Gefesselte Lust - Teil 2. Kristina Schwartz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Kristina Schwartz
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742743442
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wachte Birgit am nächsten Morgen auf. Sie fühlte sich so frisch, doch bei weitem nicht so verrunzelt wie ein Neugeborenes. Die Wale hatten sie in den Schlaf gesungen und durch ihre Träume geleitet. Aus zufriedenen Augen blinzelte sie Nicola an, die begonnen hatte, sie von den Fesseln zu befreien. »Jetzt verstehe ich, was du mit Therapie gemeint hast«, strahlte sie.

      »Deinem Gesicht nach zu schließen, hat es funktioniert.«

      »Ja, und wie. Bin total begeistert.«

      Nachdem sie geduscht hatte, setzten sie sich gemeinsam zum Frühstück.

      »Dieses ... Erlebnis aus Bewegungsunfähigkeit und den Walklängen war einfach atemberaubend schön.«

      Nicola grinste.

      »Woher weißt du um die Wirkung so einer Session? Du bist doch keine Psychologin.«

      »Nein, aber ich kannte mal jemanden, recht gut sogar, die interessierte sich sehr dafür, aber das ist lange her. Oft haben wir die ganze Nacht mit Diskussionen und Alkohol zugebracht und ...« Sie hielt inne. Eine ungewöhnlich ernste Stimmung ergriff von ihr Besitz.

      »Stimmt was nicht?«, wollte Birgit wissen.

      »Nein, es ist nur ...« Es folgte eine ausgedehnte Pause. »... es war eine unheimlich schöne Zeit damals, die wir beide sehr genossen haben.«

      Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus. Birgit überließ die Freundin ihren Gedanken und schreckte erst hoch, als das Mobiltelefon läutete.

      »Scheiße, es ist Tobias. Was will er denn von mir? Was soll ich ihm denn sagen? Will ich überhaupt mit ihm reden?«

      »So viele Fragen und keine Antworten«, scherzte Nicola.

      Birgit hob ab. »Sie sind in der Sprachbox von Birgit, bitte, hinterlassen Sie mir eine Nachricht – Piep!«

      »Birgit, ich ... wollte dir sagen, dass ich ... also ... es tut mir leid, dass ich dich so verärgert hab’. Ich wollt’ es nicht. Es ist irgendwie passiert. Ich liebe dich doch!«

      Ja, darum hast du mich auch ans Bett gefesselt und schleppst nun dauernd Ursl, diese langbeinige Nutte, mit dir rum. Möchte wirklich wissen, was die hat, was ich nicht hab’?

      »Ursl lieb’ ich nicht. Warum auch? Nur weil sie ewig lange Beine hat ...«

      Aha, daher weht der Wind. Es sind also diese beschissenen zehn Zentimeter. Frechheit!

      »... es ist nichts zwischen uns ...«

      Ja, nichts, was euch am Sex hindern könnte.

      »... wir haben nur Sex ... Scheiße! ... Ich meine gelegentlich!«

      Na bitte, er streitet es nicht einmal ab, der Pharisäer.

      »Ich konnte ihr einfach nicht widerstehen, als ich sie das erste Mal sah, war ich ihr verfallen ...«

      Und da musstest du sie gleich ficken.

      »... mit ihren hohen Absätzen, neben denen sogar der Everest nur ein Hügel ist, mit ihren prallen, runden Brüsten, neben denen sogar eine perfekte Kugel wie ein unförmiges Ei aussieht, und mit ihren verführerisch duftenden Haaren, neben denen dein Pferdeschwanz wie der Schwanz eines Pferdes ...«

      So ein Arsch.

      »... so glaub mir doch! Birgit! Ich würd’ mich wirklich freuen, wenn du wieder zu mir zurückkommst.«

      Soso.

      »Ich warte auf dich. Hab’ dich lieb ... Wart, da ist grad ein Anruf auf der anderen Leitung, ich muss –« Damit war die Leitung tot.

      Vermutlich ruft ihn grad wieder dieses Miststück an, ging es ihr durch den Kopf.

      Nicola, die alles mitgehört hatte, sah sich gemüßigt, ihren positiv gefärbten Senf dazuzugeben: »Siehst du, er ruft sogar an, weil er dich noch liebt.«

      »Ja, und ficken tut er die Giraffe mit den Stöckelschuhen.«

      Nicola musste lachen.

      »Was ist denn daran so komisch?«, keifte Birgit.

      »Tut mir leid, ich hab’ mir nur grad vorgestellt, wie dein Mann die Leiter raufsteigt, um die Giraffe zu ficken.«

      Birgit schmunzelte. »Hast recht, stell’ ich mir auch komisch vor.«

      Nicola stand auf, kam mit einer Flasche Tullamore Dew zurück. »Hier, wir könnten unseren Kaffee etwas irischer gestalten.«

      Etwas misstrauisch sah Birgit in Nicolas Augen, deren intensives Blau den gesamten Pazifik widerzuspiegeln schien. Alkohol zum Frühstück? »Ach, was soll’s? Ich kann ja im nächsten Leben Antialkoholikerin werden.«

      »Das ist ein Wort«, strahlte die Fotografin und schenkte die Kaffeetassen mit Whisky voll.

      34

      Scheiße, verdammte Scheiße. Panik, Panik, Panik. Würde sich ihre Situation eigentlich in dem Ausmaß verbessern, in dem die Intensität der Worte »Scheiße« und »Panik« in ihrem Kopf zunahm? Sie wand die Arme in den Fesseln, spürte wie diese mehr und mehr in ihre Haut einschnitten und ihre Hände zunehmend gefühlloser wurden. Ihre Füße, gefangen in den engen, hohen Schuhen, umschlungen von dem Seil, das sie an den Tisch fesselte, brannten vor Schmerz. Vermutlich war es noch nicht einmal Mitternacht und die Minuten bis zum nächsten Morgen würden lang, qualvoll und schmerzerfüllt werden. Mit einem Schlag wurde ihr klar, was Denise in jener Nacht durchgemacht hatte.

      Ihr Dämmerzustand zwischen Wachen und Schlafen, zwischen Stehen und Liegen, zwischen Bewegungsunfähigkeit und Schmerz wurde jäh durch ein metallisch kratzendes Geräusch beendet, das wie fernes Donnergrollen an ihr Ohr drang. Ihre verkrampften Arme und Beine waren nur noch sehniger Schmerz und steinerne Muskeln.

      Schuhe wurden abgestreift und Strümpfe knisterten, als sie über Parkett und Teppich glitten. Der Titelsong aus Almodovars »Atame! – Fessle mich!« wurde gutgelaunt gepfiffen.

      Wie passend. Doch die beiden Worte, allein der Gedanke daran, erregte mittlerweile Übelkeit, würden ihr für den Rest des Lebens nie mehr über die Lippen kommen.

      »Heilige Maria!«, vernahm sie eine Stimme. »Sie haben wohl auch nichts Besseres zu tun? Jetzt stehen Sie schon wieder da! Und die Haare haben Sie sich auch gefärbt.«

      »Ahngh!«

      »Ja, ja, ich komm ja schon. Sagen Sie mir nur eins, stehen Sie eigentlich drauf, dass Sie alle zwei Wochen, verschnürt wie ein Paket, hier die Nacht zubringen oder haben Sie daheim eine so unbequeme Matratze, auf der Sie kein Auge zutun?«

      »Ahhh!«, ertönte der putzzerbröckelnde Aufschrei der Frau. »Sie sind ja gar nicht Frau Doktor.«

      Sagen Sie mir was, das ich noch nicht weiß, dachte die Patientin.

      »Warten Sie, ich befreie Sie gleich! Mittlerweile hab’ ich ja schon Übung. Bin ja schon so was wie eine Expertin«, sagte sie und begann das rechte Bein vom Schreibtisch loszubinden.

      Durchnässt fühlte sie ihren String zwischen Körper und Leggings, klebrig hing ihr Haar vom Gesicht. Gleißendes Feuer traf ihre Netzhaut, als die Putzfrau sie von der Augenbinde befreite. Schmerzgetränkt und verspannt sank ihr ausgezehrter Körper vor dem Schreibtisch zusammen. Sie war so mit sich beschäftigt, dass sie nicht bemerkt hatte, dass Denise, ausgeschlafen und frisch, mit leuchtenden Augen vor ihr stand. Die Patientin starrte auf die schwarzen Stiefel, die schwarzen Strümpfe und den schwarzen Rock, die ihren Augen angenehme Erholung boten.

      »So, ich rufe jetzt die Bullen«, sagte die Putzfrau, nachdem die Patientin den Knebel ausgespuckt hatte.

      »Nein, das werden Sie nicht tun. Wir haben die Sache schon im Griff, nicht wahr?«, strahlte Denise die Patientin an.

      Diese nickte kaum merklich, als sie versuchte, ihre Fußgelenke wieder gerade zu biegen.

      »Kommen Sie, ich bring’ Sie jetzt nach Hause.«

      Mühsam