„Johanna! Nein!“ Sein Schrei klang schrill und panisch. Seine sonst so angenehme Stimme überschlug sich.
„Sei ein lieber Junge und verhalte dich ruhig, sonst muss ich dir noch einen Knebel verpassen. Ich will nicht, dass der ganze Ort vor dem Haus zusammenrennt.“ Um meiner Drohung noch mehr Gewicht zu verleihen, drückte ich meinen Hintern schwer gegen seinen Bauch. Ich spürte seinen Blick in meinem Rücken, seinen lüsternen Blick, wie er die enge Schnürung des Korsetts, meine nackten Pobacken und die Strapse betrachtete. Ich konnte ihn spüren, den Kampf, der in ihm tobte. Einerseits sollte ich alle Signale für eine neuerliche Erektion gestellt haben, nur sein Gehirn, genauer gesagt der Bereich davon, in dem die Angst saß, erteilte dafür offensichtlich keine Freigabe. Gesicherter Rückzug, lautete vermutlich das Kommando, das auf sämtlichen zur Verfügung stehenden Kommunikationskanälen durch seinen Körper jagte. Doch mit vier gefesselten Gliedmaßen war die Ausführung desselben nicht gerade einfach. Ich musste lachen. Dann setzte ich das kalte Metall an seinen zusammengeschrumpften Schaft.
„Joh...“
„Hab’ ich da was gehört?“ Der Schalk brannte in meiner Stimme, ohne dass ich es verhindern konnte.
„Nichts“, wisperte er kaum vernehmbar.
„Dann ist es ja gut.“ Ich stieß einen theatralischen Seufzer aus, als wäre gerade eine schwere Last von meiner Seele genommen worden.
Armer Hans. Er verkrampfte sich. Sein ganzer, so wunderbarer Körper verkrampfte sich. Erneut versuchte er, sich den Fesseln zu entwinden.
„Oh, verdammt!“, rief ich hysterisch. „Das wollt ich nicht. Hans!, das tut mir leid.“
Hans schrie so laut er konnte, doch es drang kein Laut aus seiner Kehle. Seine Augen waren weit und starr, sein Mund sperrangelweit offen.
Ich kniff in seinen Schwanz. „Mach dir nicht gleich in die Hose, mein Lieber. Ich wollt’ dich nur ein wenig ärgern.“ Ich schob ihm meinen Hintern entgegen, sodass sein Kinn in der Spalte der Pobacken zu liegen kam. Damit hatte ich seinen Kopf fixiert. Er konnte ihn weder aufrichten noch zu Seite drehen. Nach vorne gebeugt, drückte ich meine Brüste fest gegen sein Abdomen, während ich mit zwei Fingern der linken Hand seine Haut straffte und mit der Rechten zu rasieren begann. Ich schabte und kratzte, wischte das Schaum-Haar-Gemisch in meinen Oberarm. Wanderte weiter dorthin, wo der Rasierer noch nicht diese feine Haut hervorgezaubert hatte. Schließlich war ich fertig und stieg von ihm wie von einem Pferd, auf das ich mich aus Versehen verkehrt herum gesetzt hatte.
Der Hauch eines erleichterten Dankeschöns kam aus seinem Mund. War doch gerne geschehen. Seine Fesseln lösend, stiefelte ich mit Seife, Pinsel und eingeklapptem Rasiermesser nach unten ins Bad. Als ich mich im Weggehen noch einmal umwandte, sah ich, wie Hans prüfend seinen Penis, dieses Prachtstück, das ich nie im Leben verletzen könnte, auf Schnittwunden untersuchte. Er drückte ihn, zog ihn in die Länge, verbog ihn. Nirgends konnte er auch nur das kleinste Tröpfchen Blut entdecken. In seinem Gesicht sah ich, dass er ernsthaft überlegte, vielleicht doch in Zukunft von gefährlichen Praktiken dieser Art Abstand zu nehmen. Wäre vielleicht eine vernünftige Idee für einen Zweiundzwanzigjährigen, wenn er seine Männlichkeit noch etwas behalten wollte. Meine Gedanken konnte er ja Gott sei Dank nicht lesen.
Wie viel er mir schuldig sei, wollte er wissen, als er bereits wieder angezogen, mit seinem Hut in der Hand in der Tür zur Stube stand.
Einmal rasieren. So wie immer. Er zählte mir ein paar Münzen in die Hand.
Das sei viel zuviel, sagte ich. Ob er vorhätte, mich zu beleidigen.
Es handle sich dabei nur um eine kleine Zulage für meine ruhige Hand, meinte er, und konnte dabei schon wieder lachen. Dann küsste er mich auf beide Brustwarzen, die noch immer aus dem Korsett schauten wie rote Luchsaugen. Zum Abschluss noch auf den Mund.
Ob wir uns nächste Woche wiedersähen? Ich musste schmunzeln. Ich weiß, gemeine, hinterhältige Frage.
Äh ... er schien zu überlegen. Ja, kam es dann auch prompt, ohne weitere Verzögerung. Sollte er jemals etwas Gegenteiliges erwogen haben, blieb es wohl von kurzer Dauer. Dann sei es ja gut. Nächste Woche sei vermutlich sein Bart soweit. Ich entriegelte die Tür und entließ ihn in die Nacht.
Kapitel 4
Gleich am nächsten Morgen rief Joe Sandra an. Zehnmal ließ sie es läuten, doch die Angerufene hob nicht ab. Joe hinterließ eine Nachricht, in der sie um Rückruf bat. Vibrierend lag ihr Smartphone auf dem Schreibtisch, als sie gerade damit beschäftigt war, das kalte Ende ihres Stethoskops in den fleischigen Rücken eines Patienten zu drücken. „Sie können sich wieder anziehen, Herr Meyer.“ Dann nahm sie den Anruf an.
„Sandra“, sagte das Mobiltelefon lakonisch. „Du wolltest mich sprechen?“
„Ich wollte dich fragen, ob du nächstes Wochenende, Samstag oder Sonntag, Zeit hast? Ich muss mit dir reden.“
Ein Seufzen kam aus dem Lautsprecher. „Nächstes Wochenende ist ganz schlecht. Da bin ich in Wien. Da spielt am Samstag Nick Cave im Gasometer und anschließend übernachte ich bei einer Freundin. Schätze, wir werden auch ein paar Lokale im Bermudadreieck abklappern.“
„Verstehe“, meinte Joe und war sich gleich darauf nicht sicher, ob sie tatsächlich verstand. Hieß das nun, trinken bis zur Bewusstlosigkeit, Typen aufreißen und in die Wohnung der Freundin abschleppen oder schlicht und profan, dass sie ein paar Lokale im Bermudadreieck abklappern wollten? Wer konnte das schon sagen. – „Und Sonntag? Wann wirst du wieder unter den Lebenden sein?“ Joe war der interessierte Blick ihres Patienten nicht entgangen. „Du kommst zu mir – ich muss leiser reden, hab grad einen Patienten – ich koche Spaghetti und dazu gibt’s Rotwein.“
Schweigen rauschte durch den Äther. „Gut, wenn dir so viel daran liegt“, piepste der Lautsprecher.
Joe gab Sandra noch ihre Wohnadresse. Sonntag, dreizehn Uhr sollte zu schaffen sein. Sie beendete ihr privates Telefonat während der Arbeitszeit und wandte sich wieder ihrem Patienten zu, der mittlerweile komplett angezogen und steif wie eine Kerze auf dem Sessel vor ihrem Schreibtisch Platz genommen hatte. „Herr Meyer“, sagte sie mit allem ihr zur Verfügung stehenden Ernst, „in Ihrer Lunge rasselt es wie im Kettenkasten eines alten Segelschoners. Ich verschreibe Ihnen etwas zum Einnehmen und etwas zum Einreiben, und bitte verwechseln Sie die beiden Medikamente nicht wieder. Orale Anwendung bedeutet Einnahme durch den Mund, nicht hinter dem Ohr in die Haut einmassieren. Alles klar?“
Herr Meyer nickte, als wäre ihm das schon die gesamte Zeit über klar gewesen.
Noch eine freundliche Verabschiedung, ein gewinnendes Lächeln, dann war der Patient entlassen – bis zum nächsten Mal.
Manchmal, während dieser nicht enden wollenden Grippephasen, wenn die eine ohne Unterbrechung in die nächste überzugehen schien, war er schon mühsam, ihr Job. Eintönig und mühsam. Was ihr normalerweise Spaß machte, der Umgang mit den Patienten, wurde dann zur Qual. So hieß es weiterkämpfen, bis der letzte Grippevirus besiegt und in der Ordination wieder Platz für die interessanten Fälle war.
Noch ehe die Wohnungstür ins Schloss gefallen war, entledigte sie sich ihrer Schuhe, schleuderte ihre Handtasche auf die Garderobe, wo diese auch einen kurzen Moment liegenblieb, ehe sie zwischen Turn- und Halbschuhen am Fuß der Kleiderablage landete. Montag war immer ihr schlimmster Tag. Da suchten sie vormittags und nachmittags die Quälgeister in ihrer Ordination heim. Nachdem sie sich zur Beruhigung ein Bier genehmigt und ein Bad zwecks Entspannung genossen hatte, wandte sie sich ihrer allmontäglichen Abendmasturbation zu. Aufgewühlt und unverständlich stand sie dem Faktum gegenüber, dass sie an diesem Abend schneller und heftiger kam als üblich, obwohl sie an der Art Hand an sich zu legen, nichts geändert hatte – zumindest nicht seit dem Vortag. War es an diesem Tag anders, weil ihr ständig Bilder dieses Magazins durch den Kopf geisterten?
Vielleicht solltest du es einmal mit einem Knebel probieren, Joe.
Ausgesprochen witzig.
Todmüde