Layla. Stephan Lake. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Stephan Lake
Издательство: Bookwire
Серия: Elijah Leblanc
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783750226876
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er glaubte, Nevada-Amadeus würde seiner gerechten Strafe entgehen.

      Snydr hat es nicht ausgesprochen, er hat es sogar geleugnet. Ich bin kein Mörder. Aber er konnte Elijah nicht täuschen.

      Selbstjustiz. Schwieriges Thema. Besonders, wenn ein Polizist involviert war. Doch Elijah hielt Snydr nicht für einen schlechten Kerl. Und er war nicht sicher, wie er selbst an Snydrs Stelle handeln würde.

      „Herr Leblanc? Snydr wollte Nevada töten?“

      Er würde nicht über Snydr urteilen. Noch nicht. Und er würde ihn auch nicht belasten.

      „Keine Ahnung“, sagte Elijah.

      17

      Zur selben Zeit, zwei Kilometer entfernt

      Gulli legte den Kopf in den Nacken und guckte in den blauen Himmel.

      „Der da oben weiß, ich hab Fehler in meinem Leben gemach. Un ich bereu mein Fehler. Die alte Schlampe, an die ich mein Leben verschwendet han, die hat mir jed einzel Mark aus der Tasch gezogen, die Schlampe. Verdammte Schlampe.“ Er guckte neben sich. „Saach, Jacke, haste die gekannt? Du has die doch gekannt? Du muss die gekannt han.“

      Jacke schüttelte den Kopf.

      „Aber dass ich einen nichtsnutzigen Sohn mit der gezeugt hab, an oberster Stelle. Polizist geworden isser. Zum Kotzen. Haste den gekannt? Ich hab dem immer gesagt, der wird nix, un jetzt isser bei den Bullen und is nix. Ein Niemand. Ein Nichts. Wie ich gesagt hab. Genau wie ich gesagt hab.“

      „'Ey, Gulli, hör auf zu labern und lass die Pulle rüberwachsen.“

      Gulli lehnte gegen die harte Hauswand und drehte den Oberkörper für eine bequemere Lage, aber ohne Erfolg. Die Wand hinter ihm blieb hart wie der Asphalt unter seinem knochigen Hintern. Und dann die Gedanken in seinem Kopf, die verdammten Gedanken, die er nicht abstellen konnte, die sich drehten im Kreis, immer rum, rum, rum. „Zum Kotzen, Mann.“

      Er nahm einen großen Schluck.

      „'Ey, Gulli, du Loch, was machst du? Die Pulle. Jetzt. Los, mach, Mann. Ich habe die besorgt.“

      „Un ich die davor. Also halt die Fresse, Jacke. Saach mir lieber mal, woher du die Pappe her has.“

      Jacke, nur eine Armlänge entfernt, warf Gulli einen lauernden Blick zu.

      Wie ein Straßenköter mit einem Knochen zwischen den Pfoten.

      Gulli sagte, „Jetz bleib mal geschmeidig, wat? Ich will nur wissen, woher du die her has. Sons nix. Ich brauch auch wat für heut Nacht. So kann ich nit pennen. Mit meinem Bein schon gar nit. Also, saach, hast du die vom Container her oder wo?“

      Jacke in seiner zerrissenen kurzen Hose saß auf einem echt schönen Stück Pappe. Dick und neu sah die aus und groß genug, um sie doppelt zu legen. Oder es waren zwei. Zwei, dann wärn dat bei neuer Pappe Weichheitsstufe acht von zehn, vielleicht sogar neun, kommt eben auf die Zahl der Luftkammern drauf an.

      Umzüge und Trier stand auf Jackes Pappe, den Rest konnte er nicht lesen.

      „Sind da noch welche drin? Im Container?“

      Um die Ecke in dem Papiercontainer an der Straße, da lagen manchmal Kartons drin, die kamen von den Geschäften. Meist von dem Buchladen oder dem Supermarkt. Aber noch nie Umzugskartons. Manchmal lagen neben dem Container auch noch Plastikflaschen mit Pfand.

      „Willste nit sagen, huh?“

      „Solang du mir die Pulle nicht gibst, ich sag gar nichts mehr solang. Kannst du dich darauf verlassen, du Loch.“

      Gulli nickte. „Auch gut. Leck mich.“

      Er hob die Flasche und nahm einen weiteren Schluck. Der Fusel roch wie Benzin und schmeckte metallisch, so im Nachklang, auf der Zunge und hinten im Rachen. Aber die Wirkung stimmte. Langsam zog der Nebel in seinem Gehirn auf.

      Oder in dem, wat von deinem Gehirn übrig geblieben is. Gulli grinste. Et heißt ja, wie war dat nochmal, jeder Vollrausch kostet en paar Hunnertdausend Hirnzellen. Oder Millionen oder so. Wat dann ja wohl bedeutete, datste nit mehr so viele Hirnzellen has. Aber heut biste vonnem Vollrausch noch entfernt, auf halbem Weg dahin vielleicht oder knapp die Hälfte, also noch en halben Weg vor-

      „Okay, Gulli, die Pulle, jetzt. Oder ich zieh Jacke aus und auf die Glocke, das sag ich dir.“

      Genau aus dem Grund hatte dieser bescheuerte Jacke immer eine Jacke an, egal wie heiß es war: um sie auszuziehen und mit Prügel zu drohen. Hatte mit irgendwas aus seiner Jugend zu tun. Kam aus Norddeutschland irgendwo, deswegen redete der so pinkefein. Bescheuert war er trotzdem. Problem war, der meinte es ernst, immer.

      Gulli rülpste. Er würde gerne die Flasche leermachen, er brauchte noch den zweiten halben Weg, sonst käme er nicht durch die Nacht. Aber er wollte sich auch nicht mit Jacke prügeln. Nicht schon wieder. Nicht mit dem verdammten Bein.

      Er streckte den Arm aus und spürte, wie Jacke ihm die Flasche aus der Hand riss.

      „Wurde Zeit.“

      Gulli guckte und sah Jacke die Flasche gegen die Sonne halten. „Mehr als die Hälfte. Das kannst du dir notiereren, davon kriegst du nichts mehr.“

      „Notiereren hahaha.“

      Jackes Hand war schmutzig und wund, genau wie sein Gesicht, und seit einem Tritt von Kalle vergangene Woche lispelte er. Hatte sich auf die Zunge gebissen. Trotzdem wollte der sich schon wieder prügeln.

      Mann, wat für ein bescheuerter Idiot.

      Gulli schüttelte den Kopf, verschränkte die Arme vor der Brust und schloss die Augen.

      Sein Rücken tat ihm weh, alles tat ihm weh, und zu trinken hatte er jetzt auch nichts mehr. Aber was ihm im Moment am meisten Sorgen machte, sein Bein. Rechts unten, knapp über der Verse, eine Stelle groß wie der Deckel einer Bierflasche und tief. Wollte einfach nicht zugehen. Die Ärztin, junges, hübsches Ding, die hat gesagt, Das kommt von Ihrer Diabetes, Herr Leblanc, und von dem Alkohol und von Ihrem insgesamt schlechten körperlichen Zustand. Ihre Leberwerte, eine Katastrophe, Herr Leblanc, wenn Sie da nichts machen ...

      Ach, wat, tatsächlich, Frau Doktörchen? Soll ich mir dat och notiereren?

      An nichts von dem konnte er etwas ändern. Auch nichts daran, dass Frau Doktörchen immer ihre Bluse bis oben zuknöpfte.

      Sie hatte dann eine Salbe draufgeschmiert und verbunden, Handschuhe und Mundschutz ausgezogen und gesagt, er sollte übermorgen wiederkommen. Das war vor einer Woche. Oder zwei.

      Ein Regentropfen fiel ihm auf die Stirn, dann noch einer auf die Brust. Gulli wollte sein Hemd zuknöpfen als ihm einfiel, dass der letzte Knopf bei seinem Streit mit der Kassiererin abgesprungen war.

      Die alte Hexe, hatte sich übers Band gelehnt mit ihrer Brust und ihren fetten Armen und ihn am Kragen festgehalten, als er mit der Flasche und einer Tüte ... Chips ... Wat war das noch? Chips? Kräcker?

      „Jacke?“

      „Was? Du kriegst nichts mehr.“

      „Saach, wat hab ich gestern mitgebracht, die Pulle un? Chips?“

      „Chips? Gestern? Uh ... neh, neh, gestern, die verdammten Erdnussdinger gestern. Die ganze Nacht hatte ich saumäßiges Sodbrennen davon. Bring die bloß nicht mehr. Bring mal Brot mit und von der Wurst. Die in der roten Packung. Leberwurst. Die zum Schmieren. Bring die mal mit. Vielleicht ein Brötchen dazu. Früher als Kinder gab es immer Leberwurst mit einem Brötchen. Bei euch doch auch, oder? Bring mal Leberwurst und ein Brötchen mit. Die in der roten Packung. Oder Fleischwurst.“

      Ja, stimmt, die Erdnussdinger. Flips. Gedächtnis, Mann.

      Aber er hatte sich losgerissen von der fetten Hand und war verduftet. Sein Sieg über den Kapitalismus und die arbeitende Bevölkerung und alle Ausländer. „Heil!“

      „Was?“