7/4. Jack Timber. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jack Timber
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844242560
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      Jack Timber

      7/4

      Seven Four

      Imprint

       7/4 – Seven Four

       Jack Timber

       published by: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de

       Copyright: © 2012 Jack Timber

       ISBN 978-3-8442-4256-0

      Mögliche Ähnlichkeiten mit im Buch vorkommenden Charakteren sind nicht beabsichtigt und daher rein zufällig. Auch die Handlung ist frei erfunden.

      1

      „Es geht los.“

      Auf diesen Satz hatte Ali Akbar einige Jahre geduldig gewartet. Als er vor wenigen Augenblicken die Nummer von Said auf seinem Handy sah, wusste er noch nicht, dass es nun endlich soweit war.

      Said und er telefonierten ab und an und unterhielten sich über belanglose Sachen. So konnten die beiden eine unauffällige Kommunikationsbeziehung miteinander aufbauen. Ali hatte Said einige Male in letzter Zeit getroffen, aber weder am Telefon noch an öffentlichen Plätzen hatten sie dabei ein radikales Gesprächsthema gehabt. Zu groß war die Gefahr, dass einer mit lauschen würde. Seit 9/11 geriet man schnell unter Tatverdacht, wenn man nicht wie der typische Amerikaner aussah oder sich wie einer benahm. Ein zu langer Bart, eine zu dunkle Hautfarbe oder eine koschere Lebensweise ließ die Alarmglocken einiger übervorsichtigen Bürger bereits schrillen. Doch diesmal sollte das Treffen anders sein.

      „Wir treffen uns morgen am Platz 37 um 22 Uhr“, fuhr Said fort.

      „Verstanden. Bis morgen.“

      Ali Akbar verzichtete bewusst auf eine arabische Redewendung zur Verabschiedung. Man musste davon ausgehen, dass jedes Telefongespräch innerhalb der Vereinigten Staaten auf Schlüsselwörter untersucht würde. Je unauffälliger, desto besser war deshalb die Devise der beiden. Aber selbst wenn jemand auf dieses Gespräch aufmerksam geworden wäre, so hätte er das eigentliche Treffen nicht mit verfolgen können. Um sich an immer unterschiedlichen und nicht namentlich benannten Orten zu treffen, hatte Said eine einfache zweispaltige Liste angelegt. Auf dieser Liste waren 50 Orte eingetragen. Hinter der Zahl eins stand „Fisherman’s Warf Hard Rock Cafe“, neben der Nummer zwei „Star Bucks Market Street“, hinter der Zahl drei „Washington Ecke Powell Street“. So ging es bis 50 weiter. Auf der zweiten Hälfte waren Uhrzeiten einer anderen Zahlenfolge zugewiesen. Neben 22 Uhr stand 08:45 a.m. Dies war wahrhaftig kein Meisterwerk der Chiffrierkunst, für diesen Zweck aber absolut ausreichend.

      Ali wusste nun, dass er morgen nicht wie jeden Tag in die Arbeit fahren konnte. Er würde sich für diesen Tag einfach krank melden. Seine Anstellung als Fließbandarbeiter hatte ihm noch nie richtig Spaß gemacht, aber irgendetwas musste man ja machen, um in diesem Land nicht als schmarotzender Einwanderer dazustehen. Ihm war klar geworden, dass er dieser Tätigkeit nicht bis zu seinem Lebensende nachgehen würde, sondern für etwas viel Größeres bestimmt war. Dieser Gedanke war Motivation genug.

      Mehr als genug.

      Als er vor zehn Jahren in das Land der unbegrenzten Möglichkeiten eingereist war, musste er viel über sich ergehen lassen. Miese Beschimpfungen und Beleidigungen gegen seine Herkunft waren an der Tagesordnung. Doch er arbeitete fleißig und verlor nie den Traum des Tellerwäschers aus den Augen.

      Bis er Said kennen lernte.

      Said hatte Ali sofort fasziniert, sein Mitgefühl war Balsam für seine Seele. Dieser Mann verstand es Alis Gedanken auszusprechen und seine tiefsten Emotionen wachzurütteln. Da sie beide keine Familie vor Ort hatten, unternahmen sie häufig etwas gemeinsam. In einer Bar offenbarte sich Said dann zum ersten Mal. Man schrieb das Jahr Fünf des Feldzuges der neuen Welt gegen den Terrorismus. Im Nachrichtensender TTN lief eine Sonderberichterstattung über ein Massaker an der Zivilbevölkerung Afghanistans. Dutzende unschuldige Kinder und Frauen waren von einer alliierten Rakete in buchstäblich Millionen Fetzen pulverisiert worden. Der Oberbefehlshaber der Streitkräfte sprach von einem bedauernswerten Zwischenfall, aber mit Kollateralschäden müsse man eben bei einem so wichtigen Kampf rechnen. Said, der seine Wurzeln in der Region hatte, hatte Tränen in den Augen. Aber auch Wut spiegelte sich in seinem Gesicht. Ali hatte ihn noch nie so gesehen. Endlich konnte Ali ihm aber auch sein Mitgefühl zeigen.

      „Das ist schon eine Schande. Da werden unschuldige Menschen in einen Krieg gezogen, der gar nicht ihrer ist.“

      Saids Stimme zitterte leicht, als er den nächsten Satz aussprach: „Die Bevölkerung Afghanistans hat nichts mit diesem Krieg zu tun. Wieso kommen die Amerikaner immer so ungeschoren davon, wenn sie Kinder und Frauen anderer Nationen in ihrem weltpolizeilichen Getue ermorden? Das ist ungerecht und schreit nach Vergeltung.“

      Ali war leicht irritiert was er von dieser Aussage halten sollte. Aber aus Saids Mund klang es weder verwerflich noch radikal. Es klang irgendwie logisch.

      Mit Mord an Unschuldigen konnte man sehr leicht Leute für sich gewinnen, das wusste auch Said. Als die beiden die Bar verlassen hatten, erläuterte Said seine Weltanschauung. Es klang überhaupt nicht wie dieses 08/15-Terrorthema aus den Nachrichten oder wie man es bei Talkshows mitbekam. Für Ali klang alles sehr logisch. Irgendjemand musste solche Taten bestrafen. Und Said schien sich dafür bereit zu erklären.

      Auge um Auge, Zahn um Zahn.

      Als Ali an diesem Abend nach Hause kam, blickte er in den Spiegel. Er war etwas kleiner als der Durchschnittsbürger und wirkte mit seiner Brille und seinem Schnauzer schutzbedürftig. Seine dunklen Augen funkelten vor Angst und gleichzeitiger Neugier. Said war sein bester Freund und es tat ihm leid, ihn so leiden zu sehen. Leichte Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn. Entschlossen wischte er sie in seine kurzen dunklen Haare. Er würde Said unterstützen, egal was es kostete. Er würde alles für ihn tun, seinen besten Freund ließ man nicht hängen.

      In den nächsten Monaten intensivierte sich das Verhältnis der beiden. Sie trafen sich häufiger und sprachen immer mehr über die Weltordnung, die ihrer Ansicht nach mehr als nur ins Schwanken geraten war. Einer musste doch etwas unternehmen und ein Zeichen setzen. Said schien für Ali immer mehr der perfekte Mann für diese Aufgabe zu sein. Er versprach ihm eine wichtige Rolle in diesem Kampf. Aber bis dieser Moment gekommen war, sollte er normal weiterarbeiten und das Beziehungsverhältnis der beiden auf ein Minimum reduzieren.

      Ali Akbar würde nie erfahren, dass Said dieses Vorgehen bei einem Dutzend weiterer Männer ebenfalls erfolgreich angewendet hatte.

      Dass die erlösende Aktivierung erst nach über drei Jahren kam, störte Ali nicht. Er wusste, sein Tag würde kommen und jetzt war es endlich soweit. Die Gerechtigkeit würde kommen und er würde einen entscheidenden Beitrag dazu leisten. Sein Name würde in die Geschichtsbücher eingehen. Ali Akbar El-Hendy. Sein Vater hatte ihm nicht umsonst den Namen „großer Ali“ also Akbar gegeben. Voller Stolz verstaute Ali sein Handy in der Jackentasche. Auf einmal sah die Welt ganz anders aus. Endlich hatte alles einen Sinn.

      Sein Blick schweifte über das traumhafte Panorama der San Francisco Bay Area. Millionen Menschen lebten in dieser Gegend und er würde einer sein, der wirklich etwas bewegen würde. Mit diesen Gedanken drehte er sich um und ging in Richtung seiner Wohnung.

      2

      Der Wagen von Mike fuhr gerade den ersten Security Posten an, als das Radio eines seiner Lieblingslieder anstimmte. „Hotel California“ von den Eagles. Mike trommelte mit den Fingern rhythmisch auf dem Lenkrad. Mit einem Knopfdruck ließ er die Fahrerfensterscheibe herunter und zeigte dem Wachmann seinen Ausweis. Gut gelaunt durch die musikalische Untermalung fragte er ihn: „Wie geht’s Ihnen, David?“ Er las dabei dessen Vornamen vom Namensschild ab. Mike sprach gerne die Leute mit Namen an. David antwortete mit einem knurrendem aber höflichem „Sehr gut, Ihnen auch?“ Der Stimmlage nach zu urteilen handelte es sich aber nur um eine oberflächliche Routineantwort.

      „Könnte nicht besser sein. Die Sonne scheint, die Musik ist klasse, jetzt fehlt nur noch ein freier Tag“.

      Mike wusste, dass in diesem Moment ein Foto von ihm gemacht wurde. Es wurde benutzt, zum einen um den Personenverkehr zu dokumentieren, zum