Vom Hohen und Tiefen und dem Taumel dazwischen. E. K. Busch. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: E. K. Busch
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738078640
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möchte ja noch irgendwer sonst aufbrechen in den nächsten Minuten und muss in die selbe Richtung.»

      Toni schüttelte den Kopf. «Es sind nicht einmal zehn Minuten, Elena.»

      «Es sind hier aber immer wieder perverse Spinner unterwegs», erklärte diese wenig einsichtig. «Ich habe da selbst schon ein paar wirklich hässliche Momente erlebt. Also wenn du noch eine Viertelstunde warten würdest, dann....»

      Toni schien unzufrieden damit. «Das kommt überhaupt nicht in Frage, Elena. Du kannst solange bleiben, wie du magst. Ich komme schon zurecht. - Wirklich.»

      Doch dann, noch ehe Toni irgendetwas einwenden konnte, fragte Elena bereits lautstark in die Runde, ob nicht irgendwer sonst nach Hause aufbräche demnächst und Toni auf dem Weg kurz heimbringen könnte. Es wäre auch gleich um die Ecke.

      Toni blickte beschämt zu Boden.

      «Ich wollte ohnehin los», räumte Lorenz ein und Toni erschrak, weil er kaum einen Meter hinter ihr stand.

      Sie schüttelte unwirsch den Kopf und warf Elena einen vielsagenden Blick zu. «Also das ist wirklich nicht nötig. Es sind kaum fünf Minuten.»

      «Nein, wirklich», meinte Lorenz und lächelte freimütig. «Das ist keine große Sache.» Damit machte er sich bereits auf den Weg in den Flur, um seine Jacke zu holen.

      Elena schenkte Toni ein entschuldigendes Lächeln. «Er ist vielleicht nicht sonderlich sympathisch, aber wenigstens einigermaßen vertrauenswürdig.» Dann jedoch schienen sie bezüglich ebendieser Vertrauenswürdigkeit Zweifel zu überkommen und sie ergänzte: «Du kannst dich ja sicherheitshalber melden, wenn du heil angekommen bist.»

      Toni nickte missmutig und wollte sich bereits in einen widerwilligen Trott in Lorenz' Richtung versetzen, als Raphael sie für den Moment mit einem Blick zurückhielt, den sie nicht deuten konnte.

      «Also wenn du mich fragst, Toni», erklärte er dann und hob vielsagend die Augenbraue, «Der will dich bloß flachlegen heute Nacht.»

      Einen Augenblick waren Tonis Züge wie versteinert, dann schüttelte sie entgeistert den Kopf und machte sich stapfend auf den Weg zu Lorenz, der bereits wartend in der Zimmertür stand.

      «Und?», fragte er sie, als sie ihren Mantel in dem Wäscheberg hinter der Wohnungstür suchte, «Was hat er gesagt, dass du jetzt so verärgert bist?»

      «Dass du unlautere Absichten hast», erwiderte sie trocken und trat dann ins Treppenhaus hinaus, ohne sich nach Lorenz umzusehen.

      «Beunruhigt dich die Vorstellung?», fragte er, als er hinter ihr die Stufen hinab eilte. Er schien amüsiert.

      «Darum geht es nicht.» Ihr Mund war eine schmale Linie, dass sie das Sprechen anstrengte. «Mich hat sein Ton verärgert und diese Überheblichkeit mit der er sich in Dinge einmischt, die ihn nichts angehen. Abgesehen davon hat er es lediglich gesagt, um sich vor Elena aufzuspielen.»

      «Das ist jetzt fast ein wenig beleidigend.» Seine Schritte klangen laut und dumpf im Treppenhaus. «Als ob keinerlei Risiko von mir ausginge.»

      Sie warf ihm einen genervten Blick zu, dass er es einen Moment vorzog, zu schweigen.

      Als sie das Gebäude verlassen hatten und Toni ihren Mantel zuknöpfte, schien sie sich ein wenig beruhigt zu haben. Auf Lorenz' auffordernden Blick bemerkte sie schließlich: «Du bist mit Frida zusammen. Schon vergessen?»

      Er folgte ihr die dunkle Straße hinauf. Sie legte einen strammen Schritt an den Tag.

      «Also Frida und ich, wir sind kein Paar, wenn du das meinst.»

      Toni vergrub ihre nackten Hände in den Manteltaschen. Es war kalt hier draußen, obwohl sie die frische Luft genoss. Sie mochte es, wenn ihr Kopf kalt war. Sie hatte das Gefühl, es hälfe ihr beim Denken. «Es ist mir ehrlich gesagt ziemlich egal, wie du es nennst.»

      «Nein, wirklich.» Er sprach nun mit ungewohnter Ernsthaftigkeit. «Sie und ich: Das ist ein provisorisches Arrangement. Das haben wir ganz explizit miteinander ausgemacht.»

      Toni rümpfte die Nase und bog dermaßen abrupt um die Ecke, dass Lorenz sie fast aus den Augen verloren hätte. «Darf ich ganz ehrlich sein?», fragte sie dann nach einem Moment der Stille und schenkte ihm einen misstrauischen Blick von der Seite.

      «Ich hatte bisher nicht den Eindruck, dass du dich diesbezüglich zurückgehalten hättest.»

      Sie lächelte unwillkürlich auf seinen Kommentar hin. Erstaunt bemerkte sie, dass dabei ihr Kiefer schmerzte, als wäre er für lange Zeit vollkommen erstarrt gewesen.«Also abgesehen davon, dass du mit Frida zusammen bist, - auch wenn ihr dafür vielleicht eine andere Bezeichnung gewählt habt, - und es ohnehin nicht meine Art ist, flüchtige Bekanntschaften mit hinauf zu nehmen: Nach Raphaels und deinem eigenen dämlichen Kommentar vorhin wäre es mir nun geradezu unmöglich. Es ist also reine Verschwendung, mich mit diesbezüglichen Andeutungen zu nerven.»

      Er sah sie belustigt an. «Was ist das Problem mit seinem und meinem Kommentar gewesen? Es ist ja doch auch schmeichelhaft, dass er und ich dich als sexuell attraktiv wahrnehmen. Und das wohlgemerkt trotz deiner entgegengesetzten Bemühungen.»

      «Da mangelt es mir wohl an Selbstverliebtheit. - Jedenfalls bin ich mir sicher, dass er und du selbiges auch jeder anderen gesagt hättet. Mit mir hat das alles herzlich wenig zu tun. Und soll ich mich jetzt deswegen geschmeichelt fühlen? Weil ihr mich für eure plumpe Selbstdarstellung benutzt wie irgendeine Requisite?»

      Eine ganze Weile herrschte Schweigen und während Lorenz Toni von der Seite musterte, blickte diese stur auf ihren dunklen Rock hinab. Sie wollte ihm nicht ins Gesicht sehen. Der Blick seiner wachen Augen machte sie nervös. Er wirkte kein bisschen betrunken, nicht einmal müde. Offensichtlich konnte ihn die Nacht nicht einlullen und betäuben in ihrer dumpfen Dunkelheit.

      Sie gingen eine Weile schweigend. Ihn schien das nicht zu stören. Sie wusste nicht, ob er verstanden hatte, was sie zu erklären versucht hatte. Es konnte ihr auch egal sein. Das Schweigen war ihr angenehmer. Sie konnte nicht sagen, dass etwas gegen seine bloße Gegenwart auszusetzen war. Vor allem verunsicherten sie seine Bemerkungen und die uneingeschränkte Aufmerksamkeit, die er ihr zuteil werden ließ, wenn sie miteinander sprachen. Seine Aufmerksamkeit machte sie nervös und ihre Nervosität beschämte sie. Nein, sein Blick beschämte sie. Er war ein gutaussehender Mann. Das war sogar ihr aufgefallen. Vielleicht war es aber auch nur dieser selbstgerechte Habitus, der einen das glauben machte. Der feste Gang und der sichere Blick. Toni ärgerte es, dass sie sich von Derlei in die Irre führen ließ.

      Sie deutete Lorenz mit einem Nicken an, dass sie nun am Kornmarkt abzubiegen hätten in Richtung der Bergbahn. Sie besahen sich für einen Moment die Marienstatue, deren Haupt mit goldenen Sternen geschmückt war wie mit einem seltsamen Disco-Lametta. In ihrem Rücken das erleuchtete Schloss auf dem Berg. Der plätschernde Brunnen zu Füßen der steinernen Madonna war über den Winter lahmgelegt und lag nun leblos unter einem Holzkasten verborgen wie in einem Sarg.

      Toni wartete bereits ein wenig ungeduldig, so dass sich Lorenz schließlich vom Anblick der Statue losriss und ihr die Straße hinauffolgte. Toni führte ihn um einige Ecken und man fand sich schließlich vor ihrer Haustür wieder.

      «Das ist es schon», erklärte sie und sah an der düsteren Fassade hinauf.

      Er folgte ihrem Blick. «Üblich gammlig», erwiderte er ein wenig belustigt. «Aber immerhin mit Charakter.»

      Sie kramte ihren Schlüssel aus der Tasche. «Dann danke ich vielmals für das sichere Geleit.» Sie bemühte sich um ein Lächeln.

      «Nicht der Rede wert. Es lag quasi auf dem Weg. Ich hole jetzt nur noch mein Fahrrad vorne bei der Bib ab und fahre dann auch nach Hause.»

      «Hast du es noch weit?», fragte sie. Es schien ihr höflich.

      Er schüttelte den Kopf. «In Neuenheim.»

      Sie hatten sich bereits verabschiedet und er war schon einige Meter die Straße