Maria Rohmer
Verheiratet mit einem Seebären
Mal mit, mal ohne Ehemann - meistens ohne!
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Inhaltsverzeichnis
1. Kapitel
Ein Seemann - ein ganz normaler Ehemann?
"Verheiratet mit einem Seebären - na und?" Ein Seemann ist schließlich auch nur ein Mann. Denken Sie als nichtsahnender Landmensch vielleicht. Aber dem ist nicht so, glauben Sie mir, dem ist ganz und gar nicht so. Ich muß es wissen. Teile ich nun immerhin schon fünf Jahre Tisch und Koje mit solch einem Exemplar. Wobei ich getrost die gemeinsam verbrachte Zeit auf die Hälfte reduzieren kann. Um die Zeit nämlich, die wir beide wieder dem schönen Junggesellenleben frönen können. Die Zeit, die mein geliebter Seemann lieber auf seinem Schiff verbringt als an der Seite seiner Ehefrau. Aber von irgendwo her muß schließlich Geld auf unser Konto fließen. Also sucht ein Seemann sich eine Reederei, die gibt ihm ein Schiff, somit einen Arbeitsplatz, und alles Weitere läuft dann schon ... "Ach waren das noch Zeiten", höre ich da meinen Mann laut seufzend feststellen. Waren das noch wunderbare Zeiten in der Seefahrt, als das alles noch so ablief. Zeiten, in denen man sich seinen Arbeitgeber noch aussuchen konnte. Zeiten, in denen man ein Angebot noch ablehnen konnte, sagte es einem nicht zu.
Längst vergangene, nie wiederkehrende Zeiten, in denen Personalchefs der Reedereien sich noch um einen guten Mann rissen.
Zeiten, in denen der Seemann einen festen Anstellungsvertrag bekam und nur bei schweren Verstößen die Kündigung erhielt. Unvergessene Zeiten, in denen Seeleute in den verschiedenen Häfen der Welt noch Muße hatten, sich auch etwas anderes als nur das Hafengelände anzusehen.
Abenteuerliche Zeiten, in denen Ausflüge ins Landesinnere unter-nommen wurden. Man noch Gelegenheit bekam Land und Leute kennenzulernen. Freundschaften zu schließen, die oft genug ein Leben lang hielten. Ein Seemann war in der ganzen Welt zu Hause.
Heute ist er nur noch auf Stipvisite in unzähligen Häfen, quasi auf Reisen im Schnelldurchlauf. Zeit ist auch hier oder ganz besonders hier Geld. Geld regiert die Welt, demnach auch den Reeder, und der jagt sein Schiff unaufhaltsam von einem Hafen zum nächsten. Das sind die Freuden unseres Zeitalters. Wer könnte da noch etwas ändern?
Dem Seemann bleibt dabei kaum noch Zeit zum Luftholen - soll er auch nicht -, er hat zu arbeiten.
Und das möglichst für drei. Denn auch - man sollte es nicht glauben - in der christlichen Seefahrt wird gespart, wo sich nur eben sparen läßt. Und das läßt sich immer noch am besten beim Personal. Das ist hier nicht anders als irgendwo sonst in einem Landbetrieb. Die noch verbleibenden Seeleute schaffen leicht ihre ca. 120 Überstunden pro Monat und ersetzen somit jeden überflüssigen Mann an Bord.
Heute lebt "Hein Seemann" in einer Zeit der Ausflaggungen. Von Juli 1991 bis Januar 1992 wurden lt. Statistik 52 Schiffe von 34 Reedereien ausgeflaggt. Wohlgemerkt - 52 Schiffe innerhalb von nur sechs Monaten. Diese fahren mittlerweile unter so exotischen und bunten Flaggen wie die von Singapore, Antigua, den Bahamas, von Liberia, Burma, Zypern oder Panama. Die angestammte Besatzung wird entlassen, geht von Bord - hinein in die Arbeitslosigkeit ? -, die neue Decksmannschaft kommt von den Philippinen.
Wen wundert´s, daß immer mehr - vor allem jüngere - Seeleute die Flucht ergreifen und der Seefahrt den Rücken kehren. Auf die älteren unter ihnen wartet jedoch an Land kein Arbeitgeber mehr. Für sie bleibt nur der Weg bis zum bitteren Ende, sprich bis zur Erreichung der Seemannsrente.
"Hein Seemann" lebt in einer Zeit der Billiglöhne, für die seine ausländischen Kollegen bereit sind zur See zu fahren. Philippinos, Polen oder Russen tun die gleiche Arbeit für ein paar wenige Hundert Dollar im Monat. Zählen damit in ihren Heimatländern zu den Bestverdienenden. Bestehen bei einigen unter Ihnen leichte Zweifel, ob es sich hier auch um hochqualifizierte Leute handelt ? Besser man unterdrückt das mulmige Gefühl und wagt sich nicht vorzustellen, wie es mit der Sicherheit auf so manchem Schiff bestellt ist.
Der Seemann lebt in einer Zeit des Zweitregisters, der untertariflichen Heuerzahlungen, der tarifwidrigen Urlaubsregelungen, in einer Zeit der Angst vor Arbeitslosigkeit, in einer Zeit der Unsicherheit und Sorge, ob und wann überhaupt ihm die Heuerstellen ein neues Schiff vermitteln können.
An Bord muß er sich mit einem babylonischen Sprachengewirr auseinandersetzen. Kein Wunder, tummeln sich dort oft genug Seeleute aus bis zu zwölf verschiedenen Nationen. Da erstaunt es niemanden mehr, daß die Einsamkeit an Bord drastisch zunimmt und somit eines der größten psychischen Probleme in diesem Beruf darstellt. Zu viele unterschiedliche Kulturen, zu viele verschiedene Mentalitäten stoßen hier aufeinander. Obwohl ich immer wieder festgestellt habe, daß Seeleute zwar zu bösen Sprüchen neigen, aber im Zusammenleben und Zusammenarbeiten mit Menschen anderer Völker sehr viel weiter sind als die Menschen an Land. Der Umgang miteinander erfordert von jedem ein Höchstmaß an Toleranz.
Sie kennen doch das gute alte Sprichwort: "Wem Gott will rechte Gunst erweisen, den schickt er in die weite Welt"? Nun, dabei hat der liebe Gott sicher nicht an einen Seemann auf einem Schiff der heutigen Generation gedacht. Heute muß dieser sich mit einer oft miserablen Unterbringung an Bord begnügen. Aber er fährt schließlich nicht zur Erholung - er hat zu arbeiten. Und das - wie bereits erwähnt - möglichst rund um die Uhr. Haben die Kammern etwa aus diesem Grund die Ausmaße und die Behaglichkeit von Kaninchenställen? Zum längeren Verbleib sind sie jedenfalls absolut ungeeignet, will der Seemann nicht in Depressionen verfallen.
Der Seemann fährt durch eine Zeit, in der man niemandem mehr mit gutem Gewissen raten kann, einen Beruf an Bord zu ergreifen - kurz gesagt -, er lebt in einer absolut seemannsfeindlichen Zeit.
Für die meisten Reeder (wo sind die andern?) ist der Seemann nur noch ein notwendiges Übel, das er in Kauf nehmen muß. Denn noch - wohlgemerkt - NOCH existiert es NICHT - das computergesteuerte Containerschiff, das die Weltmeere unsicher macht. Wir sind zum Glück in einem Alter, das ein Erleben dieses Fortschritts