Ein völlig falsches Verhalten, aber leider nicht auszuschließen, es nützt mitunter nicht einmal, die Merkmale verschiedener Bekannten zu mischen, das hat schon Goethe erfahren, der im Werther die blauen Augen von Charlotte Buff / Kestner mit den schwarzen Augen von Charlotte von La Roche / Brentano vertauscht hat, was ihm und dann noch nach Jahrhunderten Thomas Mann in Lotte von Weimar große Probleme eingebracht hat.
Nicht in Ordnung ist es allerdings, wenn echte Figuren einfach ausgeschlachtet werden, wie Arnold Schönberg in Thomas Manns Doktor Faustus als Adrian Leverkühn, Erfinder der Zwölftonmusik, der im Roman Syphilis hat und verrückt wird. Arnold Schönberg, der – zeitgenössische und mit Mann bekannte – echte Erfinder der Zwölftonmusik, der keine Syphilis hatte und nicht verrückt wurde, hat sich zu Recht sehr darüber geärgert, ja gegrämt, wie seine Tochter noch heute verbittert berichtet.
Sollte sich aber bei Kuhland tatsächlich jemand wiedererkennen, so liegt das einzig an dessen Selbstüberschätzung.
Auch das im Roman enthaltene Produktbashing dient einzig der Dramaturgie und gibt keine Auskunft über die tatsächliche Qualität dieser Produkte. Daher ist jede Ähnlichkeit der erwähnten Produkte mit tatsächlich existierenden Produkten gleichen Namens rein zufällig.
Prolog
Bis vor 3 Jahren und 3 Monaten war Benni im erst Bonner, dann Berliner Innenministerium zuständig für die Rückführung umstrittener Kulturgegenstände, was bedeutet, dass Sammlungen oder Einzelstücke, die sich als Beutekunst irgendwo im Ausland in Privathand befanden, oder die von der Bundesrepublik als geeignet dafür angesehen wurden, das nationale Ansehen zu heben, von dem Land, in dem sich die Objekte zwar im offiziellen oder auch inoffiziellen Handel befanden, jedoch mit einem Ausfuhrverbot belegt worden waren, von der Bundesrepublik über Mittelsmänner mittellegal angekauft wurden. Danach wurde es still um die Stücke, bis nach einer angemessenen Zeit Gras über die Sache gewachsen war und sie als Ankauf einer Kulturstiftung wieder auftauchten und als Dauerleihgabe an ein Museum gegeben wurden.
Das Amt, das Benni leitete, bestand aus ihm selbst, einer Sekretärin und einem älteren Herren, der gleichzeitig als stellvertretender Dienststellenleiter, Dolmetscher für 6 Sprachen, Kunsthistoriker und Bürobote fungierte. Da es das Amt aber gar nicht gab, tauchte es auch nirgendwo in Tätigkeitsberichten oder Rechnungsberichten auf. Benni hat sich auch nie die Mühe gemacht herauszufinden, ob denn wenigstens das Außenministerium Bescheid wusste.
Da nicht existente Stellen immer in der Chefetage direkt neben der Geheimdienstkoordinierung angesiedelt sind, um normale Mitarbeiter fern zu halten, begegneten sich Benni und der Kanzleramtsminister mehrmals täglich. Am Morgen des Tagen, an dem er unfreiwillig zum zukünftigen Kioskbetreiber werden sollte, wurde er vom Kanzleramtsminister, der Benni in der Regel nicht oder bestenfalls mit einem kaum erkennbaren Kopfnicken zur Kenntnis nahm, herzlich begrüßt, als sie sich auf dem Gang begegneten, gerade als er zwei Minuten nach 9 Uhr aus dem Lift kam, für den man einen eigenen Schlüssel braucht. Benni wusste, dass das irgend etwas eher weniger Gutes bedeutet, vergaß die Sache dann aber wieder.
Um 11 Uhr 15 rief dann die Sekretärin des für ihn zuständigen Staatssekretärs seine Sekretärin an und übermittelte ihm einen Besprechungstermin für 14 Uhr. Die Mitteilung erreichte ihn allerdings erst um 13 Uhr 55, da er von 11 Uhr bis 11 Uhr 45 eine Unterredung mit einem seiner Kontaktleute hatte und danach in die Kantine gegangen war und lustlos, aber wegen der Unkenntnis des bevorstehenden Termins entspannt Rehmedallions mit Kartoffelkroketten sowie Bayerische Creme mit Himbeermark gegessen hatte. Außer dem Fleisch, das strohtrocken war, schmeckte alles wie aus Halbfertigmischungen zusammengerührt, was es schließlich auch war. Danach hatte er im Park hinter dem Ministerium in der Süddeutschen Zeitung die Berichte über die Innenpolitik gelesen, um sich auf dem Laufenden zu halten. Für Mitte Juni war es recht kalt, und wenn er nicht ohne Jackett losgegangen wäre, wäre er noch später wieder ins Büro zurückgekommen. Als er dort von dem Termin erfuhr, begab er sich unverzüglich zum Büro des Staatssekretärs, das auf der gleichen Etage, jedoch in einem anderen Flügel liegt, von wo er von dessen Sekretärin in den Besprechungsraum geführt wurde, in dem ein Dutzend hässliche und grobschlächtige Stühle an einem dazu passenden Tisch stehen, kein Telefon, keine Bilder. Dort wartete er nun.
Nach 20 Minuten hatte Benni keine Hoffnung mehr auf einen für ihn befriedigenden Ausgang des Tages. Der Staatssekretär, ein mit seinen Stühlen vergleichbar hässlicher, grobschlächtiger Mann, traf weitere 17 Minuten später ein und bat den seit nunmehr 37 Minuten allein auf einem der 12 hässlichen Stühle sitzenden Benni, Platz zu nehmen. Benni konnte nun nichts mehr überraschen. Und so erschien es ihm in Anbetracht der vorhergegangenen Merkwürdigkeiten nur konsequent, dass der hässliche Staatssekretär ihm eröffnete, dass auf Grund bestimmter Konstellationen, die mit dem EU-Assoziierungsabkommen verschiedener osteuropäischer Staaten zusammenhängen und den sich daraus abgeleiteten politischen Konsequenzen, seine Stelle aufgelöst werden wird.
‚Sie meinen, dass für irgend jemanden ein politisches Opfer fällig wird.’
Der Staatssekretär, der keine Lust hatte, Benni wissen zu lassen, dass er selber nur Anweisung befolgt, ging nicht darauf ein.
‚Wir sorgen selbstverständlich weiter für unsere Leute, sagte er großzügig. ‚Ihrem Stellvertretenden Dienststellenleiter haben wir eine attraktive Vorruhestandsregelung ausgearbeitet, und auch für Fräulein Hildegard werden wir etwas Passendes finden.’ 'Fräulein Hildegard’ war Bennis Sekretärin. Von Benni selbst hinsichtlich ‚was Passendes’ war nicht die Rede.
Er dankte dem Staatssekretär trotzdem und fragte nach seiner Abfindung, was zunächst heftigen Widerspruch hervorrief. Man einigte sich schließlich auf etwa die Hälfte, was Benni zeigte, dass der hässliche Staatssekretär bereits vorab mit entsprechenden Vollmachten ausgestattet worden war. Benni bestand darauf, die Abfindung sofort und in bar ausbezahlt zu bekommen, was keinerlei organisatorische Probleme aufwarf.
Benni, der wichtige Unterlagen, Adressen und Dokumente immer schon bei sich zu Hause, keinesfalls im Ministerium aufbewahrte, wo er nie wissen konnte, wer darin rumschnüffelte, packte noch am selben Tag seine wenigen persönlichen Sachen sowie das Geld in eine Aktentasche, verabschiedete sich von seinem stellvertretenden Dienststellenleiter und seiner Sekretärin und verließ das Ministerium für immer.
Danach fuhr er zu seinem Appartement und packte auch dort seine Habseligkeiten zusammen, die hier weniger als einen halben Koffer füllten. Er war ohnehin wegen seiner häufigen Reisen kaum 90 Tage im Jahr in Berlin gewesen. Daher hatte er es möbliert gemietet und sich nie die Mühe gemacht, dem Appartement eine persönliche Note zu geben, ebenso wie er darauf verzichtet hatte, sich wegen eventuell drohender Einsamkeit mit einer möblierten Dame in ähnlicher Lage anzufreunden.
Zuletzt stellte er die Aktentasche und den halbleeren Koffer im Flur ab, inspizierte nochmals gründlich die Wohnung und brachte den Müll hinunter. Danach rief er die Frau seines Staatssekretärs an, die im Gegensatz zu ihrem Mann so schön ist, dass das Gerücht umgeht, er müsse irgend etwas gegen sie in der Hand haben, und die ihm bei seinem letzten Pflichtcocktailempfang ihr Leid über ihren Mann geklagt hatte. Er teilte ihr mit, dass er gerade ausgezogen sei, die Miete für das Appartement noch für über 3 Monate bezahlt sei und es ihr zur Verfügung stünde. Die Frau des Staatssekretärs bedankte sich so überschwänglich, dass es ihm fast peinlich war. Trotzdem empfand er auch ein wenig Genugtuung.
Dann fuhr er mit dem ICE nach München zu seiner ehemaligen Freundin, die in eine Schlosserei im Hof eines düsteren Gründerzeitblockes