Vielleicht wäre ich als Libelle ja gar nicht mehr in der Lage alles so zu sehen wie in meinem jetzigen Körper? Vielleicht sehen Libellen die Welt ganz anders. Wenn ich mir so ihre Augen betrachte, kommt mir das logisch vor. Sie können zwar in alle Richtungen schauen, aber das kann ich auch, wenn ich den Kopf drehe. Und sie haben keine so weiche Decke, wie ich und müssen auf den Seerosenblättern schlafen. Wie sich diese Blätter wohl anfühlen? Bestimmt nicht so weich, wenn ich beobachte, wie kurz die Libellen nur darauf verweilen.
Ach nein, ich bleibe lieber ich und erfreue mich an diesen glitzernden Insekten, wann immer sie mich besuchen.
Schmetterlingstanz
Mein zweiter Lieblingsplatz ist auf der grünen Wiese hinter dem Haus. Im Frühling, wenn die Wiese nass vom Morgentau ist und nach dem Erwachen der Natur riecht. Das Gras hat im Frühling noch so ein frisches, sattes Grün, dass es tiefe Freude in mir weckt, die im Winter in mir leicht geschlummert hatte.
Wie sehr freute ich mich, als ich heute die ersten bunten Farbtupfer der wachsenden, sich öffnenden Blüten erkennen konnte! Meine Begeisterung darüber war so groß, dass ich laut zu jubeln begann... und plötzlich verstummte, als ein wunderschöner, flatternder Schmetterling mitten auf meiner Nase landete. Ich hielt ganz ruhig und versuchte ganz flach zu atmen, um ihn nicht zu erschrecken und zu vertreiben. Aber er kitzelte mich so sehr, dass ich befürchtete, ich müsste niesen. Es gelang mir den Niesreiz zu unterdrücken und was wurde ich dafür belohnt! Schielend linste ich auf meine Nase, während der Schmetterling seine zarten Flügel weit ausbreitete und mich seine herrliche Farbenpracht bewundern ließ! Still, ganz still saß ich da, hielt den Atem an und ließ meine Augen von den funkelnden braun, blau, gelb und rot schillernden Farbtupfern verwöhnen.
Ein leises Bedauern schlich sich in meinen Bauch, als der Schmetterling seine Pause auf meiner Nase beendet hatte und wieder von Blüte zu Blüte tanzte. Dennoch hütete ich das Wissen, einen ganz besonderen Augenblick erlebt zu haben, tief in meinem Herzen.
Regentropfen
Heute konnte ich leider nicht meinen Lieblingsplatz am Teich oder auf der Wiese besuchen, denn der Himmel war grau, die Wolken jagten durch den Wind gepeitscht über das Firmament und es regnete ohne Unterlass. Ich saß am Fenster und betrachtete, wie die Bäume die Blätter traurig hängen ließen. Ich war mir sicher, dass sie auch viel lieber die Sonne spüren wollten, denn dann ist das Leben richtig schön und lustig! Ich entdeckte eine Amsel, die schimpfend den Regentropfen auswich und sich einen trockenen Platz im Geäst des Baumes suchte. Sie schüttelte ihr Federkleid und stieß immer wieder ihre anklagenden Laute aus. Die Regentropfen prasselten auf das Fenster, vor dem ich saß, und ich beobachtete fasziniert, wie sie das Glas herunter rannen, sich dabei mit weiteren Tropfen vereinigten und immer schneller wurden, bis sie auf das Fensterbrett tropften. Dieses Schauspiel nahm mich so lange gefangen, bis ich spürte, dass ich Durst hatte.
Hmm. Ich entdeckte die Amsel auf einem Ast und sah erstaunt, dass sie die Regentropfen von den Blättern pickte. Die Amsel hatte wohl auch Durst! Ob die Bäume, das Gras, die Blumen auch Durst haben? Dann ist der Regen ja ein Segen für die Natur! Wie schlimm wäre es, wenn es niemals regnen würde und die Pflanzen verdursten würden!
Ach, wie gut, dass es regnet. Es soll bitte noch ein bisschen weiter regnen, damit alle Tiere und Pflanzen ihren Durst löschen können. Wie dankbar war ich den Wolken, die diese gewaltige Aufgabe so zuverlässig erfüllten!
Aber danach soll bitte wieder die Sonne scheinen! ;-)
Rose mit Gast
Auf dem Tisch stand eine Vase mit einer wunderschönen roten Rose. Ich reckte und streckte mich, bis ich fast mit der Nase die weiche Oberfläche anstupsen konnte. Wieder und wieder sog ich tief den süßen Duft in mich ein und freute mich riesig. Die samtenen Blätter waren kunstvoll um das Zentrum arrangiert. Ich staunte wieder einmal über das stille Wunder der Natur. Wie perfekt sie aussah! Immer wieder meinte ich neue Blütenblätter zu entdecken oder neue Muster darin zu erkennen.
Ich war völlig vertieft in die Betrachtung der Königin der Blumen, sodass ich die Bewegung erst wahrnahm, als es fast schon zu spät war: Da war ein Gast in der Rose!
Ein Gast mit einem kleinen Körper und acht langen, dünnen Beinen. Brrr. Ich zuckte zurück – beinahe wäre die Spinne auf meine Nase gekrochen. Mir stellten sich alle Nackenhaare auf – ich mag Spinnen nicht sonderlich...
Die Spinne glotzte mich mit ihren vier Augenpaaren an, blieb aber still auf dem Rosenblatt sitzen.
Hmm, wieso mag ich eigentlich keine Spinnen? Hatte ich einmal ein Erlebnis, das mir diese Krabbeltiere verleidete? Wenn eine Spinne die kunstvolle Rose als Zuhause ausgesucht hat, wenn sie die Zartheit der Blütenblätter so sehr mag wie ich, dann haben wir ja schon viel gemeinsam. Ich sollte meine Scheu vor Spinnen wirklich einmal überdenken...
Wolkenbilder
Traumhaft! Ich lag heute den ganzen Nachmittag auf meinem zweiten Lieblingsplatz auf der Wiese, unter mir die kuschelige Decke und blickte in den Himmel.
Zuerst dachte ich: 'Schade, dass der schöne, blaue Himmel durch die Wolken immer wieder gestört wird und mir die strahlende Wärme der Sonne verdeckt.“
Dies dachte ich aber nicht mehr lange. Eine Wolke schob sich in mein Gesichtsfeld und ich rieb mir verwundert die Augen: Die Wolke sah für mich wie ein Löwe aus!
Huch?
Ja, träumte ich denn? Nein, ich war hellwach. Der Löwe bäumte sich auf, als ob er zum Sprung auf eine Gazelle ansetzte. War das spannend! Meine Fantasie schlug Purzelbäume. Wenn eine Wolke wie ein Löwe aussehen kann, dann kann eine andere doch wie eine Gazelle erscheinen, oder?
Eine Szene wie aus dem Bilderbuch entwickelte sich vor mir:
Der Löwe sprang auf die Gazelle, die diesem jedoch geschickt auswich. Sie versteckt sich hinter einem Drachenbaum, nein, sie WURDE zu einem Drachenbaum. Der Löwe suchte seine Beute, musste aber einsehen, dass sie verschwunden war und ließ sich zu einem Nickerchen nieder. Dabei verpasste er die Elefantenherde, die an ihm vorüberzog. Am Horizont erhoben sich die schneebedeckten Berge und Flamingos flogen zielstrebig zu einem großen Gewässer, an dem sie sich niederließen. Krokodile entstiegen dem Wasser und sonnten sich am Ufer, während ein Rhinozeros sein Horn an einem Stein rieb. Eine Gruppe Affen trieben ihre lustigen Späße miteinander, bevor sie sich zum gegenseitigen Entlausen aneinander kuschelten.
Ich beobachtete dieses muntere und lebendige Treiben, bis die Sonne unterging und fühlte mich, als sei ich einem Abenteuer entstiegen.
So spannend können Wolkenbilder sein!
Blubberblasen
Wie spannend Limonade doch sein kann!
Ich sitze auf meinem Stuhl und blicke in das volle Glas. Die Limonade selbst ist farblos, das Glas durchsichtig. Am Boden tummeln sich hundert kleine Blubberblasen, die sich langsam den Weg nach oben bahnen. Manche im freien Auftrieb hektisch an die Oberfläche, wo sie blitzartig platzen und dabei lustige Knistergeräusche verursachen. Manche gemächlich am Rand, wo sie sich mit ihren Brüdern und Schwestern vereinen, immer schneller und größer werden und mit lautem „Plopp“ an der Oberfläche zerspringen.
Stundenlang schaue ich den Blasen zu, bis keine mehr da ist.
Hmm, so sehr mir dieses Schauspiel auch gefallen hat – ob die Limonade ohne die Blubberblasen noch schmeckt?!?
Hihi! Egal, das war es mir wert!
Schwalbenflug
Ach, das Leben ist so schön. Mein Lieblingsplatz auf der Wiese war