Die Stadt unter dem Meere. Joseph Delmont. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Joseph Delmont
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783746760032
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Zeit hinaus mit frischem Fleisch, Eiern und Milch versorgen. Ferner ist noch die Kuh hier. Wir besitzen Hühnerfutter für etwa sechs Monate, und gepreßtes Heu für fast ein Jahr. Es fehlt uns nicht an Wäsche, Kleidern und Schuhen. Wir sind also gut mit dem Nötigsten versehen. Nur mit dem Rauchen müssen wir uns einschränken. Es sind noch Zigarren, Zigaretten und Kautabak in großer Menge vorhanden, aber es muß damit besonders hausgehalten werden! Aber auch an diese Einschränkung werden wir uns gewöhnen. Bücher, die sich in der Zeit unseres Hierseins angesammelt haben, geben hinreichend Lektüre auf lange Zeit.

      Nun aber das Hauptsächlichste: Die Arbeit! Es wird eine Einteilung getroffen werden, die es jedem erlaubt, seine Sonderwünsche in der freien Zeit zu befriedigen. Es sind für jeden Tag fünf Arbeitsstunden und drei Schulstunden angesetzt. Die Herren Ingenieure werden abwechselnd Unterricht in allen technischen Fächern geben und jedem von euch ist Gelegenheit geboten, sich so auszubilden, daß ihm später in der ganzen Welt die besten Technikerstellen offen stehen. Auch Sprachunterricht in Französisch, Englisch, Portugiesisch und besonders Italienisch wird erteilt, und es ist jedem freigestellt, von dieser Lerngelegenheit Gebrauch zu machen.«

      Hier unterbrachen einige Leute mit zustimmenden Rufen den Kapitän.

      »Um nicht ganz von der Außenwelt abgeschlossen zu sein, werden wir auf U.10 unsere drahtlose Anlage aus den anderen Booten verstärken und zweimal wöchentlich des Nachts ausfahren, um Neuigkeiten von der Heimat und der übrigen Welt zu vernehmen.

      Was die Arbeit betrifft, so werden wir in kleinerem Maßstabe weiter fabrizieren wie bisher. Wir müssen uns eine kleinere Turbinenanlage herstellen und den Betrieb mit den Motoren vereinfachen. Die Schlafkojen könnt Ihr euch so einrichten, daß sie wohnliche Räume werden. Was weiter wird, müssen wir der Zukunft überlassen.

      Seid Ihr einverstanden mit meinen Ausführungen?«

      »Jawohl, jawohl«, tönte es von allen Seiten überzeugt zurück.

      21

      Die Welt war seit dem »Frieden« mehr aus den Fugen gegangen als während des großen Völkerringens.

      Haß und Rachsucht vergifteten die Sinne der Völker.

      Sechzig Millionen Menschen! Ein ganzes Volk! Ein Land sollte für das bestraft werden, was eine kleine Zahl von Diplomaten, Industriellen und Militaristen vieler Nationen verbrochen hatte.

      In Versailles wurde Gericht gehalten. Ein ungerechtes Richten war es.

      In allen Kulturstaaten, selbst bei den Buschnegervölkern und Hottentotten gibt man den Angeklagten Gelegenheit, sich zu verteidigen.

      Hier unterließ man es.

      Männer saßen zu Gericht, deren Psyche nur auf Haß und Rache eingestellt war.

      Fälschungen über Fälschungen wurden begangen.

      Riesige Ländermassen, die rein deutsch waren, wurden der Welt als fremdsprachliche dargestellt.

      Geographie und Geschichte wurden brutal gefälscht.

      Die Leichenfledderer waren an der Arbeit und rissen, mit Hilfe der Geschichtsfälscher, blutige Fetzen aus dem gefesselten Körper des deutschen Reiches.

      Ein Ideologe der Lehrkanzel, ein sogenannter Gelehrter und Volksbildner, der durch Zufall auf den Regentenstuhl eines überseeischen Riesen-Staates gekommen war und keine Ahnung von Geographie hatte, insbesondere nicht von der alten österreichischen Monarchie, stellte Friedenspunkte auf, tat sich groß in Phrasen und Gesten und wußte trotz Universitätsbildung nicht einmal, daß die deutsche und tschechische Sprache zwei so grundverschiedene Dinge sind, wie schwarz und weiß.

      Den fremden Völkern wurden die gröbsten Lügen aufgetischt.

      In den Staaten des »fair play« hatte niemand den Mut, den greifbaren Lügen und verdrehten Tatsachen entgegenzutreten, um der Wahrheit freie Bahn zu schaffen.

      Tausende von Universitätsprofessoren und sonstigen Gelehrten kannten die Lügen und unterstützten sie noch durch sogenannte wissenschaftliche Abhandlungen.

      Von den eigenen Schultern wurde die Last einfach abgeschüttelt. Der Kopf manches Staatsmannes wurde nach Vogel Strauß’ Art in den Sand gesteckt, um die brutale Unwahrheit nicht hören zu müssen.

      Die Staatsmänner und Diplomaten logen, wie immer, weiter. Offenkundige Tatsache wurde abgeleugnet und die öffentliche Meinung weiter vergiftet. Niemand trat dem entgegen.

      Ihr, die Ihr wissentlich geschwiegen und durch euer ständiges Schweigen euer Einverständnis erklärt habt, Ihr halft einer rachsüchtigen, vor nichts zurückschreckenden Clique einen Justizmord begehen und seid dadurch mitschuldig geworden.

      Der Tag wird kommen, an dem den Völkern Aufklärung über ein Verbrechen wird, durch das man erkennen kann, wie ungerecht und grausam mit einem Sechzig-Millionen-Volke verfahren wurde.

      Zuckend wand sich ein armes Land, das einige Machthaber ins Elend gestürzt hatten, am Boden.

      Wehe über euch Richter, die Ihr so ungerecht gerichtet! Wehe über euch, wenn eure eignen Völker erkennen werden, welch einen in der Weltgeschichte unerhörten Betrug Ihr euch zuschulden kommen ließet.

      22

      Hertha von Zöbing hatte immer gewartet, daß Eugen Mader eines Tages zurückkehren werde. Sie nahm bestimmt an, daß durch die Umwälzung auch er den Dienst quittieren würde, und nun einer Verbindung nichts mehr im Wege stünde.

      Aber alles Warten war vergebens. Nachforschungen ergaben, daß Kapitän Mader nicht heimgekehrt war.

      Sollte er tot sein?

      Würde sie nie Gelegenheit haben, sich mit ihm auszusprechen?

      Über manches waren ihr inzwischen die Augen aufgegangen. Ihre Ideen von der Menschenverbrüderung hatten einen argen Stoß erhalten.

      Zwei Jahre schon wütete eine rote Soldateska in Rußland. Hungersnot, Elend, Mord und Totschlag waren an der Tagesordnung.

      In der Heimat herrschten Aufstände und blutiger Brudermord.

      Wo blieben die »Brüder« aus dem Feindeslande, die die Hände über die Grenze reichen sollten? Wo blieb das Glück, das aus allen Menschen Brüder und Schwestern machen sollte? Wo blieb die allgemeine Völkerversöhnung?

      Waren das Menschen, die Greise und Kinder zu Tausenden Hungers sterben ließen? Waren das die erhofften Brüder, die unschuldige Kinder durch Unterernährung verkrüppeln ließen?

      Wo blieb das Gefühl der Menschlichkeit?

      Was hatten die armen ahnungslosen Kinder an der Menschheit gesündigt?

      Wie kam es, daß Menschen den Säuglingen die Milchkühe wegnahmen und Brot und Fleisch den Kranken entzogen?

      Waren das die Brüder?

      Die Bestie »Mensch« feierte Orgien des Hasses und der Rachsucht.

      Hertha machte bange Gewissensqualen durch.

      Hatte sie recht getan, daß sie Mader von sich stieß?

      Hatte sie ein Recht gehabt, ihn fortwährend zu quälen? Sie ging streng mit sich ins Gericht.

      Als Mader nicht zurückkehrte und die Zeit verging, schwieg der Vater. Er sah die Unruhe seiner Tochter und schrieb sie der Furcht zu, dem Geliebten könne etwas zugestoßen sein!

      Er stellte Nachforschungen an, ob Mader unter den Gefangenen oder Vermißten angegeben sei.

      U.10 wurde als vermißt gemeldet. Durch einflußreiche Bekannte erfuhr der alte Herr, daß Berichte über U.10 seit zweieinhalb Jahren nicht eingegangen seien, Mader aber bis zum Schluß des Krieges in der Gehaltsliste stand und seine Löhnung bis einen Monat vor dem Zusammenbruch ausbezahlt erhalten habe. Jedoch, wo die Löhnung hingeschickt wurde, das konnte man nicht in Erfahrung bringen.

      Als der Vater von Hertha vernahm, daß sie Mader vor langer Zeit den Abschied