Ich gönne ihr das alles, schließlich ist es das, was sie braucht: ein bis zwei Mal in der Woche ein heißes Date mit Übernachtung und Frühstück und gut ist es.
Ich dagegen denke noch viel zu oft an Tommy. Er war meine große Liebe, an ihn habe ich mein Herz verschenkt und er hat es mitgenommen. Vor zwei Jahren schon, drei Monate nach unserer Hochzeit, und ich kann es manchmal selbst nicht glauben, wie lang das alles schon wieder her ist. Aber die Erde dreht sich weiter, auch ohne ihn und wenn es an manchen Tagen schwer fällt. Es geht immer weiter und es gibt Tage, da beschwere ich mich bei ihm, dass er mich alleingelassen hat.
Wie müde mich das Yoga heute gemacht hat, wird mir erst bewusst, als ich die Haustüre aufsperre und herausfinden möchte, womit ich mich auf dem Heimweg beschäftigt habe. Da kam gerade ein Gedanke zum anderen, bis ich bei Tommy angelangt bin. Das Problem habe ich sonst eigentlich nicht mehr so oft.
Eine kurze, sehr warme Dusche wird es jetzt trotz der Müdigkeit noch geben und ich weiß auch schon genau, wie ich mich vergnügen werde. Mein Massageduschkopf ist sehr flexibel, er stellt sich auf mich und meine Wünsche ein. Da gibt es bei Bedarf einen harten Strahl oder ein paar sanfte außen, das genügt mir für die Erfüllung vollkommen.
Eines ist jedenfalls sicher, den Mondgruß, den Luc mir gerade noch beim Verabschieden mit einem charmanten Lächeln ans Herz gelegt hat, wird es bei mir vor dem Schlafengehen nicht mehr geben, den kann er mit Vera alleine turnen. Der ist mir zu anstrengend und geschwitzt habe ich heute schon mehr als genug. Es werden eher die sanften Wasserstrahlen werden.
Auf Veras per SMS angekündigte Überraschung bin ich allerdings tatsächlich ein klein wenig gespannt. Werden wir uns gemeinsam darüber freuen oder hat nur sie ihren Spaß?
Wenigstens muss ich dieses Mal nur bis morgen Abend darauf warten, das heißt im Klartext: nur einmal schlafen. Und, dem Himmel sei Dank, habe ich morgen eine Menge Arbeit vor mir. Es müsste also sogar für mich zu schaffen sein, die Spannung auszuhalten.
Kapitel 2
Pünktlich zum Abendessen heißt bei Vera genau achtzehn Uhr. Oft saß ich bei einem Geschäftstermin schon auf glühenden Kohlen und musste darauf hoffen, dass nirgends auf der Fahrt zu ihr Radarfallen stehen würden. Auf die Dauer gesehen wäre mir das dann doch zu teuer, so regelmäßig wie wir uns inzwischen treffen.
Heute war mein Donnerstagstermin schnell zu Ende und ich konnte gemütlich hierher fahren. Ich parke meinen alten, aber rüstigen Kleinwagen vor Veras Doppelgarage und schäme mich ein bisschen dafür, weil er nicht in die Gegend passt. Was ich aber auch gleich feststelle: Es steht kein anderes Auto hier und das heißt übersetzt, dass Veras Überraschung vermutlich kein neuer Mann ist.
Darüber bin ich beinahe erleichtert, weil man bei dieser Frau nie genau weiß, was ihr als Nächstes einfällt. Wenn sie mich irgendwann mit jemandem verkuppeln möchte oder sogar Luc überredet hat, sich ein wenig um mich zu kümmern, würde ich dumm aus der Wäsche schauen. Wie besorgt sie um mein Liebesleben ist, hat sie mir ja erst gestern wieder in der Umkleide erzählt.
„Hallo, Süße“, begrüßt mich Vera mit Bussi-links-Bussi-rechts und lässt mir kaum Zeit, meine Jacke an die kunstvolle Metallpalme zu hängen, die ganz frisch bei ihr im Flur steht. Das ist mit Sicherheit ein sündhaft teures Designermodell, für das mein bescheidenes Dolmetschergehalt nie reichen würde, außer ich würde ab sofort auf Essen und Trinken und alles Schöne verzichten und nur noch wohnen. Komischerweise hatte ich bisher nie das Gefühl, dass ich alles, was Vera für nötig hält, auch zum Leben brächte. Es ist aber schon so, dass ich es ihr nicht ganz glaube, wenn sie behauptet, dass sie auf alles verzichten könnte, woran sie sich im Laufe der Zeit gewöhnt hat.
„Na, wie gefällt dir das gute Stück? Ich habe es für einen Kunden bestellt, der jetzt aber seinen Urlaub auf Barbados verlängert hat und erst in ein paar Wochen wiederkommt. Und da dachte ich, warum soll ich das Ding im Pappkarton lassen, wenn es sich bei mir viel besser machen würde, oder?“
„M-h“, sage ich und bin erleichtert, dass ich diese schreckliche Garderobenpalme nicht ausgiebiger bewundern muss. „Für mich wäre es nichts, aber ich kenne den Herrn ja nicht. Vielleicht passt es ja ganz gut zu ihm.“
„Das tut es ganz sicher, sonst hätte ich es nicht für ihn ausgesucht. Und ich war natürlich vorher in seiner Wohnung, das kannst du dir denken. Sowas mache ich nämlich nicht einfach so aus dem Bauch heraus.“
Ich muss grinsen. „Klar, das versteht sich von selbst.“
„Uns muss es doch nicht gefallen. Aber jetzt mal was anderes: Du hast doch vorhin erwähnt, dass du mit dem großen Übersetzungsauftrag endlich fertig bist, oder?“
„Ja, den habe ich heute abgegeben, sieht man mir das nicht an?“ Ich drehe mich hin und her.
„Chic siehst du aus in deinem Kostüm.“ Vera gibt mir das Gefühl, dass es ihr gefällt, obwohl ich mich darin fühle wie eine Knackwurst.
„Ich bin heilfroh, wenn ich aus dem Ding rauskomme. Und auch, wenn ich jetzt mal ein paar Tage nichts tun muss. Die hab ich mir sowas von verdient.“
„Das ist gut.“ Sie schiebt mich sanft in Richtung Wohnzimmer. „Dann habe ich nämlich einen Vorschlag für dich und du kannst eigentlich schon fast nicht mehr nein sagen, weil …“
„… du es schon so gut wie organisiert hast?“
„So ähnlich. Also ich habe eine Art Reservierung gemacht und das ging nur, weil Luc … naja, Beziehungen hat.“
„Na, dann lass mal hören“, sage ich, weil ich weiß, dass es für mich kein gemütlicher Abend wird, wenn da noch eine Katze im Sack ist, die mich jederzeit anspringen kann.
„Komm erst mal richtig an“, sagt Vera im gleichen schmeichelnden Ton, den ich von Lucs Übungen kenne.
Ich grinse, weil Vera gerade wie die Unschuld vom Lande aussieht, nur ohne Blümchenkleid und Strohhut.
„Ich habe uns ein bisschen was Leichtes vorbereitet“, säuselt sie weiter.
Dafür liegt Schweres in der Luft. Irgendein Kräutlein duftet mal wieder in der Öllampe vor sich hin, aber es ist mir leider ein bisschen zu viel davon. Am liebsten würde ich jetzt die große Schiebetür zur Terrasse aufreißen.
„Dir stinkt’s, Süße? Warte, ich lüfte ein bisschen.“
„Lenk nicht ab, ich weiß genau, dass was im Busch ist, das mir nicht ganz schmecken wird.“ So leicht wie einer von Veras vielen Männern lasse ich mich nicht herumkriegen und das weiß Vera auch ganz genau.
Wenn ich sie jetzt so in ihrem kuscheligen Hausanzug sehe, möchte ich allerdings möglichst schnell etwas gegen mein Kostüm tun, sonst wird das kein lustiger Mädelsabend.
„Wir gehen schon erst in die Sauna, oder?“, fragt sie.
„Sauna?“, frage ich erleichtert zurück. „Das ist ein Wort.“
„Ich schaue mal nach, wie warm sie schon ist.“ Vera verschwindet in den Keller. Ehemann Nummer drei, der ausgewanderte Chefarzt, hat ihr großzügigerweise nicht nur diesen herrlichen Bungalow, sondern auch die finnische Sauna überlassen, aber die braucht er in Namibia wahrscheinlich genauso wenig wie dieses Haus drum herum.
„Siehst du“, hat Vera seitdem einige Male festgestellt, „das Schicksal hat das genau richtig gemacht. Wir sollten uns zwar damals treffen, aber die Wohnung war eindeutig für dich bestimmt und nicht für mich.“
Tausend Dank, Hans-Werner, denke ich auch heute wieder, denn durch eine oder zwei Runden Sauna kann ich unauffällig das Problem mit meinem kneifenden Rock lösen und mich für den Rest des Abends in einen der flauschigen Bademäntel hüllen, bis ich wieder heimfahre.
Dieses Kostüm ist leider immer noch untenrum eine halbe Nummer zu klein, Größe 40 geht einfach bei mir nicht, da