»Hoffentlich tötet uns dein Stolz heute Nacht nicht.«
Vertrau mir, so wie ich dir, bat er den Drachenteil in sich.
Lugrain ließ sich zum Altar führen, zarte Finger lösten die Riemen seiner Rüstung, während sein Mund mit den Lippen Levidethas verschmolz. Nach und nach wurde ihm mit spielerischer Neckerei die Rüstung abgestreift. Nach und nach wurden seine Wunden geheilt, nur durch eine sanfte Berührung der kühlen Hände, die über seinen starken Kriegerkörper strichen.
Der Drache in ihm grollte lüstern. »Das ist besser, als ihn zu töten.«
Wenn doch nur jeder Kampf so schön ausgehen könnte …
Lugrain bettete den nackten Körper Levidethas auf dem Blumenmeer des Altars und schob sich nackt zwischen seine kühlen Schenkel. Die Haut, die er berührte, war kühl wie Wasser, an manchen Stellen war es so, als tauchte er die Fingerkuppen in die Oberfläche eines Sees. Levidetha schmeckte nach Salz, wie das Meer, das er beherrschte.
Lugrain beugte den Kopf hinab und legte die Lippen an das Ohr der Gottheit. »Hiermit banne ich dich, Gott der Gewässer«, hauchte er und drang mit einem dunklen Stöhnen in den kühlen Körper ein, der sich ihm augenblicklich entgegenwölbte. »Auf dass du vom heutigen Tage an nur dem wahren Königsblut treu ergeben sein wirst!«
1
Teil 1: Hoffnung in der Not.
Aus der größten Not heraus, werden Helden geboren, die durch die dunkelsten Schatten des Krieges das schwache Licht längst vergessener Hoffnung bringen. Doch die wahren Helden einer Legende, sind nicht so leicht zu erkennen, wie wir glauben möchten.
Er schlug die Augen auf. Und für einen wunderbaren Moment schwebte er zwischen Traum und Erwachen. Für einen kostbaren Moment wusste er nicht, wo er war. Und in diesem kleinen Moment war die Welt noch in Ordnung, das Leben noch erstrebenswert. Doch nur ein weiterer Augenblick musste verstreichen, und seine Erinnerung kam erschreckend klar zurück.
Das Inferno eines roten Sonnenaufgangs fiel durch den dünnen Schlitz samtener Vorhänge und spiegelte sich in dem Silber der Maske wieder, die auf dem Kopfkissen neben ihm lag.
Wexmell gähnte müde und stützte sich zunächst auf einen Ellenbogen. Er rubbelte sich mit einer Hand das zerknitterte Gesicht, war überrascht, dass er sich, seit Wochen der Schlaflosigkeit, endlich mal wieder einigermaßen erholt fühlte.
Es war die erste Nacht, in der er nicht von Tod und Verlust geträumt hatte. Genau genommen, erinnerte er sich gar nicht daran, was er geträumt hatte. Aber es musste etwas Schönes gewesen sein, denn wenn er nach der Erinnerung suchte, fühlte er ein warmes Gefühl in der Herzgegend, fast wie das Gefühl von Freude oder Glück. Und das hatte er die letzten Wochen wahrlich nicht empfunden.
Trotzdem, als er wie jeden Morgen die unberührte Seite in seinem Bett ansah, fühlte er eine innerliche Leere, die ihn in einen tiefen Abgrund zu stürzen drohte.
Wexmell streckte die Hand aus und krallte die Finger in das leere Laken, sein Blick fiel auf die silberne Maske, die er vor jedem Schlafengehen auf dem zweiten Kissen deponierte, um sich seinem Geliebten so nahe wie möglich zu fühlen.
Für einen Moment schloss er die Augen und legte die Fingerknöchel an die kalte Wange, versuchte sich einzureden, er berührte Desiderius‘ Gesicht.
Schließlich beugte er sich vor, gab der Maske einen Kuss und stand endlich auf.
Er öffnete zuerst die Vorhänge und ließ das Morgenrot auf seine blasse, nackte Haut treffen, ehe er nach seiner Kleidung griff und sie mit Blick auf den Sonnenaufgang gemächlich überstreifte.
Großkönig Melecays Schneider hatte ihm auf eigenen Wunsch hin »einfache« Kleider angefertigt. Eine Lederhose aus Bärenleder, robuste Stiefel zum Jagen und Reiten, einen kurzen, dunklen Umhang und ein einfaches, helles Stoffhemd mit Schnürung. Alles ohne jeden Hauch von feiner Seide.
Seine Rüstung wollte er noch nicht anlegen. Er wusste, die Zeit dafür kam gewiss noch früh genug.
Bevor er seine Gemächer verließ, legte er die silberne Maske in eine Schublade einer massiven Ebenholzkommode, machte noch sein Bett, und hinterließ alles so feinsäuberlich, dass er den Bediensteten keinerlei Arbeit aufhalste.
Wie es eben Wexmells Art war, wollte er niemandem zur Last fallen.
Wie jeden Morgen war es noch still in den Räumen und im Hof der dunklen Burg des Großkönigs von Carapuhr. Als er an der Küche vorüberging, hörte er dahinter leise die Köche, die das Frühstück vorbereiteten.
Wexmell verzichtete wie jeden Morgen darauf. Später, wenn er wieder zurückkam, würde er eine Schale warme Ziegenmilch trinken, aber so kurz nach dem Aufstehen war seinem Magen noch nicht danach, etwas aufzunehmen.
Wie erwartet fand er die königlichen Ställe verlassen vor. Bis auf die Pferde und die schnarchenden Wachen, an denen er sich vorbei schlich, weil er die Männer nicht wecken wollte.
Er schmunzelte über sie. Wenn Melecay diese Nachlässigkeit bemerkte, würde er sicherlich toben. Weshalb Wexmell dem Großkönig nichts davon erzählen wollte. Aber er würde den Wachen wohl beim nächsten Antreffen raten, sich zusammenzunehmen. Keiner wusste besser als er, dass jeder Zeit mit Attentätern zu rechnen war.
Wexmells Schritte waren leise, während er die Stallgasse abging. Er öffnete das Tor der neu erbauten Erweiterung und blickte vom Stall aus auf weitläufige Weiden. Das Gras stand hoch und leuchtete saftig grün in der Morgenröte. Über den sanften Hügeln lag etwas Dunst, wie es Carapuhr nach der Nacht eigen war. Die Morgensonne traf auf sein Gesicht, sie warf den Schatten seiner schlanken Gestalt auf den gepflasterten Boden der Gasse. Die Pferde hoben ihre müden Köpfe, einige scharrten mit den Hufen, drängten nervös nach dem Frühstück oder dem Auslauf auf der Weide.
Wexmell wandte sich von dem idyllischen Anblick des Morgennebels ab, der über den Weiden hing, und holte aus einer Kammer seinen eigens für ihn angefertigten Sattel und das Zaumzeug.
Beides legte er vor der Tür seines weißen Hengstes ab. Das Tier war schon wach. Erwartungsvoll hob es den Kopf über die Stalltür und schnaubte Wexmell ins Haar, als wollte es sagen: »Da bist du ja endlich, ich warte schon seit Stunden.«
»Guten Morgen, mein Hübscher!«, verwendete Wexmell die Begrüßung, mit der auch Desiderius seinen Wanderer jeden Morgen begrüßt hatte. Er hob den Arm und strich dem ungestümen Hengst über die breite Stirn, fegte ihm das weiße Haar zur Seite. »Na, bereit für den Ausritt?«
Karic legt seine weichen Nüstern an Wexmells Gesicht und schnaubte ihn erneut an.
Wexmell lachte leise und öffnete die Tür zum Stall.
Lange hatte Wexmell überlegt, wessen Namen er seinem Hengst geben konnte. Für einen Moment hatte er natürlich mit der Vorstellung geliebäugelt, ihn Desiderius zu taufen. Doch das hätte er nicht übers Herz gebracht. Jedes Mal, wenn er das Tier gesehen hätte, hätte es ihn nur an die Leere in seinem Herzen erinnert.
Dann war ihm sein geliebter Bruder eingefallen. Wexmell hatte natürlich all seine Geschwister geliebt, aber er und Karic hatten doch eine ganz besondere Beziehung zueinander gehabt. Der älteste und der jüngste Sohn des Königs, sie waren unzertrennlich gewesen. Sie hatten immer ihre Späße untereinander getrieben, hatten anderen Streiche gespielt, waren ein Herz und eine Seele gewesen, bevor Karic sich mit Silva verlobte, und Wexmell nur noch Augen für Desiderius hatte. Wexmell hatte Karic immer vertraut, ihm wegen seines großen Selbstbewusstsein und seiner leichten Arroganz geliebt.
Eigenschaften, die auch dieser wilde, ungestüme Hengst zeigte. Selbstvertrauen und Eigenwille. So war Wexmell die Entscheidung letztlich nicht schwergefallen.
Als Wexmell in den Stall trat, senkte der Hengst den Kopf und stupste ihn leicht an, forderte Zuneigung und Streicheleinheiten. Wexmell schlang wie jeden Morgen die Arme