Kümmer dich ums Kätzchen. Sara Jacob. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sara Jacob
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847611424
Скачать книгу
sekundenlang ungestört am Zelt. In der Ferne ganz sicher Lachen. Vielleicht auch das Rauschen des Meeres.

      »Dann sagt man eben solche Dinge«, sagt Gregor. Und es ist das erste Mal, dass ich ihn verstehe. Katja sieht das natürlich anders.

      »Aber du hast es mir doch versprochen«, ruft Katja und springt auf. Ihre Stimme bricht sich in den ersten Tränen. Gregor holte Luft. Mir ist nach Lachen zumute. Borderline. Wie geil ist das denn?

      »Katja«, sagt Maike mit quengelnder Stimme, erreicht ihre Freundin damit jedoch nicht mehr. Sie steigt über mich hinweg. Unter ihrer Hose zeichnet sich ein schmaler Slip ab. Der Reißverschluss des Zeltes knarrt. Hoffentlich bleiben die Mücken draußen.

      »Ach Katja«, sagt Frank matt. In seinen Augen blitzt es. »Wer heiratet denn heute noch?«

      Ich lache in meinen Schoß. Draußen vor dem Zelt knirscht Sand. Das Schluchzen geht im Heulen des Windes beinahe unter und entfernt sich ebenso rasch wie die Schritte. Wind fährt zwischen die Zeltbahnen. Die Taschenlampe im Dachfirst schwankt.

      »Toll«, sagt Maike. »Und jetzt? Immer muss ich hinter ihr herlaufen.«

      »Du bist eben auch ne Frau«, sagt Fabian. In seiner Stimme liegt unverhohlener Sarkasmus. Oder ist es Unsicherheit? »Du verstehst sie halt am besten.«

      »Was gibt es denn da nicht zu verstehen?«

      Zum Beispiel die Tatsache, wie jemand so naiv sein kann? So schwer von Begriff? So irrational? Wie kann man mit einem Jungen unter der Bedingung schlafen, dass dem Sex die Heirat folgt? In welchem Jahrhundert lebt dieses Mädchen denn?

      »Los, Daniel«, sagt Maike unvermittelt. »Geh du doch.«

      Das sitzt. »Nee«, entfährt es mir erschrocken. Eine Sekunde lang will ich mich in meinem Schlafsack verkriechen. Dieses Problem geht mich nichts an. Der Impuls ist stark, doch ich bin nicht mehr zehn Jahre alt. Das zieht nicht.

      »Wieso ich?«, frage ich stattdessen. Bestimmt hockt sie ein paar Meter entfernt heulend in den Dünen und kommt zurück ins Zelt, sobald die ersten Tropfen fallen. »Die kommt doch eh gleich wieder.«

      Ich kann mich doch überhaupt nicht in Katja hineinversetzen. Viel zu tief das fremde Gefühl, viel zu ernsthaft. Und wo bin ich überhaupt in dieser Sache? Kann mir die Beschäftigung mit Katja bei der Lösung meiner Probleme helfen? Bestimmt nicht. Dennoch besteht Maike darauf. Fabian auch, und Gregor und Frank ebenfalls.

      Wenn ich ihr folge, ihr nachgehe und mich um sie kümmere, was dann? Was soll ich ihr sagen? Muss ich das überhaupt? Ist doch so klar. Er liebt sie nicht. Schluss. Aus. Dumme Nuss. Ächzend erhebe ich mich, theatralisch, unsicher. Ob es schon regnet?

      Die Nacht ist total. Nur von den Duschen im Kiefernwald dringen ein paar Lichter auf die Düne. Nach ein paar Metern schon verschluckt die Dunkelheit jedes Sandkorn. Der Wind rüttelt an meinen Shorts, am T-Shirt, zerzaust meine Haare. Das Meer rauscht in der Ferne. Ich folge den Spuren im Sand und bin mit wenigen Schritten schon in den Sandwällen. Mir peitschen die ersten Tropfen ins Gesicht. Der Sturm hat zugenommen. Am Horizont reißen Blitze die Wolken in Scherenschnitte. Sekunden später rollt Donner.

      Die Düne steigt noch leicht an und fällt dann steil ab bis zum Meer. Sand quietscht zwischen meinen nackten Zehen. Er ist bereits kalt und feucht. So ein Quatsch. Abgesehen davon, dass ich sie gar nicht finden werde in der Dunkelheit, hält sie es bestimmt nicht lange hier aus. Viel zu kalt. Viel zu stürmisch.

      Spät erkenne ich den Schatten auf dem hellen Sand und stolpere beinahe über die am Boden hockende Person. Katja hat die Hände auf die angezogenen Knie gelegt und den Kopf darin vergraben. Ihr Köper zuckt. Als der Wind urplötzlich dreht, weht mir Schluchzen entgegen. In der Dunkelheit sind ihre langen Haare schwarz statt braun.

      »Katja«, sage ich und hocke mich neben sie in den Sand. Wieder Blitz, noch schneller der Donner.

      »Hau ab.« Die Hälfte der Schärfe bleibt zwischen ihren Händen kleben.

      Obwohl dichte Regenwolken den Mond verdecken und uns kein Licht vom Campingplatz erreicht, ist es nicht mehr stockdunkel. In immer rascherer Folge blitzt es über dem Meer. Der Sturm peitscht den grauen Ozean unter uns schaumig. In der Ferne blinkt das Licht eines Leuchtturmes, rechts von der Düne schimmern die Lichter von Arcachon.

      Meine Hände fühlen sich an, als hingen an ihr mindestens fünfzehn Finger, steif wie Essstäbchen und unfähig, sich auf den Rücken eines weinenden Mädchens zu legen. Immer mehr Tropfen peitschen mir ins Gesicht. Meine Füße sind kalt.

      Noch immer vergräbt Katja ihr Gesicht in den Händen. Vorsichtig strecke ich die Hand aus. Vielleicht will sie tatsächlich in Ruhe gelassen werden? Der Fluchtreflex wird groß. Wo bin ich in dieser Sache? Ich? Nicht Katja. Ich will die Schule abbrechen und in die Kommune meines Vaters ziehen. Nicht Katja. Ich habe wirklich existenzielle Probleme. Katja hingegen ist einfach nur naiv. Dumme Nuss. Aber jetzt bin ich hier, und ich kann ohne eine gute Ausrede nicht zurück ins Zelt. Acht Finger legen sich auf ihren Rücken. Ihr T-Shirt ist feuchtwarm.

      Katja hebt den Kopf. Ihr Gesicht ist ein grauer Fleck in der Dunkelheit. Ein trauriger, grauer Fleck, von Tränen ausgewaschen. Ich nehme meine Hand zurück, erschrocken und unsicher. Sehr nahe zuckt ein Blitz, Donner rollt unmittelbar darauf. Dann kommt der Regen. In dicken, schweren Tropfen entlädt sich das Unwetter. Es prasselt, rauscht, peitscht auf uns herab. Von einer Sekunde auf die andere ist mein T-Shirt nass. Auch Katja klebt das rosa Hemd am Körper.

      Sie trägt nichts darunter. Die Brustwarzen bohren sich durch den nassen Stoff. Mein Herz schlägt auf einmal viel zu schnell für diese dumme Nuss. Meine Hände wissen nicht, wo sie bleiben sollen. Über uns donnert und blitzt es. Nasser Sand klebt an meinen Füßen. Meine Schulfreundin im Regen. Liebeskummer am Strand. Von mir keine Regung.

      Es fühlt sich falsch an, künstlich, wie in einem fernen Traum.

      Der Regen schwemmt uns zurück zu den Zelten. Wir werden beide erwartet. Maike spricht von Sorgen, Frank macht ein paar spitze Bemerkungen über unsere schmutzigen Sachen und ein angebliches entspanntes Lächeln auf Katjas Gesicht. Bald darauf legen wir uns schlafen und während der Sturm über dem Campingplatz tobt, bekommt Gregor in unserem Zelt einen Anfall von Klaustrophobie.

      Er schnauft und keucht und macht seinen Schlafsack so lange auf und zu, bis Frank und ich die Nerven verlieren und ihn aus dem Zelt werfen.

      In der Ferne rollt ein letzter Donner, der Regen lässt nach.

       3.

      Am nächsten Tag steht die Sonne an einem stahlblauen Himmel und es ist schon morgens heiß. Das Frühstück besteht aus Baguette aus dem Shop des Campingplatzes und schlechtem Joghurt mit künstlichem Bananengeschmack.

      Gregor hat den Rest der Nacht er unter einem Dach, das eine Reihe von Waschbecken überdeckt, verbracht. Seine Laune ist gehoben, obwohl wir ihn aus dem Zelt geworfen haben. Er und Frank beschließen, den Campingplatz zu erkunden und verschwinden, kurz bevor Katja, Fabian und Maike, über den richtigen Sonnenschutzfaktor streitend, mich zu einer Mulde in den Dünen begleiten. Ein blondes Mädchen in Bikini kommt uns entgegen. Sie lächelt. Ein Engel in haselnussbraun.

      Fast sofort bekomme ich eine Erektion. Nur eine Armlänge weit geht sie an mir vorbei, Ihre Brüste wippen unter dunkelblauem Stoff. Wo kommt sie her? Wo geht sie hin? Den letzten Blick über meine Schulter fängt ihr fester Hintern auf. Fabian entgeht der Anblick, darauf achtet Maike mit einem festen Griff um seinen Oberarm.

      Ich breite mein Handtuch im Sand aus und lege mich darauf. Fabian holt sein Buch aus der Tasche, Maike meckert, er solle sich lieber um sie kümmern, Fabian legt das Buch zur Seite und fragt, was er denn machen sollte, und Maike fordert mehr Ideen von Fabian. Wie immer.

      Katja setzt sich einen Meter von mir entfernt auf ihr Handtuch, holt eine Flasche Sonnenmilch aus ihrem Stoffbeutel und cremt sich die Arme ein, rollt schließlich die Träger ihres bunten Badeanzuges von den Schultern. Macht sie wirklich? Ist sie? Kann denn? Der Stoff rollt sich tiefer, über dunkle Brustwarzen.

      Gibt es solch perfekte Brüste nicht nur