Unser nächstes Ziel ist die Wurstfabrik Le Tuyé du Papy Gaby in Gilley. Beim Rückwärtseinparken überhört der sehr freundliche Monsieur le Chauffeur leider das immer lauter piepende Warnsignal der Staatskarosse und touchiert ein Mäuerchen. Na ja, der gute Mann hört nicht mehr sehr gut, ist aber ansonsten ein sehr sicherer Fahrer. Das Auto kommt mit einer kleinen Schramme davon und der Chauffeur mit dem Angebot der Präsidentin, in ein paar Jahren ja gegebenenfalls die Ämter tauschen zu können. In der Wurstfabrik werden wir von der Vorgängerin der Präsidentin begrüßt. Genauer gesagt, von einer sehr gut gelungenen Attrappe der früheren Präsidentin. Die jetzige Präsidentin streift ein paar Locken aus dem Gesicht „ihrer Mutter“ und begibt sich dann samt Entourage in die Räucherkammer der Wurstfabrik. Hier erfahren wir – die Senioren aus dem Bus sind inzwischen ebenfalls eingetroffen – von einer Angestellten und mittels einer Multimedia-Präsentation alles Wissenswerte über die hiesige Wurstherstellung. Der Geruch mehrerer Tausend hier hängender Würste macht Appetit. Und tatsächlich, im Verkaufsraum wartet bereits eine Dégustation auf uns. Es ist nicht nur diese Verkostung, die den unabwendbaren Wunsch bei mir hervorruft, eine dieser köstlichen Würste käuflich zu erstehen. „Sie schreiben einen Artikel über uns?“ Der sympathische Pascal (wenn ich seinen Namen richtig erinnere) besteht darauf, dass ich die ausgesuchte Wurst gratis erhalte. „Bitte schicken Sie mir dann das entsprechende Kapitel Ihres Buches per Email.“ Selbstverständlich, lieber Pascal, sehr gern!
Zurück in Montbenoît besichtige ich mit Jérôme Binétruy vom Touristenbüro noch die Abtei mit dem wunderschönen Kreuzgang und dem berühmten Chorgestühl („Schauen Sie hier, die sich streitenden Frauen. Das sollte wohl die Mönche davon überzeugen, dass von Frauen nichts Gutes zu erwarten sei.“) und dann gehen wir noch in einen Nebenraum der Abtei, in das Museum der République du Saugeais. Hier sind in einer Vitrine Staatsgeschenke an die Präsidentin Gabrielle Pourchet ausgestellt, darunter sogar eine Medaille aus Russland. Natürlich finden sich an den Wänden des Museums auch Portraits der beiden Präsidentinnen und des Präsidenten, das Wappen, der Text der Nationalhymne, Abbildungen von Geldscheinen und Briefmarken der Republik, und, und, und!
Jérôme Binétruy ist ein sehr, sehr freundlicher junger Mann. „Natürlich können Sie mir die Fragen, die Sie unserer Präsidentin noch stellen wollten, per Email zuschicken. Ich schicke Ihnen dann die Antworten der Präsidentin zurück.“ Er drückt mir noch eine Broschüre über die Abtei in die Hand, und dann kann er auch bald Feierabend machen, denn es ist kurz vor 18.00 Uhr.
Mme la Présidente und ich verabschieden uns von Jérôme Binétruy und Monsieur le Chauffeur, der mir noch feierlich eine Flasche Weißwein (mit dem Etikett der Präsidentin) übergibt. Ein präsidentieller Wein, was für ein schönes Geschenk! Beglückt und berührt steige ich ins Auto der Präsidentin und lasse mich von dieser zurück Richtung Pontarlier chauffieren. „Dort links vorn ist unser Biathlon-Stadion. Ach, das interessiert Sie? Stellen Sie sich vor, dort habe ich vor einiger Zeit bei einer Flower-Zeremonie einen jungen Mann begrüßt, der sich mir dann mit dem Namen „Simon Fourcade“ vorstellte.“ Hocherfreut nimmt die Präsidentin zur Kenntnis, dass mir der Name des ebenfalls recht erfolgreichen Bruders der Biathlon-Ikone Martin Fourcade durchaus geläufig ist. Wir biegen von der Hauptstraße ab und fahren schräg zurück zum Stadion. „Sie haben doch noch etwas Zeit? Steigen Sie ruhig aus und machen Sie ein paar Fotos, ich wende inzwischen den Wagen.“ Jetzt nur noch ein paar Kilometer und dann sind wir zurück am Haus der Präsidentin.
Als ich mich dort höflich von Mme la Présidente verabschieden möchte, blicke ich in ein sehr erstauntes Gesicht. „Nein, nein, Sie müssen noch mit reinkommen. Ich habe doch noch etwas für Sie!“ Da wäre mir ja fast ein unverzeihlicher Fehler unterlaufen. Madame bittet mich wieder in das Wohnzimmer und kredenzt mir einen hervorragenden Anis aus der Brennerei in Pontarlier. „Mit oder ohne Wasser? Ich selbst trinke keinen Alkohol, aber Ihnen wird ein kleines Gläschen doch munden, oder?“ Bei Pastis, Fruchtsaft und Gebäck lassen wir unseren vergnüglichen Nachmittag ausklingen. „Nein, langweilig ist mir nie!“ Madame Georgette zeigt mit ihren Terminkalender. Tatsächlich, fast kein Tag, an dem sie nicht irgendeinen offiziellen Termin wahrzunehmen hat. „Hier ein Treffen mit der Feuerwehr, dort eine Einladung zur Tagung der Milchbauern, eine karitative Veranstaltung einer Bank, ein Treffen mit dem Militärchef der nahe gelegenen Garnison, usw.!“
Und jetzt bekomme ich auch noch das versprochene Präsent: meinen persönlichen Passierschein. Nichts gegen einen von einem Zöllner ausgestellten Passierschein, liebe Senioren und andere Touristen, aber meinen Passierschein füllt die grandiose Präsidentin dieser famosen Mikronation höchst persönlich aus. Um 19.00 Uhr ist meine Audienz beendet. Vive Mme la Présidente Georgette Bertin-Pourchet et vive la République du Saugeais!
mein persönlicher Passierschein
Fragen an Mme la Présidente Georgette Bertin-Pourchet
Die folgenden 10 Fragen habe ich noch am nächsten Tag von einem Profi (meinem Sohn, der seit vielen Jahren in Paris lebt und hervorragend Französisch spricht) ins Französische übersetzen lassen und an Jérôme Binétruy geschickt. Und jetzt aus gegebenen Anlass noch einmal ein Hoch auf die Gastfreundschaft der Bewohner der République du Saugeais. Die Präsidentin hat alle meine Fragen beantwortet und der freundliche Jérôme hat die Antworten sogar gleich ins Deutsche übersetzt. Dafür bin ich wirklich sehr dankbar. Jérôme Binétruy spricht ähnlich gut Deutsch wie ich Französisch. Möglicherweise hat er bei der Übersetzung der Antworten von Mme la Présidente ein klein wenig die Hilfe eines elektronischen Übersetzungsprogramms in Anspruch genommen, aber lesen Sie selbst, liebe Leserinnen und Leser:
1. Mme la Présidente, würden Sie mir ein Geheimnis anvertrauen? Was hatte Ihr Vater George Pourchet dem Präfekten Louis Ottaviani im Jahre 1947 ins Essen gemischt (oder zu trinken gegeben), damit dieser ihn zum Präsidenten der freien Republik Saugeais ernennt?
G.B-P.: „Mein Vater hatte weder getrunken noch gegessen. Er hat nur gefragt, ob das Prefekt ein Pass hatte, um in das Länderein Saugeais eintreten.“
2. Ihr Vater hat 21 Jahre regiert, danach war Ihre Mutter Gabrielle 37 Jahre lang Präsidentin. Sie regieren jetzt auch bereits seit 2006. Welche Tipps können Sie den Präsidenten anderer Länder, zum Beispiel dem Präsidenten der französischen Republik, Emmanuel Jean-Michel Frédéric Macron, geben, damit diese es schaffen, auf völlig legitime Art und Weise so lange im Amt zu bleiben wie die Präsidentinnen und Präsidenten der freien Republik?
G.B-P.: „Ich erlaube mir zu urteilen nicht und die Presidenten zu beraten. Bei uns gibt es ein Sprichwort der sagt, sich sich anzusehen, bevor den Nachbarn anzusehen.“
3. Ich kann es mir ja kaum vorstellen, muss es aus aktuellen Anlässen aber trotzdem fragen: gibt es auch Gelbwesten, die gegen Sie, Mme la Presidente, protestieren?
G.B-P.: „Kein "Gilets jaunes" in das Republik du Saugeais. Es ist der Beweis, daß die Leute von ihrer Regierung befriedigt sind.“
4. Im Jahre 1997 wurden anlässlich des 25-jährigen Jubiläums der Präsidentschaft Ihrer Mutter eigene Geldscheine der freien Republik Saugeais herausgegeben. Planen Sie eine Wiederholung eines derartigen monetären Coups für das Jahr 2031? Da ihre Mutter ja fast 100 Jahre alt wurde, werden Sie dann ja auf jeden Fall noch im Amt sein.
G.B-P.: „Ich bin nicht sicher, dieselbe Langlebigkeit zu erreichen, wie meine Mutter. Ich bien für das Leben gewählt, also habe ich nichts