Da Walter und ich die Leidenschaft fürs Reisen teilen, haben wir noch viel Gesprächsstoff für den Rest des Tages. „Ich bin da etwas untypisch für Liechtenstein, denn unser Land ist sehr konservativ und meine Landsleute haben eine andere Art zu reisen, als ich.“ Walter spielt darauf an, dass auch er in der Regel nicht in 5-Sterne-Hotels übernachtet und es so wie ich sehr schätzt, in Hostels mit Mitreisenden in Kontakt zu kommen. Walter war u. a. auch in Russland und Afrika unterwegs, nicht unbedingt die bevorzugten Reiseziele der Liechtensteiner. Über unsere gemeinsame Russischlehrerin Marina aus Kaliningrad haben Walter und ich uns kennengelernt. Und deswegen gibt es jetzt auch noch ein Erinnerungsfoto von uns vor der Matrjoschka-Sammlung Walters. Man muss nicht bis nach Russland reisen, um diese buntbemalten, ineinander schachtelbaren russischen Holzpuppen zu kennen.
Walter, ich hoffe, dass Du bald wieder Kontrabass spielen und reisen kannst. Solche Leute wie Dich braucht Liechtenstein und die Welt. Ich danke Dir und Rita für Eure Gastfreundschaft. Jetzt kenne ich so einiges vom Fürstentum Liechtenstein (FL). „Wenn Du einen Brief nach Schaan adressierst, dann bitte nicht mit FL 9494 Schaan, denn sonst könnte es passieren, dass er nicht in Liechtenstein, sondern in Florida landet. Das haben wir alles schon erlebt.“ Danke für den Tipp, Walter, den ich hiermit an meine Leserschaft weitergebe. Den Norden Liechtensteins, d. h. die Orte Bendern, Eschen, Mauren und Schaanwald, werde ich übrigens bei meiner Ausreise mit dem Bus ins österreichische Feldkirch noch durchqueren. Durch Nendeln sind wir bereits gestern gefahren. Dann werde ich außer Planken, Gamprin, Schellenberg und Ruggell alle Ortschaften des Landes bereist haben. Ist doch keine schlechte Leistung, für nur drei Tage im Fürstentum.
mit Walter und einigen seiner Matrjoschkas
Rückspiegel Liechtenstein
Nachdem die Verantwortlichen Liechtensteins sicherlich auch Sie, verehrte Leserschaft, davon überzeugen konnten, dass Liechtenstein niemals mehr auf irgendeiner grauen oder schwarzen Liste der Finanzwelt auftauchen wird, kann ich verkünden, dass der Finanzplatz Liechtenstein inzwischen als Kampfgefährte gegen die moderne Sklaverei in Erscheinung tritt. Im Januar wurde in Liechtenstein die „Liechtenstein Initiative“ vorgestellt. Die Regierungen Liechtensteins und Australiens haben gemeinsam mit der LGT, dem Bankenverband, der Hilti-Familienstiftung und anderen gemeinnützigen Stiftungen der modernen Sklaverei und dem Menschenhandel den Kampf angesagt. Im Kern geht es darum, Daten von Banken und Aufsichtsbehörden zu verknüpfen und so die Finanzierungsstrukturen und Geldflüsse der Menschenhändler aufzudecken. Da wird ein sehr hartes Brett zu bohren sein. Wollen wir hoffen, dass diese löbliche Initiative nachhaltige Lösungen erreichen wird (und nicht nur eine angeschlagene Reputation aufpolieren will, wie böse Kritiker behaupten).
Kommen wir von der Finanzwelt nunmehr zur Natur. Und davon hat Liechtenstein viel zu bieten, Berge und Täler. Ein Wanderweg verbindet die Gemeinden von Balzers bis Ruggell. Die fünf etwas unterschiedlich langen Etappen sollen sich in drei bis fünfeinhalb Stunden (pro Abschnitt) bewältigen lassen. Sollten Sie Ihr Gepäck nicht selbst tragen wollen, dann transportiert Ihnen ein Gepäckservice dieses in die jeweils nächste Unterkunft. Na gut, das ist wohl eher ein Service für Schwächlinge und nicht für Sie, liebe Leserinnen und Leser, aber manchmal kann es ja auch ganz angenehm sein, ein wenig Schwäche zu offenbaren. Die kernigen Wanderer ziehen es dann vielleicht sowieso vor, nicht nur den hier vorgestellten Liechtenstein-Weg, sondern auch oben in den Bergen den Fürstin-Gina-Weg entlang der Landesgrenze zu Österreich zu wandern. Da gelangt man auf dem Naafkopf bis auf 2570 Meter Höhe! Ich bin leider doch zur falschen Jahreszeit hier, denn bei dem vielen Schnee hier oben ist an eine alpine Wanderung nicht zu denken. Ein guter Grund, noch einmal im Sommer nach Liechtenstein zu kommen! Ach ja, Liechtenstein und die Liechtensteiner.
Dass Liechtenstein ein eher konservatives Ländchen ist, kann man nicht nur an der eher, sagen wir einmal, zögerlichen Einführung des Frauenwahlrechtes festmachen. Grandios sind die Aussagen der Fünftklässler der Primarschule in Mauren, die in der Jubiläumsausgabe (300 Jahre Liechtenstein) des Volksblatts vom 23. Januar 2019 nachzulesen sind. Auf die Frage, wie sie sich die Zukunft vorstellen, antwortet Amy: „Wenn ich gross bin, wird es Supermärkte und einen Bahnhof in Liechtenstein geben. Ich werde Friseurin sein, einen eigenen Salon haben und dann auch mit meiner Familie und zwei Kindern in Mauren wohnen.“ Familie ist den Schülern sehr wichtig. Nico wird eine Frau und Kinder haben, Fatih ein schönes Haus, eine Familie und einen Mercedes, Emilia ein Haus, einen Mann und zwei Kinder, Selina einen Mann und Kinder, Jan eine Familie, ein cooles Haus und einen coolen schwarzen GT, Theresa und Emma jeweils einen Mann und zwei Kinder, Elia eine Familie mit Söhnen und Töchtern, und der zukünftige Ingenieur und Erfinder Aron eine Frau und zwei Kinder. Alle Jungs mit Namen Elia (2) und Luis (2) wollen Landwirte werden. Und fast alle Kinder glauben, dass sie immer in Liechtenstein leben werden, außer Erja („Vielleicht gibt es schon fliegende Autos und einen Flughafen oder fliegende Häuser. Vielleicht wohne ich dann aber nicht mehr in Liechtenstein.“) und zum Teil auch meine persönliche Favoritin Emma: „Ich habe ein Haus in Kanada und Mauren. Ich erfinde ein fliegendes Haus, das man überallhin mitnehmen kann. Ich bin bei den Kanadischen Eishockey-Profimeisterschaften das erste Mädchen und die Beste.“
Auch die politische Stabilität, die Liechtenstein auszeichnet, kann man ganz konservativ mit zwei Farben kennzeichnen: rot und schwarz. Mal regieren die Einen, mal die Anderen. „Beide Parteien sind mit CDU/CSU in Deutschland vergleichbar. Wir haben dann noch die Weißen, die sind eher wie eure Grünen oder die SPD. Die haben aber bei uns keine Chance“, wie Walter erklärt. Und wie sehen die Politiker selbst das Land? In der Jubiläums-Ausgabe des Volksblattes kommen hierzu die führenden Landespolitiker zu Wort: „Liechtenstein ist eine Oase des Wohlstandes, des Friedens und der Sicherheit“, so der Landtagspräsident Albert Frick. Aber Frick blickt nicht nur zurück, sondern fordert die Liechtensteiner auf, „zusammenzurücken, zu gestalten statt zu verhindern und miteinander wieder Großes zu schaffen. Dabei geht es nicht darum, immer mehr Geld zu scheffeln.“ Hört, hört, liebe Liechtensteiner! Auch der Regierungschef Adrian Hasler warnt davor, nicht in der Komfortzone zu verharren. „Wir müssen alle gemeinsam wieder Raum lassen für Neues.“
Jetzt sollten wir aber auch nicht vergessen, dass Liechtenstein eine konstitutionelle Erbmonarchie auf demokratischer und parlamentarischer Grundlage ist. Überlassen wir also noch, Ehre, wem Ehre gebührt, Fürst Hans-Adam II., das Schlusswort (Zitat Volksblatt): „Das Haus Liechtenstein war schon immer wirtschaftlich erfolgreich. Dies war auch die Grundlage für die politischen Erfolge. Als Republik Oberrheintal hätten wir als Land sicherlich nicht überlebt.“ Sowohl ich, als auch der Reporter des Volksblattes möchte jetzt doch aber noch eine Antwort darauf, wie das Staatsoberhaupt zur auch in Liechtenstein geäußerten Kritik an der Monarchie steht. „Das zeigt nur, dass wir eine lebendige Demokratie sind. Die verschiedenen Abstimmungen der Vergangenheit haben gezeigt, dass die Monarchie-Kritiker eine kleine Minderheit sind.“ Seien wir ehrlich, liebe Leserschaft, können Sie sich vorstellen, dass die Liechtensteiner ihren Fürsten mit einer Revolution stürzen werden? Und – warum auch?
Montenegro
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