Im Bann der Traumfänger. Olaf Falley. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Olaf Falley
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844255201
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Sie waren nach eigenem Bekunden die Erstgeborenen, der Beginn der Existenz und auch deren Ende. Auf der anderen Seite die Schwesternschaft des reinen Weges, von den Menschen als Hexen verflucht und gefürchtet.

       Als die Auseinandersetzung begann, erzitterte die Erde unter dem Getöse der aufeinander prallenden Heere. Der aufgewirbelte Staub verdunkelte den Himmel und verwehrte den Strahlen der Sonne den Zutritt. Es wurde kalt auf der Welt für eine sehr lange Zeit, bitterkalt!

       Das vergossene Blut der Gegner tränkte die Äcker und machte sie unfruchtbar.

       Der Kampf tobte viele Wochen und die Magie, die von den Gegnern als Waffe benutzt wurde, war überall auf der Welt zu spüren. Es lag ein feines Singen in der Luft, die Tiere verhielten sich unruhig und die Menschen klagten vermehrt über Schlafprobleme. Viele wachten schweißgebadet auf und sahen noch die letzten Fetzen ihrer Träume im Geist davon schweben, geflügelte Ungeheuer mit fürchterlichen Klauen und bluttriefenden Fängen.

       Als der Kampf vorbei war, fühlte sich keine Seite als Sieger. Zu hoch waren die Verluste auf beiden Seiten. Am schlimmsten jedoch war der Umstand, dass die eingesetzte Magie für immer verloren war. Unwiederbringlich war sie mit der Umgebung verschmolzen. Die Pflanzen hüllten sich nun in eine ganz besondere Aura, die Tiere begannen, ihr Dasein zu begreifen, der Kampfplatz war ein Ort von ganz besonderer Schönheit geworden.

      Es war der Geruch der Traumfänger. Es gab keinen Zweifel!

      Die Erstgeborenen waren auf die Welt zurückgekehrt!

      4.

      Gerdas Gedanken hämmerten im Rhythmus der Pferdehufe. Freyas Traum war kein Traum, sondern eine Botschaft. Es war vermutlich Hilda, die versucht hatte, Kontakt aufzunehmen. Nur sie war in der Lage, die Schwestern mit Hilfe ihrer Gedanken aufzuspüren. Was allerdings noch nicht erklärte, warum Freya und nicht Gerda die Gedankenbotschaft empfangen hatte.

      Es war zum Verzweifeln! Freya kannte die Botschaft, konnte deren Inhalt jedoch nicht deuten. Gerda hätte es gekonnt, kannte sie doch die alte Sprache; jedoch fehlte ihr der Zugang zu der Botschaft.

      Gerda trieb ihr Pferd gnadenlos zur Eile. Sie würde ihm eine Extraportion Hafer spendieren und es bis zur Morgendämmerung trocken reiben, wenn sie nur wieder zu Hause wären.

      Sie roch den Rauch, lange, bevor sie die Flammen sah.

      Eine eisige Kälte bemächtigte sich ihrer. So war es also wieder geschehen. Sollte sie wieder innerhalb weniger Stunden alles verlieren, was ihr lieb und teuer war?

      Wenn ein Leben nach Jahrhunderten zählt, sollte man sich mit derlei Unannehmlichkeiten abgefunden haben. Jedoch nicht dieses Mal, es durfte nicht sein! Sie hatte der Welt Hoffnung geboren, Baldur und Freya. Würde diese Hoffnung heute zerstört, hätte sie nicht mehr die Kraft für einen Neuanfang.

      Verzweiflung, Wut und Angst kämpften um die Vorherrschaft in Gerdas Gedanken, als sie endlich an ihrem Hof ankam. Ohne jegliche Vorsichtsmaßnahme, nur auf ihre Fähigkeiten vertrauend, stürmte sie auf das brennende Haus zu. Sie hätte den Regen rufen können. Jedoch war diese Beschwörung sehr aufwändig und Zeit war ein Faktor, der Gerda im Moment nur in begrenztem Umfang zur Verfügung stand. Die Hitze missachtend betrat sie ihr Haus. Schon auf den ersten Blick erkannte sie das Ausmaß der Verwüstung. Dort, wo sich eigentlich die zwei Schlafzimmer befinden sollten, war jetzt die Wiese zu sehen. Die komplette Rückseite des Hauses fehlte.

      Dass dies der Statik des Gebäudes nicht förderlich war, bekam Gerda zu spüren, kaum dass sie daran gedacht hatte. Mit einem misstönenden Ächzen beugte sich die rechte Giebelfront nach innen. Schnell durchquerte Gerda die Reste ihres Wohnzimmers und stand auf der Wiese hinter dem Haus, als der Giebel endgültig der Schwerkraft nachgab. Mit brennenden Augen sah sie, wie sich ihr Leben in Asche und Rauch verwandelte.

      „Es war ein Blitz. Der Himmel war klar und wolkenlos. Dann kam dieses Licht.“

      Arnulf starrte mit ausdruckslosem Gesicht an Gerda vorbei auf die Trümmer des Hauses. Er blutete am gesamten Körper und ein nicht geringer Teil seiner Haut war verbrannt.

      „Wo sind die Kinder? Wo sind Freya und Baldur?“

      Verständnislos sah Arnulf sie an.

      „ Ein helles Licht. Erst nur ein Punkt, hinten über dem Wald; dann wurde es immer größer und größer. Und dann…“

      „Die Kinder!“

      Gerda schrie und schlug mit beiden Fäusten auf ihren Gatten ein,

      was ihm unsägliche Schmerzen bescherte. Es brachte ihn aber auch wieder in die Realität zurück!

      „Sie waren nicht da, als es passierte. Baldur wollte mit Freya Blumen pflücken. Es tat ihm leid, dass er sie geärgert hatte und deshalb versprach er ihr…“

      Übergangslos sackte Arnulf vor Gerdas Füßen zusammen. Erst jetzt konnte sie die Wunden auf seinem Rücken sehen und wusste, dass sie ihm nicht mehr würde helfen können. Hätte sie ihre Kräuter und Zutaten zur Hand und wäre sie einige Minuten früher gekommen, hätte es vielleicht noch eine Möglichkeit gegeben, Arnulf zu retten. So aber konnte sie ihm nur beim Sterben zusehen.

      Er erlangte das Bewusstsein nicht noch einmal. Er starb, wie er gelebt hatte: ruhig und friedlich. Und das, obwohl die Umstände seines Todes alles andere waren, als Ruhe und Frieden.

      Die Tränen in Gerdas Augen wurden durch den Rauch verursacht und hatten sonst keine emotionalen Ursachen. Sie hatte gewusst, dass es so kommen würde.

      Schließlich war es schon so oft geschehen. Die Menschen wurden alt und starben, während sie damit beschäftigt waren, ihre Zukunft zu planen.

      Seit sie sich für ein Leben jenseits der Schwesternschaft entschieden hatte, hatte sie schon einige Ehemänner zu Grabe tragen müssen. Für Arnulf würde es zunächst kein Grab geben. Dafür fehlte ihr die Zeit. Sie musste ihre Kinder suchen.

      Mit leisem Bedauern trug sie den Körper ihres Gatten in das brennende Haus, in der Hoffnung, dass die Flammen ihr die Arbeit abnehmen würden.

      Gerda schwang sich auf den Rücken ihres Pferdes und ritt, ohne sich noch einmal umzuschauen tiefer in den Wald hinein.

      Sie brauchte nicht lange zu suchen. Schon nach wenigen Minuten sah sie auf dem Weg eine dünne, aber dennoch gut sichtbare Spur, die von unregelmäßig fallenden Blutstropfen gebildet wurde. Voll böser Vorahnungen folgte Gerda der Spur, welche sie durch das Unterholz bis an den Rand einer engen, tiefen Schlucht führte. Es war die Donnerschlucht, welche ihren Namen den Geräuschen verdankte, die der Fluss hervorrief, der tief unten sein Bett gegraben hatte.

      Ängstlich beugte sie sich über den Rand, um nach unten zu sehen. Sollte eines ihrer Kinder in diese Tiefe gestürzt sein, würde es keine Rettung geben. Und keine Hoffnung. Weder für das Kind, noch für die Welt!

      Doch daran wollte sie im Moment nicht denken. Es waren ihre Kinder. Sie trugen das Erbe ihrer Mutter in sich. Es war nicht vorstellbar, dass ihnen etwas passiert sein könnte. Sie waren Verbündete der Natur, deren Geister sie beschützen würden!

      Und die Hoffnung, an die sich Gerda verzweifelt klammerte wurde erfüllt. Kaum einen Meter unter ihr, auf einem schmalen Sims, lag ihr Sohn. Er war ganz offensichtlich der Verursacher der Blutspur, schien aber noch am Leben zu sein.

      Vorsichtig kletterte sie zu Baldur hinab. Er schlief! An seiner linken Hand fehlte der Daumen und der Unterarm war bis zum Ellenbogen aufgeschlitzt. Der damit verbundene Blutverlust hatte zu diesem Schlaf der tiefsten Erschöpfung geführt. Gerda wusste, dass sie handeln musste, wollte sie ihren Sohn aus den Abgründen des ewigen Vergessens retten. Es war noch nicht zu spät. Behutsam schob sie ihn über den Rand der Schlucht zurück auf sicheren Boden und legte ihn anschließend quer über den Rücken des Pferdes. Dabei musste sie daran denken, dass dieses tapfere Tier noch nicht einmal einen Namen hatte. Arnulf hatte es als überflüssig angesehen, Nutztieren Namen zu geben.

      „ Wenn wir das