Auf raschen Füßen
Lief Aladdin vergnügt nach Haus,
Um seiner Mutter klipp und klar
Den ganzen Handel zu erzählen.
Die Mutter konnt' ihm nicht verhehlen,
Wie sehr sie drob verwundert war.
Mit rechten Dingen kaum geschah's!
Wo war der Oheim hergekommen,
Da sie doch nie zuvor vernommen
Von einem Bruder Mustaphas?
Doch weil das Gelb gar lustig klang,
Zerbrach sie sich den Kopf nicht lang;
Und abends wollten beide grad
Von ihrem kargen Mahle naschen,
Als jener Mann mit vollen Flaschen
Und Früchten in die Stube trat,
Um selber sich zu Gast zu laden.
Von Rührung überwältigt schier
Blickt' er sich um, als woll' er hier
Von neuem sich in Tränen baden,
Und sagte: "Teure Schwägerin,
Wohl vierzig Jahre flossen hin,
Seit ich dies Heimatland verlassen,
Um in der Fremde Fuß zu fassen
Und dem erträumten Glücke nach
Den halben Erdkreis zu durchstreifen;
Es läßt sich also gut begreifen,
Daß nie mein Bruder von mir sprach.
Nun aber endlich heimgekehrt
Und trostlos, weil an seinem Herd
Ich ihn lebendig nicht mehr finde,
Den sehnsuchtsvoll ich suchte—nun
Will wenigstens ich seinem Kinde,
Was ich vermag, zuliebe tun."
Zu Aladdin gewandt hierbei,
Begann er freundlich ihn zu fragen,
In welchem Handwerk er beschlagen
Und welcher Zunft beflissen sei.
Der Bursche schwieg verlegen still;
Die Mutter aber sprach betrübt:
"Kein Handwerk hat er je geübt,
Weil er durchaus nichts lernen will.
Da hilft kein Warnen und kein Schelten;
Ich glaube wahrlich, daß noch selten
Es einen solchen Faulpelz gab.
Er bringt mich an den Bettelstab,
Und nächstens weis' ich ihm die Türe.
Sein Vater würde sich im Grab
Umdrehn, wenn er davon erführe."
Der Fremdling mahnte drauf den Jungen
In mildem, väterlichem Ton:
"Das ist nicht wohlgetan, mein Sohn;
Doch treibt man etwas nur gezwungen,
Dann wird es einem leicht vergällt.
Berufe gibt es viel auf Erden;
Du mußt nicht grad ein Schneider werden,
Und wenn kein Handwerk dir gefällt,
So will ich gerne mich verpflichten,
Im feinsten städtischen Bazare
Dir einen Laden einzurichten
Mit Linnenzeug, mit Seidenware,
Kostbaren Teppichen und Stoffen,
Sodaß Gewinn und neuer Kauf
Dir Wohlstand bringt. Gesteh' mir offen:
Wie nimmst du diesen Vorschlag auf?"
Der Schlingel, ohne lang' zu schwanken,
Erklärte schmunzelnd sich bereit;
Die Mutter schwamm in Seligkeit,
Hieß ihn sich tausendmal bedanken
Und zweifelte nicht länger dran,
Der unbekannte Biedermann,
Der gleich ein ganzes Warenlager
Dem Sohn zu schenken sich erbot,
Sei niemand anders als ihr Schwager.
Am nächsten Tag ums Morgenrot
Erschien der neue Oheim wieder,
Nahm seinen lieben Neffen mit,
Ging ihm zur Seite Schritt für Schritt
In den Bazaren auf und nieder,
hielt an vor einem Kleiderstand
Und bat ihn, aus dem dichten Schwalle
Sich auszusuchen ein Gewand,
Das ihm besonders gut gefalle.
Freigebig kauft' er ihm dazu
Noch Turban, Gürtel, Strümpfe, Schuh',
Bis von dem Scheitel zu den Zehen
Er einem jungen Prinzen glich.
"Du sollst nun alle Tage mich
Begleiten beim Spazierengehen,"
Sprach sein Beschützer großmutvoll;
"Denn freien Blick und Welterfahrung
Braucht, wer ein Kaufmann werden soll.
Dem Geist wird mühelos die Nahrung
Geboten, deren er bedarf,
Wenn klar das Auge sieht und scharf.
Einsaugen wirst auf unsern Gängen
Die Bildung du wie Luft und Licht
Und läufst bei solchem Unterricht
Niemals Gefahr, dich anzustrengen."
Gesagt, getan. Sie gingen beide
Von jetzt ab täglich durch die Stadt,
Und Aladdin, im neuen Kleide
Stolz wie ein Pfau, ward nimmer satt,
Sich wißbegierig anzusehn,
Was ihm sein guter Oheim zeigte.
Sie wandelten durch weitverzweigte
Gewölbe, Hallen und Moscheen,
Betrachteten die schönsten Läden,
Der Straßen emsiges Gewühl,
Die Brunnen, draus erquickend kühl
Das Wasser schoß in Silberfäden,
Von hohen Palmen überschattet,
Und drangen durch ein Gittertor,
Wo freier Zutritt war gestattet,
zum Prachtpalast des Sultans vor.
Auch pilgerten sie manchen Tag,
Die Glieder doppelt rüstig regend,
Hinaus in die begrünte Gegend,
Bis fern die Stadt im Rücken lag
Und zu den Gärten sie gelangten,
Drin unter üppigem Gerank
Die wundersamsten Blumen prangten,
Umspült von Teichen spiegelblank.
Aladdin im Zaubergarten
Kapitel 2
Nachdem auf solchen Wanderungen
Manch reizend Fleckchen sich dem Jungen
Erschlossen, führte sein Begleiter