Der Terror in mir. Nina Saro. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Nina Saro
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844240382
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in mir eher Angst wenn nicht sogar Panik auslöst als Vorfreude. Diese Gedanken haben mich selbst erschreckt, das kannst du mir glauben, aber ich konnte und kann sie nicht verdrängen, sondern muss mich ihnen stellen. Ich verstehe, wenn du jetzt beim Lesen wütend wirst, und ich sehe dich direkt vor mir, aber ich möchte jetzt einfach nur ehrlich sein und hoffen, dass du mich dann ein bisschen verstehst. Du hast schon seit längerem behauptet, mich mehr zu lieben als ich dich. Ich habe das immer bestritten, wollte dich glücklich machen, mit dir leben und alt werden. Jetzt weiß ich, dass du Recht hattest. Jetzt, da ich ein Gefühl kennengelernt habe, was so stark, so intensiv ist, wie ich es mir nie vorstellen konnte, weiß ich das. Kai, du musst mir glauben, ich habe nicht nach einem Abenteuer gesucht, auch nicht nach einem anderen Partner, es ist einfach so passiert. Du kennst ihn nicht und ich möchte auch solange du so weit weg bist, nicht mehr über ihn Preis geben, aber durch ihn habe ich Dinge über mich erfahren, die ich vorher nicht kannte und die mich selbst erstaunen. Ich möchte dich so sehr bitten mir zu verzeihen, aber bitte glaube mir, ich kann und möchte dich nicht anlügen, auch wenn ich mir durchaus darüber bewusst bin, das dies garantiert nicht der ideale Zeitpunkt ist, dich zu verlassen. Bitte Kai versuche mich zu verstehen, du bist der, der schon immer ahnte, dass du unsere Liebe mehr lebst als ich. Jetzt hat sich diese Ahnung bestätigt und das tut mir sehr sehr Leid für dich. Aber bitte, ich weiß du bist stark, du wirst es schaffen und wenn du nach Hause kommst, reden wir. Bitte ruf mich die nächsten Wochen nicht an, auch keine E-mails, lass es einfach erst mal sacken, wir reden später. Verzeih mir, ich habe wirklich geglaubt meine Liebe zu dir reicht für ein Leben Sandra Kai lag auf dem Rücken, der Brief sank auf seinen Bauch und Tränen liefen ihm über das Gesicht. In seinem Kopf schwirrte es und er hatte Mühe, seine Gedanken zu ordnen. Sandra, verdammt, wie kannst du mir das antun und wer zur Hölle ist der Typ. Sitzt dick und breit in Deutschland und spannt mir meine Frau aus, während ich mir hier den Arsch aufreiße und die Freiheit Deutschlands auch am Hindukusch verteidige. Toller Spruch! Hilft mir gerade ungemein weiter. Wenn diese Scheiße hier nicht wäre, hätte meine Frau auch keinen anderen Kerl, oder? Er wusste nicht mehr was er fühlen und denken sollte. Er spürte nur, dass Wut in ihm aufstieg, eine Wut die sich mehr gegen seinen Beruf und seinen Einsatz hier richtete als gegen seine Frau. Er fühlte sich so ohnmächtig, so völlig hilflos und zum Nichtstun verdammt. Er saß hier noch für 9 Wochen fest, konnte nicht um seine Frau kämpfen, konnte noch nicht einmal den Mann kennen lernen, der ihm seine Sandra geraubt hatte. Und dann diese unverschämte Aufforderung von ihr, nicht mit ihr in Kontakt zu treten, alles erst mal „sacken zu lassen“. Hatte sie auch nur die geringste Vorstellung davon, wie es hier war. Bislang hatte ihn die Vorfreude auf eine kleine Familie täglich neu motiviert, denn jeder Tag der verging, brachte ihn diesem Ziel näher. Wenn er draußen auf Patrouille war, hatte er immer ein Bild von Sandra in seiner Schutzweste und bekam er ein mulmiges Gefühl, so legte er die Hand auf diese Stelle und dies gab ihm Kraft. Bei dem Gedanken daran stand er auf, ging zu seiner Weste und nahm das Bild heraus. Sandra lächelte ihn an, ihre blauen Augen leuchteten, ihr mittellanges Jahr war zum Zopf gebunden. Sie sah glücklich aus. „Alles nur ein fake, oder was soll ich jetzt glauben?“, Kai war in seiner verzweifelten Wut kurz davor, das Photo einfach zu zerreißen. Er hielt es schon in seinen beiden Händen zum Zerstören bereit. Im letzten Moment hielt er inne, besann sich anders und verstaute das Bild zurück an seinem Platz. „Egal was du denkst und fühlst, liebe Sandra, du hast mich schwer getroffen und vielleicht habe ich dich für immer verloren, aber jetzt und hier werde ich eine Trennung nicht akzeptieren, ich liebe dich und solange ich keine Möglichkeit habe, um dich zu kämpfen, wird sich daran auch nichts ändern. Jetzt nur nicht die Nerven verlieren, nichts wird so heiß gegessen wie es gekocht wird, zuhause können wir reden, zuhause wird sich manches klären und bis dahin wirst du mir weiter beistehen, ob du nun willst oder nicht!“. Er hängte die Weste zurück an seinen Platz und ging zurück zu seinem Bett. Heute würde er es nicht mehr verlassen, sollten die anderen doch denken was sie wollten, er hatte keine Lust mehr auf ein gemeinsames Abendessen und den geplanten DVD-Abend, nein, er wollte nur noch seine Ruhe haben, abschalten, schlafen und einfach nicht mehr nachdenken. Für heute war es genug. In den folgenden Tagen war allen die Veränderung ihres Kameraden aufgefallen, er wich aber allen Gesprächen aus und ließ keinen an sich heran. Er zog sich zurück wann immer es ging, machte Dienst nach Vorschrift, ging darüber hinaus aber jeglicher Kontaktaufnahme aus dem Weg. Jeder ahnte, dass seine Veränderung nur mit einer Hiobsbotschaft aus der Heimat zu tun haben musste, denn hier vor Ort war es im Moment eher ruhig und es hatte keine besonderen Vorkommnisse gegeben. Lars war ehrlich besorgt und suchte nach einigen Tagen das Gespräch mit Kai. Kai reagierte völlig genervt auf die Frage nach seinem Befinden und unterstrich damit die Vermutung, dass etwas völlig im Argen lag. „Lasst mich doch einfach alle in Ruhe, kann man denn nicht einfach mal schlechte Laune haben?“ Sein Ton war ungewohnt heftig, er drehte Lars den Rücken zu und wollte verschwinden. „Schlechte Laune haben darf jeder“, antwortete Lars, „da brauchen wir wohl nicht zu diskutieren, schlimm ist nur, wenn sie nicht mehr verschwindet und man deutlich sieht, dass es dem Betroffenen einfach nur schlecht geht. Für schlechte Laune, und ich glaube damit untertreibst du in deinem Zustand maßlos, gibt es immer einen Grund. Also komm, lass es raus, egal was es ist, es bleibt unter uns und vielleicht geht es dir einfach besser, wenn du darüber reden kannst“. Kai drehte sich um und blickte Lars gequält an: „Lars, ich weiß du meinst es ehrlich und ich vertraue dir, aber ich kann nicht darüber reden. Mir kommt es vor, wenn ich es ausspreche, ist es nicht mehr ein Albtraum der mich zermürbt sondern die nackte bestätigte Wahrheit. Ich kann nicht!“ „Aber wie willst du weiter machen, warten, dass das was dich bedrückt einfach wieder so aus deinem Leben verschwindet wie eine Gewitterwolke am Sommerhimmel. Du weißt, dass dies nicht funktioniert. Du kannst viel mit dir alleine ausmachen, aber im Moment geht es dir offensichtlich so schlecht, dass du Hilfe brauchst. Ich bin nicht hier, weil ich mich an deinem Elend erfreuen will oder eine gute Story brauche, damit die anderen eine Abendunterhaltung haben, ich bin hier damit es dir besser geht, also komm schon pack aus.“ Lars spürte, dass seine Worte in Kai etwas auslösten, aber zu diesem Zeitpunkt konnte er noch nicht einschätzen, ob er die um sich errichtete Mauer fallen lassen würde, oder nicht. So war er auch erstaunt als Kai einfach nur sagte: „Komm mit!“. Lars folgte Kai in dessen Unterkunft und beobachtete ihn wie dieser einen Brief aus seinem Nachttischchen nahm und ihn Lars zögernd überreichte. „Lies selbst, dann wirst du mich verstehen, ich kann nicht darüber reden, aber du hast recht, es mit niemandem zu teilen, bringt mich um.“ Er ließ sich aufs Bett fallen, stützte seinen Kopf in seine Hände und erstarrte förmlich in dieser Haltung. Lars hielt den Brief in seinen Händen, unschlüssig, ob er ihn wirklich lesen sollte, denn bei einem Blick auf den Absender war ihm bereits klar, was ihn erwarten würde. „Kai, wenn du dir wirklich sicher bist, dass ich diesen Brief lesen soll, dann werde ich es tun, aber um ehrlich zu sein mir wäre lieber du würdest mir sagen was darin steht“. „Nein, verdammt noch mal, lies diesen Brief, ich bitte dich darum und dann sehen wir weiter“. Lars setzte sich neben Kai auf das Bett. Ihm war nicht ganz wohl in seiner Haut, denn wie sollte er wissen, ob Sandra damit einverstanden wäre. Doch blieb ihm eine andere Wahl? Kai würde nicht reden, da war er sich sicher und wenn er helfen wollte, so musste er dem Wunsch seines Freundes folgen. Langsam faltete er das Blatt auseinander und las. Minutenlanges Schweigen folgte. Kai verharrte in seiner Haltung und Lars fehlten einfach die Worte. Das Gelesene hatte ihn tief getroffen, Ängste in ihm aufgerissen und ihn unfähig gemacht zu agieren. Er fragte sich, wie er reagiert hätte, wenn ein solcher Brief an ihn gerichtet gewesen wäre, wenn seine geliebte Claudia ihm eine solch niederschmetternde Mitteilung gemacht hätte. Jetzt konnte er Kais Verhalten der letzten Tage nicht nur verstehen sondern er bewunderte ihn sogar dafür. Wie hatte er nur täglich seinen Dienst tun können, ohne zusammen zu brechen, wie hatte er nur die lockeren Sprüche seiner Kameraden, besonders die von Torsten aushalten können, ohne um sich zu schlagen, wie konnte er überhaupt einfach weiter arbeiten, ohne den Wunsch zu haben zu desertieren. Lars realisierte, dass Kai ihm in gewisser Weise sehr ähnlich war und diese Erkenntnis half ihm auch nach einer Weile der Sprachlosigkeit ein gutes Gespräch mit ihm zu führen. Auch in den folgenden Wochen kamen sie noch häufiger zusammen und tauschten sich aus. Lars wusste, dass er Kai keine Lösungsvorschläge geben konnte, aber er konnte versuchen ihm beizustehen und ihm zuzuhören, wann immer Kai es wünschte. Auch jetzt, wo die Heimkehr unmittelbar bevorstand, tat Kai ihm unendlich Leid. Es war wie eine Ironie des Schicksals, dass Kai seinen Container mit dem 27jährigen Jan teilen