In fremden Betten – und drumherum
Der Koffer kommt gleich
Endlich angekommen im Hotel. Der Flug war lang, der Tag noch viel länger, leicht fühlt man sich da so zerknittert wie die unterste Bluse im Koffer. Um so schöner ist es, dass die strapaziöse Anreise nun doch noch ein Ende gefunden hat. Ein kühles Glas ruht in der Hand, die Formulare sind ausgefüllt, der Pass ist wieder sicher in der Tasche verstaut. Da heißt es auch schon: „Der Koffer kommt gleich.“ Ein Aufkleber mit der Zimmernummer landet auf dem guten Stück, es wird auf einen Wagen gehievt, und schon schwebt man unbeschwert von unhandlichen Gepäckstücken aufs Zimmer. Ist es nicht eine der angenehmen Seiten des Lebens unterwegs, dass man sich um so vieles nicht selbst kümmern muss?
Allein, oben angekommen zeigt sich: Ohne Koffer ist auch mit dem allerschönsten Hotelzimmer nur wenig anzufangen. Gut, Händewaschen, das geht, und die Seife schäumt und duftet auch viel schöner als das Zeug, das die Seifenspender in Flugzeug-WCs so ausspucken. Einen besorgten Blick in den Spiegel werfen. Bin ich das? Und wenn ja – ist es ein Naturgesetz, dass man am Ende eines Langstreckenflugs absolut urlaubsreif aussieht, bleich und zerzaust? Ein Zeichen der Schöpfung, dass es dem Menschen nicht zugedacht ist, zu fliegen? Ein übler Trick der Luftfahrtindustrie womöglich, auf dass der erschöpfte Fluggast gleich nach der Landung von neuen, scheinbar erholsamen Fernreisen zu träumen beginnen möge? Lieber mal aus dem Fenster schauen. Doch dort, wo üppiges Grün und ein Streifen Meer zu vermuten sind, ist es nun schon dunkel. Einmal den Fernseher an- und gleich wieder ausschalten. In der Welt ist ausnahmsweise nichts los. In den Sessel sinken, dann wieder aufstehen. Einen unruhigen Blick auf die Uhr werfen. Noch eine halbe Stunde bis zum Abendessen. Zum Glück kommt der Koffer ja gleich. Rumpelt es da nicht schon vor der Tür?
Nein, das war nebenan. Nun heißt es Ruhe bewahren. Wirklich quälend ist die kofferlose Zeit im Zimmer schließlich nur, wenn man mitten in der Nacht im Hotel ankommt, sehr große Sehnsucht nach dem Bett verspürt, aber doch bekleidet und möglichst auch noch wach sein sollte, wenn dann der Mensch mit dem Gepäckwagen an der Tür erscheint. Oder wenn man unbedingt noch duschen möchte zwischen beschwerlicher Anreise und spätem Abendessen. So wie jetzt. Und etwas anderes anziehen als die Knitterware des Reisetags. Anruf bei der Rezeption. Sollte der Koffer etwa auf diesem allerletzten Stück des Wegs noch verloren gegangen sein? Nein, alles wird gut, beruhigt eine freundliche Stimme am Telefon. Und fügt hinzu: „Das Gepäck ist unterwegs, der Koffer kommt gleich!“ Die Stimme spricht die Wahrheit: Irgendwann ist der Koffer da. Immer.
Reisen bringt viele Erkenntnisse. Geistige Notiz fürs nächste Mal: Ist die Zeit bei der Ankunft knapp, lohnt es sich, eigenhändig zu schleppen. Geistige Notiz für den Abreisetag: Am besten schon sehr zeitig anrufen und um den Transport von Taschen und Koffer nachsuchen. Zumal hier, wo das Haupthaus mit der Lobby ein gutes Stück Wegs entfernt liegt. Der Tag kommt, wie immer schneller als gedacht. Nun heißt es: Planvoll abreisen. Schritt eins: Anruf bei der Rezeption mit der Bitte um Abholung des Gepäcks. Schritt zwei: Jetzt erstmal einen Kaffee zubereiten. Schließlich kann als erwiesen gelten, dass nichts am Morgen so gut schmeckt wie der Kaffee, der in kleinen Schlucken auf einem Balkon mit großartiger Aussicht eingenommen wird. Schritt drei: Nun in aller Ruhe zu Ende packen. Ja, das ist das Zeit-Management des versierten Vielreisenden.
Doch was ist das? Noch bevor an Schritt zwei auch nur zu denken ist, hämmert es schon an der Tür. Dort steht ein dienstbarer Mensch. „Ihr Koffer?“ fragt er beflissen. Ja, der – kommt gleich. Noch ist er allerdings offen, Schuhe, Bücher, Kulturtasche liegen überall verstreut: auf dem Boden, auf dem Bett, im Bad, auf dem Sessel.
Der Hotelangestellte ist Profi durch und durch. Ohne sich seine Gedanken über den Zustand des Zimmers, den unbefriedigenden Fortschritt des Packprozesses oder die Unverfrorenheit eines Gasts anmerken zu lassen, der einen noch nicht fertig gepackten Koffer abholen lassen will, macht sich der freundliche Mann einfach selbst ans Werk. Geschwind reicht er Schuhbeutel, Pullover und T-Shirts an. Schließlich macht er eigenhändig den Koffer zu und verschwindet mit ihm in Richtung Rezeption. Das ist doch echter Service - und Entschädigung fürs nächtliche Warten nach der Ankunft. Fazit: Wer beizeiten anruft, muss nicht mal selber packen.
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Die Dritten im Zimmersafe
Was in Hotels vergessen und wie mit Fundsachen verfahren wird
Wie reagiert ein Zimmermädchen, das nach der Abreise eines Gastes ein komplettes Gebiss auf dem Nachttisch vorfindet? Sie schluckt. Sie zieht Plastikhandschuhe an. Und sie trägt es ins Fundbüro des Hotels, wo es mit einer Nummer versehen, im Computer registriert und im Wert klassifiziert in ein Regal gestellt wird. Dort verharren die kostbaren Dritten, bis sich der Besitzer meldet.
Gibt er keinen Laut, weil ihm die Situation allzu peinlich ist oder er ohnehin plante, seine Reise mit weniger Biss fortzusetzen, verfahren Hotels unterschiedlich: In einigen Häusern fallen Fundsachen nach sechs Monaten den ehrlichen Findern zu, in anderen werden die Übrigbleibsel vergesslicher Gäste nach einem halben Jahr versteigert oder für wohltätige Zwecke gestiftet. Schmuck wird zumeist für mindestens ein Jahr im Tresor aufbewahrt. Eine Verlustmeldung für den fraglichen Zahnersatz ist nie im „Westin Grand Hotel Berlin“ eingegangen. Was nach sechs Monaten aus dem Gebiss wurde, ist nicht dokumentiert - auch nicht, was mit einer zweifelhaften Gummipuppe geschah, die ein Steigenberger-Zimmermädchen fand oder einem Affenkostüm und einem Holzbein, beides Hinterlassenschaften in Novotel-Zimmern.
„Die meisten Gäste“, heißt es zum Beispiel aus der Pressestelle von Ritz-Carlton-Hotels, „melden sich selbst, wenn sie etwas vergessen haben und bitten darum, den Gegenstand nachgeschickt zu bekommen. Aus Diskretionsgründen kontaktiert das Hotel von sich aus niemanden.“ Handele es sich aber um einen Stammgast, werde ihm der vergessene Gegenstand bei seinem nächsten Aufenthalt wieder an derselben Stelle aufs Zimmer gelegt. Peinliche Situationen werden so vermieden, damit nicht etwa das Nachthemd der heimlichen Freundin durch Nachsenden an die Heimatadresse des Gastes in die Hände der Ehefrau gerät.
Knapp 1.700 registrierte Fundsachen durchlaufen z.B. Jahr für Jahr allein die Asservatenkammer des „Park Hyatt Hamburg“ - mit seinen 252 Zimmern kein Riesenhotel. Auf Reisen sind Menschen offenbar vergesslich - egal, ob sie in Ferienresorts oder in den Business-Hotels der Großstädte absteigen. Nur bei den unfreiwilligen Hinterlassenschaften gibt es Unterschiede. Sind es in den Stadthotels vor allem Handy- oder Laptop-Kabel, so sind es in den Ferienhotels in erster Linie T-Shirts, Zahnbürsten, Wecker, Unterhemden und -hosen.
Erstaunlich oft vergessen Gäste Eheringe im Zimmer - selten zwei, meistens nur einen. Kurioserweise vermelden viele Hotels ebenso einvernehmlich, dass seit einigen Jahren gehäuft angebrochene Viagra-Schachteln zu den Fundsachen zählen. Bei Inter-Continental Hotels erinnert man sich an einen Gast, der Geld verschiedener Währungen im Zimmersafe vergaß, sich umgehend meldete und um Nachsendung der Bündel per Kurier bat - ohne die Viagra-Schachtel zu erwähnen, die ebenfalls im Safe zurückgeblieben war.
Auch verabschieden sich Reisende oft mit weniger Kleidung als sie bei der Anreise dabei hatten: Nicht selten ziehen die Zimmermädchen des „Park Hyatt Hamburg“ nach Abreise Wäsche aus dem Zimmersafe. Auch sie landet in der Asservatenkammer. Gerne wird vergessen, was vorher versteckt wurde: Das Gebiss im Safe, Schmuck im Gardinensaum, Hightech im Sofafutter.
Bei Maritim Hotels kam bereits ein Hamster zu neuen Pflegeeltern, während sich die zahlreichen