Die Stadt unter dem Meere. Joseph Delmont. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Joseph Delmont
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783746760032
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kommandierte:

      »Stillgestanden! Augen rechts!«

      Mader trat vor und ließ »Rührt euch« kommandieren.

      »Kameraden! Ihr könnt mir glauben, daß ich es euch nicht verarge, nach Hause zurückzukehren. Angehörige zittern und sind in Angst um euch. – Ihr wart treue und gute Kameraden. Ihr wart Helfer einer großen Sache. Ihr habt für euer Vaterland große Opfer gebracht. Ich danke euch im Namen eures Vaterlandes. Schwer fällt es mir, mich von euch trennen zu müssen. Sehr schwer. Wie eine Familie haben wir gelebt. Wir waren Brüder. Mit Freude stelle ich fest, daß während der ganzen Zeit keine einzige Strafe verhängt werden mußte.«

      Die Männer blickten schweigend auf ihren Kommandanten.

      »Ihr geht in die Heimat zurück! Wie immer Ihr Deutschland finden werdet, vergeßt nie, daß das Vaterland das höchste Gut jedes Einzelnen ist. Was auch geschieht, gedenkt eures Eides. Sprecht zu niemandem, was hier war und noch ist. Wer weiß, wie lange wir noch hier bleiben können. Also verratet uns nicht.«

      Alle schüttelten das Haupt.

      »Nun lebt wohl, Kameraden, lebt wohl und vergeßt uns nicht. Grüßt unsere teuere Heimat. Grüßt unser armes, armes Vaterland.«

      Maxl sprang vor und kommandierte: »Eins, zwei, drei!«

      Und brausend hallte es, von über zweihundert Männerstimmen, zur Decke des Domes empor:

      »Deutschland, Deutschland

      Über alles.

      Über alles in der Welt!«

      Viele konnten nicht weiter singen. Tränen traten ihnen in die Augen. Nicht der Abschiedsschmerz allein war es, sondern auch der Gedanke an die Heimat, die blutig und zerrissen am Boden lag.

      Hier, tief unter der Erde, im Lande des Gegners, standen treudeutsche Herzen und schwuren im tiefsten Innern ihrem Vaterland ewige Treue.

      Jeder einzelne Mann trat vor und gab seinem Kapitän die Hand.

      In Maders Brust war ein wehes Gefühl. Er schämte sich nicht, als ihm das Wasser in die Augen stieg.

      »Auf Wiedersehen! Auf Wiedersehen!«

      »Auf Wiedersehen! Auf Wiedersehen!«

      Nun kam der Abschied von den Kameraden.

      Möller hatte sich davongeschlichen, saß im Ziegenstall und weinte wie ein Kind. Er hatte sich entschlossen, hierzubleiben. Seine Mutter war vor Monaten gestorben und sonst besaß er niemanden.

      Die Ziegen umstanden ihren Herrn und meckerten kläglich. Möller vergrub sein Gesicht in den Hals von »Lisel«, seinem Liebling, und schluchzte herzzerbrechend! »Nelly«, die Foxterrierhündin, schlich herein, stellte sich an Möllers Knie hoch und leckte die Hand des Weinenden.

      · · ·

      Händeschütteln, Grüßeauftragen, Besorgung von Briefen und Paketen.

      Diese, als kalt und nüchtern verschrienen Deutschen offenbarten ihr Gemüt. Ihr Herz, das unter einer rauhen Schale lag, war dennoch weich und mitfühlend.

      Das häufige Schneuzen und Räuspern zeugte von innerer Bewegtheit, die zum Herzen ging.

      Nun wurde die Kleinbahn besetzt, und die »Heimkehrer« fuhren mit Händeschütteln und Abschiedsrufen nach Dom 1.

      In Dom 2 wurde haltgemacht.

      Zwischen zwei Riesenstalaktiten stand ein einfaches Kreuz.

      Das Grab des armen »Haller«, der im See Selbstmord begangen und den Reimer und Maxstadt mit Lebensgefahr aus der Tiefe geholt hatten.

      Hier ruhte der arme Erdenpilger, der lustige Kölner Junge, der sich einst freiwillig nach hier gemeldet und sich später der Bitte schämte, heimkehren zu dürfen, dann in tiefe Melancholie verfiel und Selbstmord beging.

      Die Männer stellten sich im Kreis auf und mächtig hallte, als letzter Gruß dem armen Entschlafenen zu Ehren, das kerndeutsche Lied:

      »Ich hatt’ einen Kameraden,

      Einen bessern find’st du nit,

      Die Trommel schlug zum Streite,

      Er ging an meiner Seite,

      Im gleichen Schritt und Tritt!«

      Leise verklang die letzte Strophe. Ein kurzes Mahnwort, und der Trupp setzte sich in Bewegung.

      Auf dem Plateau stand Mader mit den andern Offizieren. Die Mannschaften waren in acht Booten verstaut.

      Mader traf noch mit Kapitän Zirbenthal eine Verabredung, daß von Zeit zu Zeit Briefe nach einer gewissen Adresse gesandt würden. Wenn die Möglichkeit gegeben wäre, so sollte mit allen Mitteln versucht werden, die Briefe abzuholen.

      Mader umarmte seine Offiziere, die in die Heimat zurückkehrten, dann schlossen sich die Einsteigluken, und ein Boot nach dem andern verschwand in der Tiefe.

      Noch lange starrte Mader auf den Wasserspiegel, in dem das letzte Boot verschwunden war. Langsam glätteten sich die Wellen.

      Hinter Mader standen in einiger Entfernung die Kameraden, die mit ihm in der »Stadt unter dem Meere« verblieben.

      Endlich kehrte er sich um und ging langsam auf Dom 2 zu.

      In seiner Brusttasche knisterte Herthas Brief. Jener Brief, der ihm das Wort der »Liebsten« zurückgab.

      »Nelson«, die große Bernhardinerhündin, die Mader seit einigen Monaten besaß, kam ihm entgegen. Sie hatte den Riemen durchgenagt, an dem er sie festgebunden, damit sie ihm nicht beim Abschied von den Kameraden hinderlich sei. Sie sprang freudig an ihrem Herrn hoch und schob ihre kalte Nase in des langsam Dahinschreitenden Hand. Die Kameraden blieben in respektvoller Entfernung.

      Auf einem Stalagmitenstummel ließ sich Mader nieder. Der Hund setzte sich vor seinen Herrn, legte ihm den mächtigen Kopf aufs Knie und blickte ihn mit seinen großen treuen Augen bittend an.

      Wenn Tiere sprechen könnten – insbesondere Hunde! Mit welchen tiefen Worten würden sie ihre große Liebe ihrem Herrn kundtun. Ihre Rede würde die Liebesworte des Menschen in den Schatten stellen, denn der Menschen Liebe ist nie so selbstlos wie die des Hundes zu seinem Herrn.

      Mader umschlang den Hals des Tieres und liebkoste es zart. Er fühlte in dem Hunde das Mitempfinden eines seine Trauer verstehenden Wesens.

      20

      Tags darauf ließ Mader die Leute zwanglos antreten.

      Es mußte ein Arbeitsplan festgelegt werden. Die Leute sollten beschäftigt werden. Nur in geregelter Lebensweise war es möglich, die Qual der Ungewißheit niederzukämpfen.

      Erwartungsvoll blickten die Mannschaften auf ihren Kommandanten.

      Mader holte tief Atem und sprach mit ruhig sachlicher Stimme:

      »Ich habe euch antreten lassen, um genau über unsere nächste Zukunft mit euch zu sprechen.

      Wie ich gestern schon sagte, ist in der Heimat die Revolution ausgebrochen. Es herrscht ein wildes Chaos. Bruder steht gegen Bruder. Die Deutschen zerfleischen sich gegenseitig.«

      Aufmerksam lauschten die Leute, zum Teil mit Entsetzen, den Ausführungen Maders.

      »Es gibt keine Armee und auch keine Kaiserliche Marine mehr. Ihr seid also freie Männer und keine Untergebene!«

      Mader machte eine kurze Pause.

      »Da Ihr euch aber nach allem, was ich gestern und vorgestern darlegte, entschlossen habt, zu bleiben, so muß naturgemäß eine Einteilung unseres ferneren Lebens hier unten geregelt und beschlossen werden! Es muß gearbeitet werden, und es muß auch eine Befehlsstelle geben. Ein planloses Leben ohne Arbeit würde in Kürze die schlechtesten Früchte treiben!«

      Zustimmend nickten die Leute.

      »Wir haben Lebensmittel