zeugnis geben!“

      Führet mich aufn Hof, dorten knieten zween Knecht und hielten die Sau, daneben dampfet das Brühwasser.

      Wies mein Herr Vater hin: „Joachim, du mußt die Sau stechen!“

      Gab mir das Messer in die Hand, ich kunnt’s aber kaum halten vor Schröcken. Die Sau schrie, indem sie von den Knechten geworfen war. Der Bluttopf stund vor der Gurgel. Ich sähe meinen Vater flehentlich an. Er wies mit der Hand auf die Sau, und ein blasser Zornhauch fiel auf sein Gesicht; er blicket scharf hernieder, daß ich mit all meinem jungen Mut die Tränen mußt ersticken, so mir aus dem Herzen in die Kehl aufgestiegen warn. Er nahm mich hart bei der Hand, presset sie an den Messergriff und zog mich dar, setzet das Messer an und flüstert mir zu: „Stoß ein!“

      Da schloß ich meine Augen, so fest ich kunnt, und stieß mit ganzer Kraft; schrie mit der gestochen Sau gell auf, dieweil mir das warm Blut auf die Hand sprützet. Ließ das Messer fahrn und rannt davon, verbarg mich im Garten unter der Hollerstauden und wischet die Finger am Grase rein.

      Mein Vater kam nach einer Weil und sähe mich hocken.

      „Kumm herfür, du Mann mit Hosen,“ lachet er, und ich kroch zu ihm.

      Er besah meine Hand.

      „Bist kaum sechs und hast schon eine Bluthand. Was vor ein Mordskerl soll daraus werden!“

      Ich feget meine Hand an meinem