Einem nun sichtlich verstörten jungen Mann bleibt keine andere Wahl. Er greift zum Hörer und erfährt (vielleicht von kompetenterer Stelle?), die "Stephanie" läuft morgen erst ein. Nun doch etwas irritiert (ich sehe mich schon wieder nach Hause fahren), wage ich zaghaft zu fragen: "Und wann morgen?" Das wiederum ist ihm nicht verraten worden, aber um den Zeitpunkt herauszufinden, nimmt er mich mit in ein anderes Büro und erkundigt sich dort. Sein Kollege blickt ganz erstaunt auf. "Wieso morgen? Die 'Stephanie' ist doch längst hier, liegt an Kai 57." Man hätte eben gleich den richtigen Mann fragen sollen!
Ich hätte ihn umarmen können, bitte ihn statt dessen aber nur, mir ein Taxi zu bestellen. Wer weiß, wo ich ohne Lotse in diesem riesigen Hafengelände lande.
Nach nur 45 Minuten biegt ein Wagen um die Ecke. Dessen Fahrer verfügt über eine reichliche Auswahl an Karten, mit deren Hilfe wir den Platz 57 ausfindig machen. Er schätzt noch einmal ca. 30 Minuten Fahrt bis dahin. Meine Hoffnungen wachsen wieder, meinen Ehemann doch noch zu finden!
Also über die nun schon gewohnten Pflastersteine - für Lkws kein Problem.
Kai Nr. 45 - wir nähern uns unserem Ziel. Nur noch um verschiedene Hallen, und da endlich Wasser und Platz Nr. 57 mit einem Schiff in leuchtendem Orange mit dem wunderschönen Namen "Stephanie".
Geschafft !
Der Taxifahrer freut sich genauso wie ich, daß wir das Schiff gefunden haben.
An Deck mein geliebter Seemann, und endlich, endlich liegen wir uns in den Armen. "Na, hast du uns gut gefunden?" Aber sicher, kein Problem, wie immer ...
Erwähnen muß ich noch, daß uns der Kapitän gegen 21.00 Uhr mit der Nachricht überraschte, daß Schiff müsse um ca. 23.00 Uhr nach Kai Nr. 504 verholen. Das kam mir doch bekannt vor !!!
Gegen 0.30 Uhr ist die "Stephanie" dort festgemacht. An Bord ein ganz normaler Arbeitstag!
Kann es sein, daß manche Tage mehr als 24 Stunden haben? Mir jedenfalls kam es so vor.
Wieder daheim, heißt es nun Kräfte sammeln für die nächste Fahrt zum nächsten Hafen. Wie wäre es vielleicht mal wieder mit Antwerpen ???
3. Kapitel
Vom Telefonieren im allgemeinen und im besonderen
Wohl jeder nimmt an, das Telefonieren - in der heutigen Zeit - sei ein Kinderspiel. Man nehme den Hörer ab, werfe die entsprechende Münze ein (einen guten Tag hat man erwischt, verfügt man über das nötige Kleingeld), wähle die Nummer des gewünschten Teilnehmers, und schon ist dieser in der Leitung. So mag das an Land zugehen, bei der Seefahrt ist das alles ein bißchen anders.
Immer wieder eine Herausforderung stellen auch Anrufe zu diversen Ämtern und Behörden dar. Hier empfiehlt es sich, seinen Spruch vorher auswendig zu lernen. Aufsagen muß man ihn im günstigsten Falle nur zwei- bis dreimal. Es wird zuerst einmal geprüft, wer denn wohl für dieses Ansinnen zuständig sein könnte. Hin und wieder gerät man dabei an einen Menschen, der einen so behandelt, wie er im umgekehrten Fall sicher auch behandelt werden möchte.
NICHT in diese Kategorie gehörte die "freundliche" Dame, mit der ich kürzlich zu tun hatte. Dieses Vorbild an Liebenswürdigkeit war der, wie ich als unerfahrener Laie annehme, aus eigener, jahrelanger Erkenntnis heraus resultierenden Meinung, es dürfe in unserem Zeitalter wohl kein Problem mehr darstellen, einen Seemann zu erreichen, der sich auf Fahrt befindet. Hüten werde ich mich, diese Meinung einer Fachfrau anzuzweifeln! Aber wundern darf ich mich schon, dauert es mal wieder zwei Tage, bis ein Seefunkgespräch zwischen meinem Mann und mir zustande kommt. Müssen die Herren sich auch ständig außerhalb der Reichweite der verschiedenen Küstenstationen aufhalten? Oder wollen sie keinen Kontakt zur Außenwelt, schalten aus diesem Grund das Funkgerät erst gar nicht ein?
Hat man nun einen Ehemann, der sich zur Zeit nur auf Kleiner Fahrt befindet, also nach Spanien, Portugal, Finnland, Norwegen, Schweden, Belgien oder die Niederlande, so hegt man verständlicherweise die Hoffnung, daß es diesem gelingt, seine Ehefrau telefonisch zu erreichen. Aber weit gefehlt! Da treten doch gewisse Schwierigkeiten auf ...
Von Bord ist eine Unterhaltung ziemlich uninteressant und auch zu teuer. Würde ein Seemann das verdienen, was ein Landmensch ihm ohne weiteres zugedenkt, ja dann ...
Wer sagt seiner Frau schon gerne "Du fehlst mir", oder "Ich vermisse dich", wenn noch ein paar andere mithören? Mein Mann ist dann jedenfalls nicht sehr gesprächig. Diese Möglichkeit bleibt also dem Notfall vorbehalten. Aber gibt es nicht Gott sei Dank in jedem fernen Land die altbewährte Telefonzelle? Warum nur sind die in bestimmten Häfen so dünn gesät? (Beispiel Rotterdam: Nach nur zehnminütiger Autofahrt hatte ich doch tatsächlich eine entdeckt!).
Fazit: Ein Seemann muß gut zu Fuß sein, was ihm nach einem anstrengenden Arbeitstag sicher nicht weiter schwer fällt!
Was nimmt man nicht alles aus Liebe zu seiner Ehefrau auf sich. Da darf einem einfach kein Weg zu weit sein, kein noch so langer Fußmarsch einen vom Telefonieren abhalten.
Das Beste natürlich ist, der Kapitän sieht zu, einen Liegeplatz mit Telefon in nächster Nähe zu bekommen. Was bestimmt nicht so schwierig sein kann ...
Vor einiger Zeit lief die "Stephanie" (wie mir mein Mann berichtete) nachts kurz nach 23.00 Uhr in Antwerpen ein. Er machte sich sogleich auf den Weg zum dortigen Seemannsheim (45 Min.), in der Hoffnung, dort zu dieser Stunde noch telefonieren zu können. Vielleicht auch um sich ein paar Bierchen zu gönnen?
Aber leider, aus beidem wurde nichts - geöffnet nur bis 24.00 Uhr.
Also wieder unverrichteter Dinge zurück an Bord. Die eineinhalb Stunden in frischer Luft haben ihm bestimmt gut getan! Vielleicht sollte man die Einlaufzeiten der Schiffe besser mit den Öffnungszeiten der Seemannsmissionen abstimmen ...
Befindet man sich im Ausland (was bei einem Seemann schon einmal vorkommen soll), ist es ein interessanter Zeitvertreib, Telefonmünzen in der jeweiligen Landeswährung zu organisieren. Wie mein Mann das immer schafft, habe ich noch nicht ganz durchschaut. In Schweden und Finnland scheint das nicht allzu schwierig zu sein, verfügt man über einen gewissen Vorrat an Spirituosen und ist gewillt, diesen an die Bevölkerung zu verkaufen.
Apropos: In Finnland soll es, wie ich hörte, Telefonzellen geben, die ihrer Bestimmung nur bei einer besonderen Wetterlage nachkommen, wobei sich Regenwetter am günstigsten erwiesen hat. Meinem Ehemann - der das Glück hatte, daß bei seinem Finnlandaufenthalt nicht die Sonne schien - ist es auf diese Weise gelungen, ca. eine Stunde mit seiner Frau im fernen Deutschland zu sprechen, ohne daß der Apparat auch nur eine Münze annehmen wollte. Endlich hatte jemand mal ein Einsehen mit einem unterbezahlten Seemann.
Meiner ist ohnehin auf jedem Schiff als derjenige bekannt, der keinem Telefon widerstehen kann. (Ein Umstand, der sich jedoch nicht gerade günstig auf sein Vorschußkonto an Bord auswirkt.)
Wird er gesucht, so sollte man Ausschau halten nach der nächsten Telefonzelle. Mit Sicherheit vertreibt er sich dort die Zeit, den Hörer in der Hand!
Ob der Telefonapparat an der Schleuse in Brunsbüttel inzwischen seinen Dienst wieder aufgenommen hat, entzieht sich meiner Kenntnis. Meinem Ehemann hat er dort die vorerst letzte Möglichkeit genommen, seine geliebte Frau zu erreichen.
Hat der Seemann dann einmal genügend Kleingeld in der entsprechenden Landeswährung, trifft er garantiert auf ein Telefon, das nur Karten annehmen will. Wo aber kann er die nun wieder kaufen?
Am Kiosk, sofern man einen entdeckt , oder bei der Post , sofern diese noch nicht geschlossen ist?
Dann heißt es mal wieder: nur Geduld, der nächste Hafen kommt bestimmt. Und wenn er Stephenville auf Neufundland heißt. Dort hat mein Mann den radelnden Koch bezirzt, ihm seinen gesamten, nicht unbeträchtlichen Vorrat an US $ anvertraut, damit dieser ihm CND $ mit