Die Kolonne geht weiter, keiner der anderen Heats nimmt sie zu Kenntnis. Sie verlassen den Dom, gehen weiter durch Tunnel, durchqueren weitere Dome und gelangen schließlich in eine Felsenhöhle, die besonders hell erscheint. Hier glänzen Bergkristalle im Fels, reflektieren matt die wenigen Lichtstrahlen, die sie empfangen. Die gesamte Höhle ist von einem merkwürdigen Schein erfüllt, der noch durch einen wabernden Dunst getrübt wird. Hier stehen und sitzen etliche Heats in Gruppen und auch einzeln herum, die sofort auf die Kolonne aufmerksam werden und die Köpfe den Ankommenden zu wenden. Anea kann das an den verhalten glimmenden Vertiefungen erkennen.
Diese Heats wirken anders. Sie tragen helle Steine auf der Brust, die in Höhe der Schultern breit angeordnet sind und zur Mitte des Körpers keilförmig zulaufen. Andere tragen einen oder mehrere Steine am Kopf, die den Schein des spärlichen Lichts glitzernd zurückwerfen. Einer dieser Kopfsteinträger tritt nach vorne, die Kolonne hält an. Der Anführer, der Anea ansprach, berichtet fauchend, knisternd.
Anea versteht das Gesagte.
„Diesen Eindringling haben wir in Sektor Zchi aufgenommen. Einen Eindringling in dieser Form haben wir noch niemals gesehen. Er sagt, er sei geschickt worden, um Frieden zwischen Heats und Colds zu schaffen. Von wem er geschickt wurde, konnte er nicht sagen. Wir haben ihn mitgebracht, damit er diesen Umstand unseren Weisen erklären kann.“
„In Sektor Zchi?“, knisternd faucht der Angesprochene zurück, „Soweit konnte der Unbekannte vordringen, ohne dass er ihn daran gehindert habt?“
„Wir haben ihn bei seinem Aufstieg beständig beobachtet. Er ist allein und auch kein Cold. Er stellt keine Gefahr dar“, erklärt der Kolonnenführer.
„Ob er eine Gefahr darstellt, diese Bewertung überlass uns. Das ist nicht deine Aufgabe. – Was hat der Eindringling gesagt, er wolle Frieden stiften zwischen den Heats und Colds?!“
Die umstehenden Heats zischen knisternd. Lachen sie?
„Wer hat dich damit beauftragt?“, wendet sich nun der Wortführer an Anea.
„Der Creator übertrug mir diese Aufgabe, und ich werde sie erfüllen.“
Die Heats verstehen Anea. Das zischende Knistern wird lauter.
„Wie willst du das tun?“
„Das weiß ich nicht, aber die Stimme wird es mir sagen, wenn es soweit ist.“
„Welche Stimme?“
„Die Stimme, die manchmal zu mir spricht.“
„Du scheinst ein Fall für unsere Priesterweisen zu sein. Aber vielleicht bist du ein Spion, geschickt von den Colds, um uns auszuforschen. Bist du ein Spion?“, fragt der Heat mit dem glitzernden Stein im Kopf mit lautem Zischfauchen.
Was ist ein Spion? – Nein, sie ist kein Spion.
„Nein, ich bin kein Spion“, sagt sie.
„Du bist ein getarnter Kundschafter, geschickt getarnt, um uns auszuforschen, zu sehen, wie wir uns auf den nächsten Ansturm der Colds vorbereiten. Gib es zu und wir verschonen dich.“
„Ich bin gekommen, um Frieden zwischen euren Völkern zu stiften. Nichts anderes ist der Grund“, sagt Anea.
„Ja, ja, das wissen wir jetzt, aber es gibt keinen Frieden zwischen uns, niemals“, sagt der Wortführer, und zu einem anderen Heat gewandt: „Ruf den Ersten Priesterweisen herbei.“
Es dauert eine Weile, bis der Erste Priesterweise erscheint. Ihm wird berichtet; der Wortführer fragt ihn:
„Hast du jemals eine Erscheinung in dieser Form gesehen?“
„Noch niemals. Wir kennen nur einige Kreaturen, die in den Bergen leben. Die kleinen Kreaturen leben von Wurzeln, sie sind zahlreich. Die größeren nehmen die kleinen als Nahrung, sind aber weniger zahlreich. Aber eine Erscheinung in dieser Art, ist mir auf meinen Wanderungen nicht begegnet“, stellt der Priesterweise fest.
„Wo kommst du her? Wo ist deine Welt?“, fragt er Anea.
„Ich komme aus der Welt, die hinter den Bergen liegt, aus dem Wald. Ich bin viele Sonnenaufgänge gelaufen, um zu euch zu gelangen.“
„Es gibt keine Welt hinter den Bergen. Ich bin selbst viele Male, viele Sonnenaufgänge gewandert, und habe nie etwas anderes gefunden als die Berge. Unsere Welt ist umschlossen von der Welt der Colds, und die ist für uns undurchdringlich.“
„Dann täuscht dieses Wesen etwas vor, was es nicht gibt. Es muss ein Kundschafter der Colds sein“, stellt der Wortführer fest.
Der Erste Priesterweise geht um Anea herum, betrachtet die fremde Erscheinung von allen Seiten, von Kopf bis Fuß.
„Es ist glatt, trägt Farbe, aber nicht die Farbe der Colds, und besitzt eine seltsame Fratze als Gesicht, einen komischen Pelz an der höchsten Stelle. Es ist kaum anzunehmen, dass die Colds eine Tarnung dieser Art erschaffen würden.“
„Aber wenn unsere Feinde das nicht können, wer soll es sonst können. Und warum?“
Kein Heat gibt eine Antwort auf diese Frage.
„Warum machen wir eine schwierige Sache aus dieser Angelegenheit? Wir werfen den Eindringling in das steinerne Wasser!“, faucht einer der umstehenden Heats.
Der Priesterweise hebt eine seiner unförmigen Extremitäten.
„Ich schlage vor, wir machen einen Test. Wenn es ein Kundschafter der Colds ist, wird es zergehen. Dann wissen wir es genau.“
Und er schildert, wie dieser Test ausgeführt werden soll. Der Wortführer winkt einige Helfer herbei, der Priesterweise erteilt ihnen Anweisungen. Anea soll sich in eine Ecke setzen, wird ihr angedeutet. Die Heats fahren mit ihrer Diskussion und Unterhaltung fort. Niemand nimmt von dem unbekannten Wesen Notiz, bis eine Gruppe von mehreren Heats die Höhle betritt und dem Priesterweisen Bericht erstattet. Sie fordern Anea auf mitzukommen, führen sie durch verwinkelte Gänge, auch der Priester ist dabei, bis sie eine kleine Felsenkammer erreichen, die Anea betreten soll. Eine dunkle Kammer, die nur schwach durch einen Lichtschein aus einem Bodenkanal, der am Rand der Kammer entlangläuft, erhellt wird. Die Heats lassen Anea zurück, der Eingang wird knirschend verschlossen, Anea ist gefangen.
Nach einer Weile wird der Schein aus dem Kanal heller, eine glucksende wabernde Masse drückt von außen in den Kanal und lässt den Inhalt steigen. Das Licht dieser zäh fließenden Masse wird immer heller, steigt aber nicht über den Rand der Rinne, umschließt die Standfläche von Anea. Das matte Licht dieses Stoffs erleuchtet die Höhle. Anea schaut in diese blassrote bis hellgelbe, blubbernde Masse. Sie kniet nieder, magisch angezogen von diesem Etwas, streckt die Hand aus und empfindet etwas Seltsames, etwas, das sie bisher nie wahrnahm. Etwas geht von diesem hellroten Brei aus, sie spürte es in der Hand, es ist gefährlich, es wird ihr schaden.
Sie zieht die Hand zurück, die Wahrnehmung lässt nach. Sie streckt die andere Hand aus, das gleiche Ergebnis. Je näher sie diesem Brei kommt, umso stärker wird die Wahrnehmung von Gefahr. Sie legt die Hand wieder an den Körper. Bald nimmt sie die Gefahr am ganzen Körper wahr. Diese blubbernde Masse birgt nicht nur Licht, sie birgt noch etwas anderes, ihr Fremdes, etwas, was sie bisher nicht kannte.
Die Wahrnehmung wird immer stärker, sie drückt von allen Seiten auf ihren Körper, ein unsichtbarer Feind, dem sie nichts entgegensetzen kann. Sie empfindet bereits eine Art Lähmung und ihr Instinct-File zwingt sie zur Bewegungslosigkeit.
Das