Am Konzept für die durchzuführenden Genmanipulationen hatten Professor Gron und John einige Monate in Atlanta zusammengearbeitet. Das Konzept musste aber auf der Erde Theorie bleiben. Über Erfolg oder Misserfolg konnte nur seine praktische Umsetzung in der Schwerelosigkeit entscheiden. In mühevoller und geduldiger Arbeit setzte John daher das Konzept in die Praxis um. Zweimal musste es infolge mit Professor Gron neu besprochen und verbessert werden.
Die Resultate waren von John in einem seitenlangen Bericht zusammengefasst worden. Teile davon hatte er an die südlich der Stadt Houston angesiedelte „National Aeronautics and Space Administration“ oder eher bekannt unter dem geläufigen Begriff „NASA-Kontrollzentrum“ übermittelt, zur Weitergabe an Professor Gron. Aus Houston hatte John die strikte Anweisung bekommen, Berichte niemals komplett zu senden. Jeder Teil der übermittelten Berichte durfte im Zusammenhang keinesfalls auf ein Ergebnis hinweisen. Eine reine Vorsichtsmaßnahme. Die Forschungsergebnisse waren zu kostbar. Bei aller Aufmerksamkeit hätte es dennoch sein können, dass irgendwo Berichte abgefangen oder vielleicht unbeabsichtigt in falsche Kanäle geleitet wurden. Die Wahrscheinlichkeit war zwar sehr gering, jedoch nicht auszuschließen.
Forschungsergebnisse wurden getrennt über das TDRS-Relais-Satelliten-System gesandt sowie die Nachrichten in einem aufwendigen Verfahren verschlüsselt und konnten in Houston nur von einer einzigen Stelle empfangen werden. Die verschlüsselten Informationen wurden an Professor Gron weitergeleitet, der über eine spezielle Software die übermittelten Daten umwandeln konnte.
Vor zwei Tagen kam eine Nachricht von Professor Gron: „Dr. Hudges, Sie haben es geschafft! Herzlichen Glückwunsch! Die beste und im höchsten Maß schädlingsresistente Reispflanze wurde in Rekordzeit erfunden. Sie wird ein Segen werden für viele Länder mit hungernder Bevölkerung. Wir haben es geschafft. Und das weit vor der einkalkulierten Zeit.“
Der Erfolgsdruck war gewichen. In Ruhe und Gelassenheit konnte John die restlichen Tage auf der ISS genießen. Einige Berichte waren zu schreiben und die vielen Utensilien als Basis für seine Experimente mussten sorgfältig für den Rücktransport verpackt und bereitgestellt werden.
Morgen ist Familientag, überlegte John und er freute sich darüber, ausführlich und vergnügt mit seiner Frau und den beiden Söhnen reden zu können. Alle drei sollten morgen jeweils einen großzügigen Wunsch äußern, den er ihnen nach seiner Rückkehr erfüllen würde. John musste lächeln als er sich vorstellte, was sie wohl an ihn herantragen werden.
„Hey John, warum lächelst du? Woran hast du gedacht?“, fragte Lauren Roalstadt mit einem verführerischen Lächeln. Dabei stieß sie sich vorsichtig vom Boden ab und vollführte in der Schwerelosigkeit der ISS einen Salto rückwärts. Das klappte bei ihr zwischenzeitlich bestens. Nach einer Vielzahl von Fehlversuchen, bei denen sie sich zu heftig vom Boden oder von einem Gestänge abgestoßen und dabei mehr als einmal quer durch den Gemeinschaftraum gesaust und sich an Geräten und Gestängen blaue Flecken geholt hatte, hatte sie es gelernt, den Schwung genau zu dosieren. Es machte ihr besonderen Spaß, mit ausgebreiteten Armen an der Decke zu schweben. Vor ihrer Nase schwebte ein Buch oder ein Bericht, der in dieser Haltung von ihr gelesen wurde. Beim Umblättern der Seiten musste sie dann jeweils wieder die Position des Buchs oder des Berichts sorgfältig justieren, um den Leseabstand einzuhalten.
Meistens hatte Lauren gute Laune und war oft zu Späßen aufgelegt. Besonders in den ersten Tagen auf der ISS hatte sie ihre drei Kollegen gerne geneckt. In der Schwerelosigkeit ist es völlig gleichgültig, ob man an der Decke arbeitet, auf dem Boden oder an der Wand. Die Gewohnheit brachte es mit sich, dass in den ersten Tagen
alle am Boden arbeiteten. Lauren suchte sich einen Kollegen aus, schwebte von hinten langsam über ihn bis zu seiner Kopfhöhe, neigte von oben den Kopf nach unten, um ihn dann in dessen Augenhöhe und mit tiefer Stimme anzusprechen. Rayhn Grant hatte sich beim ersten Mal so sehr erschreckt, dass er sie ausschimpfte. Kurz darauf hatte er sich bei Lauren entschuldigt und beide mussten herzhaft lachen. Wie soll man auch plötzlich davon ausgehen können, dass eine Person sich von hinten lautlos waagerecht in Kopfhöhe anschleicht?
Als sie diese Kapriole bei John anwandte, stieß der vor Schreck einen Schrei aus, als hätte er die erste Begegnung mit einem Außerirdischen. Dabei vollzog er eine reflexartige Bewegung, die zu einem dreifachen Salto führte. Anschließend bekam sich John vor lauter Lachen nicht mehr ein.
Nur beim Russen Alexej klappte ihr Trick nicht. Der blieb cool und antwortete Lauren mit noch tieferer Stimme als er sie normal schon hatte.
Alle vier Astronauten hatten sich nach ein paar Wochen in der ISS gut eingelebt. Intensiv und mit Eifer wurden Forschungsarbeiten betrieben. Jeder arbeitete an seinen Aufgabenstellungen. Rayhn hatte das Kommando der Crew und war damit gleichzeitig der direkte Ansprechpartner der Bodenstation Houston. Sowohl die Kommunikation der Crew untereinander als auch mit Houston verlief bestens. Fast dreieinhalb Monate war die Mannschaft in der ISS auf engstem Raum untergebracht und in drei Wochen sollte die Ablösung kommen. Es war bisher eine spannende und abwechslungsreiche Zeit gewesen. Viele Gespräche wurden geführt. Leider hielt sich Alexej dabei zurück. Vermutlich wegen seines merkwürdigen russischen Dialekts. Drei Amerikaner und ein Russe. Manchmal bemühte sich Lauren, die Aussprache Alexejs zu verbessern. Alexej wiederholte dann den oder die von Lauren korrigierten Sätze; bei nächster Gelegenheit sprach er wieder seinen merkwürdigen Dialekt und hatte scheinbar die Bemühungen von Lauren vergessen.
„Warum hast du mich beobachtet?“, interessiert schaute John zu.
Lauren, die einige Meter weiter bis zu ihrem Arbeitsplatz schwebte, bemerkte: „Ich habe dich nicht beobachtet. Zufällig habe ich gesehen, wie du verträumt auf unsere alte Mutter Erde geschaut hast und dabei ein Lächeln in deinem Gesicht entstanden ist. Sag, woran hast du gedacht? An deine Frau?“
„Ja, an meine Frau und die Kinder. Ich möchte für jeden einen besonderen Wunsch erfüllen, wenn ich wieder unten bin. Und gerade habe ich mir überlegt, wer sich was wünschen wird.“
„Und welcher Wunsch hat das Lächeln ausgelöst?“ Ihr schelmischer Blick war auf John gerichtet.
„Lauren, du gibst mal wieder keine Ruhe, bis du alles genau aus mir herausbekommen hast“, antwortet John lächelnd und gut gelaunt. „Ich habe gerade an meinen älteren Sohn gedacht. Der wünscht sich bestimmt einen Flug zur ISS.“
Kapitel 2
Im Mannschaftsraum der ISS versuchte Rayhn zum wiederholten Mal eine hauchdünne Faser in den Kabelkanal zu stecken. Wieder vergeblich. Er fluchte leise vor sich hin und schaute sich nach John um. Der hat die ruhigste Hand von uns allen und müsste es mit Leichtigkeit schaffen, diese blöde Faser einzufädeln. John hatte eben an seinem Notebook gearbeitet.
„Wo steckt John?“, rief er Lauren zu, die etwa sechs oder sieben Meter weiter ihre täglichen Muskelaufbauübungen praktizierte. „Keine Ahnung“, rief sie zurück. „Ich habe ihn vor einer halben Stunde zuletzt an seinem Notebook gesehen.“
„Wahrscheinlich ist er in seinem Modul und hält ein Nickerchen“, meinte Rayhn. „Wenn du ihn siehst, so sag ihm, er möchte mal kurz zu mir kommen. Ich brauche seine ruhige Hand.“
„Willst du damit verdeutlichen, dass ich keine ruhige Hand habe? Schau dir meine schlanken, gepflegten Hände an.“
„Selbstverständlich, Lauren, hast du schöne und gepflegte Hände. Hättest du genau hingehört, dann wäre dir aufgefallen, dass ich von einer ruhigen Hand gesprochen habe. Und da ist mir aufgefallen, dass du bereits die Geduld verlieren kannst, wenn du einen Faden