Aurel Levy
Abgeflogen
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AUREL LEVY
ABGEFLOGEN
ROMAN
www.avila-verlag.de
Copyright © Aurel Levy, 2011
Copyright © AVILA Verlag, Soyen, 2011
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Umschlaggestaltung: Juliane Grojer, München
Für meine 3 Frauen
PROLOG
Lebende Karpfen haben in einer Badewanne nichts verloren. Nicht mal ausnahmsweise. Da bin ich ganz Carolas Meinung. Man kann sich schlecht dazusetzen. Karpfen haben die miese Angewohnheit, an allem herumzulutschen. Sie sind glitschig, bisweilen schleimig. Reinigungseffekt gleich null. Und duschen geht auch nicht. Karpfen mögen kein Duschgel.
Die Stimmung bei Seizingers war etwas angespannt, als ich zu Besuch kam. Eingeladen hatte mich Elfi, damals noch Frau Seizinger. Ich sollte früher kommen. Sie würden zusammen den Baum schmücken, bei Plätzchen und Glühwein. Ob ich Lust hätte? Klar hatte ich Lust, warum nicht.
Doch hier lauerte der erste Fallstrick. Erwin Seizinger bezeichnete das Friede-Freude-Eierkuchen-Baumschmücken vor versammelter Mannschaft als Weiberkram. Ob ich ihm nicht lieber mit den Fischen helfen wollte! Ich war nicht sicher, was er damit meinte, war aber hin- und hergerissen. Zum einen wollte ich den Hausherrn nicht brüskieren, zum anderen hatte mich eigentlich seine Frau eingeladen. Carola hatte normalerweise zu allem einen Kommentar. Diesmal nicht. Sie blickte beharrlich zur Seite, flankiert von Elfriedes »Geht ihr nur, wir kommen schon zurecht«.
Ich folgte Erwin in die Küche. Dort hatte er ein großes Plastikbrett vorbereitet. Darauf lag ein Messer, wie es Indianer zum Skalpieren verwenden, sowie ein Mini-Baseballschläger aus Hart-Gummi. Erwin forderte mich auf, die Eierlikörflasche aus dem Kühlschrank und zwei Gläser aus der Vitrine zu nehmen und ihm zu folgen. Mir schwante Übles. Im Badezimmer erkannte ich die sich anbahnende Tragödie. In der Wanne schwammen, freundlich lächelnd, zwei dicke, fette Karpfen.
Der alte Seizinger schenkte den Eierlikör ein und prostete mir zu. Dann erklärte er, dass Karpfen sich unbedingt mehrere Tage in klarem Wasser freischwimmen müssten. Nur so sei garantiert, dass das Fleisch seinen modrigen Nachgeschmack verliere. Außerdem, fügte er hinzu, käme es dem Familienzusammenhalt zugute, nicht jeden Tag stundenlang im Bad zu verbringen. Er habe als Student schließlich auch nur einmal in der Woche geduscht. Das härte ab und schaffe Freiräume für die wichtigen Dinge im Leben.
Erwin krempelte die Ärmel seines einwandfrei hellblauen Hemdes hoch und beugte sich über die Wanne. Als er die Hände ins Wasser steckte, kam Leben in die Bude. Offenbar hatten auch die beiden Karpfen begriffen, dass diese Weihnachten unrühmlich enden könnten. Der Zeitpunkt war gekommen, um ihr schuppiges Leben zu schwimmen. Binnen Kürze hatte sich die Wanne in einen brodelnden Hexenkessel verwandelt. Die Fische schlugen mit allen Flossen und zappelten mit Erwins riesigen Pranken um die Wette. Von meiner Warte sah ich wenig mehr, als dass Carolas Vater einige Probleme zu haben schien, der Lage Herr zu werden. Ich rief ihm zu, ob es nicht sinnvoller sei, einfach den Stöpsel herauszuziehen. Er brüllte etwas von »nicht waidmännisch« und dass er schon ganz andere Kaliber fertiggemacht hätte. Schließlich schaffte er es tatsächlich, einen der beiden Karpfen aus dem Wasser und auf das Plastikbrett