Endlich nach einer äußerst anstrengenden Stunde der Hinweis auf eine Rest Area, auf der wir uns bei Kuchen und Sprite allmählich vom ständigen Starren auf die Straße erholten. Dann war der ganze Spuk vorbei, und nur mehr oder minder hohe Sandverwehungen zeugten noch von dem Spektakel. Unser linker Blinker schien etwas abbekommen zu haben, jedenfalls funktionierte er nicht mehr, auch das noch! Auf der Tankstelle in Yuma, dem ersten größeren Ort direkt hinter der Grenze in
- ARIZONA -
konnte man ihn nicht reparieren, also weiter mit linker Hand aus dem Fenster, wenn nötig. Auf wechselnden Highways und Interstates erreichten wir gegen 6 p. m. unser Tagesziel,
- Phönix -
die Hauptstadt Arizonas. Die in unseren Unterlagen am Stadtrand ausgewiesenen zwei Campgrounds waren auch nach mehreren Rückfragen nicht aufzufinden, wir fuhren kreuz und quer durch die quadratisch angelegten Straßen, die niedrigen Einfamilienhäuser ähnelten sich wie ein Ei dem anderen, keine Menschenseele auf der Straße. Zuletzt stellten wir uns entnervt neben ein hübsches Blumenbeet auf dem großen Parkplatz eines Einkaufzentrums, das erstaunlicherweise schon seit 7 p. m. geschlossen hatte.
Um 10 p. m. Uhr lagen wir bereits todmüde in unserem bequemen Doppelbett, das Licht war aus, als kurz darauf ein Auto mit quietschenden Reifen direkt neben uns hielt. Ein ganz vorsichtiger Blick durch die Vorhänge, ein Policeman umrundete unseren Wagen, o je, jetzt gab’s Ärger! Aber nein, wir hatten Glück, er war einer der Wenigen von der friedlichen Spezies. Nachdem er sich von unserer Ungefährlichkeit überzeugt hatte, zog er wieder ab, und wir konnten endlich in den wohlverdienten Schlaf sinken, aus dem wir leider um 6 a. m. abrupt gerissen wurden durch den Höllenlärm einer Kehrmaschine, die fast auf Kollisionskurs ging, außerdem sorgte ein automatischer Sprenger auf dem Blumenbeet für eine kostenlose einseitige Wagenwäsche, nach dem gestrigen Sandsturm bildeten sich hübsche Rinnsale.
Zum Frühstücken suchten wir uns schleunigst einen etwas ruhigeren Platz. Danach fragten wir uns zunächst zu einer Chevrolet- Service-Station durch, die uns Gott sei Dank den Blinker sofort reparierte, so dass wir beruhigt bei wieder strahlendem Sonnenschein zu einem Kurztrip in das Zentrum aufbrechen konnten, das allerdings kaum Sehenswürdigkeiten im klassischen Sinne bietet. In Bahnhofsnähe stießen wir auf den historischen Stadtkern, wo einige hübsch renovierte Fassaden von heute privat genutzten Häusern noch etwas vom Flair vergangener Tage vermitteln. Als Kontrast recken sich die schwarz glänzenden Türme des supermodernen Arizona Centers in den Himmel, daneben im Schatten der Hochhäuser gleich einem musealen Relikt die zartrosa getönte St. Mary’s Basilica.
Da uns eines der größten Highlights unseres Urlaubs, der unvergleichliche
- Grand Canyon National Park -
der für diesen Tag auf dem Programm stand, magisch anzog, drehten wir Phönix verhältnismäßig schnell den Rücken, verließen die Wüstenregion in nördlicher Richtung und tauchten ein in dichtes Waldgebiet, ab und zu unterbrochen durch kleine mehr oder minder gepflegte Ortschaften mit den typischen überwiegend weißen niedrigen Holzhäusern, im Ortskern ist die Hauptdurchgangsstraße stets gesäumt von aneinander gereihten kleinen Läden, bunte Reklame, so weit das Auge blickt. Je näher wir unserem Ziel kamen, desto öfter winkten die schneebedeckten Gipfel der Rocky Mountains herüber. Nach dem Eintreffen in der gemütlichen Universitätsstadt Flagstaff, wo wir unsere gewohnte, von uns sehr geschätzte Kuchenpause einlegten, hatten wir etwa 2/3 der 225 Tagesmeilen geschafft (in den USA wird die Entfernung in Meilen angegeben, 1 Meile = 1.609 km) Je weiter wir vorankamen, desto dramatischer gestaltete sich die Landschaft. Mit dem etwa 3.800 m hohen Humphreys Peak nordöstlich von Flagstaff war der höchste Punkt Arizonas erreicht.
Dann endlich lag es vor uns, das fast zum nationalen Heiligtum erhobene Naturwunder, der Grand Canyon, seit 1979 zum Weltnaturerbe der UNESCO gehörend. Wir hatten sofort den nächsten sich uns bietenden Aussichtspunkt am South Rim Drive, eine direkt am Canyonrand entlangführende Straße, den Mather Point, angesteuert, dank der vielen angebotenen Behindertenparkplätze sofort unser Mobi abstellen können und blickten nach ein paar Schritten erschauernd auf das sich uns darbietende grandiose Panorama. Keine noch so faszinierende Beschreibung kann den Besucher auf das Ausmaß der gigantischen Schlucht vorbereiten. Die atemberaubende Weite und Tiefe dieses Canyons, seine unbeschreibliche Schönheit, seine bizarren Formen und Farben, von ockergelb, graublau über Rot in allen Tönen bis Violett in der Sonne leuchtend, ließen uns vor Ehrfurcht erstarren, eine schmerzhafte Gänsehaut zog sich von den Zehenspitzen bis in die Haarwurzeln.
Laut Meinung der meisten Geologen gräbt (fräst) sich der Colorado River seinen gewundenen Weg seit ungefähr 6 Mio. Jahren durch das mehr oder minder harte Gestein und hat im Laufe der Zeit eine klaffende Schlucht von 450 km Länge und 6 bis 29 km Breite geschaffen, bis zu 1.600 m tief fallen die Wände am Südrand hinunter zum sich wie ein dünner Faden dahinschlängelnden Fluss. Er arbeitet heute an etwa 1,8 Mrd. alten Granitschichten, also breitet sich ein unvorstellbarer Abschnitt der Erdgeschichte vor den Augen des überwältigten Besuchers aus.
Nur sehr schwer konnten wir uns losreißen, aber da die Uhr schon 5 p. m. zeigte, wurde es Zeit, sich um einen Platz zu kümmern. Die Campgrounds im Grand Canyon Village waren alle restlos belegt, also zurück zur Haupteinfahrt, dort hatten wir endlich Glück, d. h., was die Stehmöglichkeit anbelangte; der Versuch, einmal wieder zu dumpen, schlug fehl, das was wir schon von Anfang an befürchtet hatten, passierte, der starre Plastikschlauch brach, als wir ihn anschließen wollten. Was jetzt? Es war schon 6.30 p. m., wo sollten wir eine noch offene Werkstatt finden? Wir fanden schon nach kurzer Zeit und auch einen netten Monteur, der sich bereitwillig an die sich als sehr schwierig herausstellende Reparatur machte. Die üblichen Fragen wurden gestellt: „Where are you from and where are you going?“ Dann empfahl er uns einen Film im nahe gelegenen Imax, der stündlich laufen sollte.
Eine halbe Stunde später reihten wir uns in eine unendlich lange Schlange ein, danach musste der Film wirklich gut sein. Obwohl wir keinen Rollstuhl hatten, wurden wir sofort vom netten Personal ganz nach vorne geholt. Das von mir erwartete Gedränge beim Einlass blieb jedoch aus, wir mussten einen langen Gang hinter uns bringen bis zum eigentlichen Eingang, und das dauert bei uns halt ein bisschen länger. Obwohl viel Platz vorhanden war, überholte uns niemand, alle blieben brav hinter uns. Als ich mich umdrehte und eine einladende Geste machte, doch vorbeizugehen, winkte man freundlich ab: „Don’t hurry, it’s time enough!“ Sehr angenehm! Der Film war mehr als lohnenswert, ein Erlebnis besonderer Art. Auf einer überdimensionalen Leinwand wurde zunächst die Entstehungsgeschichte des Grand Canyon gezeigt, das Leben der menschlichen und tierischen Bewohner aus vergangenen Epochen bis in die heutige Zeit. Durch Kameraführung und einen irren Sound fühlten wir uns mitten in das Geschehen versetzt. In der Kanzel eines kleinen Flugzeuges sitzend tauchten wir scheinbar tief in den Canyon ein, berührten fast die steil aufsteigenden Wände, dann brachen wir uns beinahe das Genick bei halsbrecherischer Fahrt auf einem Floß durch die tosenden Stromschnellen des Colorado River. Damit noch nicht genug, zum Schluss stürzten wir uns todesmutig mit einem Drachenflieger über den Canyonrand in den gähnenden Abgrund, ein Aufschrei ging durch das ganze Kino. Wahnsinn!
Dieses Abenteuer hatte uns natürlich sehr hungrig gemacht. Wir steuerten also umgehend ein nettes Restaurant in der Nähe an. Der Wirt entpuppte sich als Deutscher und freute sich, einmal wieder deutsche Laute hören zu können. Oh Wonne, es gab Kasseler mit Sauerkraut und Kartoffelpüree, eine willkommene Abwechslung. Bei dem Dessert konnten wir auch nicht widerstehen, Milchreis mit frischen Früchten, köstlich! Nach solcherlei Genüssen kehrten wir hochzufrieden in mondbeschienener Nacht auf unseren Stehplatz zurück, wo wir schon bald dem nächsten Tag entgegenträumten.
Wieder war Petrus