Der verborgene Erbe. Billy Remie. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Billy Remie
Издательство: Bookwire
Серия: Legenden aus Nohva 5
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742739742
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wäre zu diesem Zeitpunkt noch ein Kind, behagte ihm nicht. Was sollte er mit einem Kind anfangen? Er wünschte sich eine starke, kluge und schöne Frau. Bisher hatte keine Frau, die er verführen konnte, genug Charme, um ihn zu verzaubern. Sein Problem war vielleicht auch, dass er eine zu genaue Vorstellung von seiner Zukünftigen hatte. Sie sollte nicht nur liebende Ehefrau sein, sondern auch seine engste Freundin, seine Gefährtin, Partnerin, Kameradin, Seelenverwandte. Er wollte die Liebe, wie Desiderius und Cohen sie hatten. Er wollte diese stillen und tiefen Blicke, die keiner Worte bedurften. Er wollte diese Leidenschaft, die alles verbrannte. Wollte tiefes Vertrauen, im Kampf und in Friedenszeiten. Eagle wollte mehr als eine gewöhnliche Gattin, er wollte eine Frau, die ihn verstand, und an die er sich lehnen konnte, wenn er, so wie in jener Nacht, verzweifelte.

      Doch solch eine Frau gab es nicht für ihn. Das stimmte ihn nachdenklich. Selbst ein unsympathischer Barbar wie Großkönig Melecay hatte die Liebe seines Lebens gefunden. Vielleicht lag es allein an Eagle, dass es mit der Liebe nicht klappen wollte.

      Wieder frustriert drehte er sich um und ging aus der Kapelle, wissend, dass er auch die nächsten Jahre allein im Bett verbringen würde. Er tröstete sich damit, dass er vermutlich so viel an Arbeit hatte, dass es ihm nicht auffallen würde. Und lieber war er allein, als einer dieser Könige zu sein, der eine viel zu junge Frau zur Gattin nahm. Was brachte ihn ein gebärfreudiger Körper, wenn er mit der Dame nichts gemein hatte. Er unterhielt sich nun mal gerne, und bezweifelte, dass er durch mehrere Jahrzehnte Altersunterschied viel mit einer jüngeren Frau zu bereden hatte.

      Doch während Eagle hinausging, gab ihm der Mönch noch einige Worte zum Nachdenken mit auf dem Weg: »Es gibt viele Arten, wie Weiblichkeit erblühen kann, mein Prinz, und ich sprach nicht von der Wandlung vom Mädchen zur Frau.«

      ***

      Nicht nur der junge Airynn Erbe fand in jener Nacht keinen Schlaf, auch Arrav strich ruhelos durch die dunklen Flure. Alle paar Schritte wurde sein Gesicht von einer Fackel erhellt, die gemächlich vor sich hin brannte und wohl bis zur Morgendämmerung erloschen sein würden. Er ließ sich ungern in der Festung blicken, betrat spät seine Gemächer und verließ sie früh, bevor jemand ihn bemerken konnte. Wie eine stille Maus schlicht er seit Wochen durch dieses riesige Anwesen, und hatte erfreut festgestellt, dass es gar nicht so schwer war, den anderen Bewohnern aus dem Weg zu gehen.

      Es war nicht so, dass er nicht mehr hinter seiner Entscheidung stand, Cohen treu zu folgen, dem wahren Erben zu dienen, es lag viel mehr an der Tatsache, dass er das Gefühl hatte, sein Schlafgemach in der hohen Festung nicht verdient zu haben.

      Nur, weil Cohen sich für ihn eingesetzt hatte, die Hand für ihn ins Feuer legen würde, hatte Arrav ein Bett in der Festung erhalten. Zwar keines der großen Gemächer wie der Erbe und der Blutdrache, aber trotzdem weit über dem Standard der Dienerschaft oder den Unterkünften bei der Kaserne. Dabei lag ihm nichts an einem großen Bett und einer weichen Matratze, er wäre viel lieber in den Mannschaftsunterkünften geblieben, größtenteils, weil er dort dem großen, bösen Drachen entgehen konnte. Aber Cohen hatte darauf bestanden, dass Arrav ein eigenes Schlafgemach in der Festung erhielt, und weil sich sein Kommandant und Freund so sehr für ihn einsetzte, hatte Arrav nicht erwähnt, wie unwohl ihm dabei war. Nach all den Jahren als Bastard im Dreck, war er natürlich auch froh um die drastische Verbesserung seiner Lebensumstände – was auch ein Grund dafür war, dass er seine Entscheidung nicht bereute; alles war besser als das Leben dritter Klasse – dennoch würde es noch eine Weile dauern, bis er sich daran gewöhnt hatte, nicht mehr nur eine schäbige Küchenschabe zu sein, die geradeso überleben konnte, wenn sie nicht mit der Armee ausrücken musste.

      Er hatte noch nichts für den Erben geleistet, er hatte sich noch keine Belohnungen verdient, weder Schlaf noch Essen. Arrav würde sicherlich anders fühlen, wenn er endlich für den wahren Prinzen kämpfen durfte. Wenn er Schweiß und Blut für ihn vergossen, Schmerzen ertragen und ihm zum Sieg verholfen hatte, dann würde er sich wohler in seinem Bett fühlen. Dann hätte er all das auch verdient.

      Und vielleicht, mit viel Glück, würde ihn der Blutdrache dann nicht mehr mit diesen düsteren Blicken voller Argwohn betrachten, vielleicht würde er Arrav sogar die Hand geben – oder wenigstens ein respektvolles Nicken schenken. Bisher jedoch hielt es Arrav für wesentlich klüger, dem großen, bösen Drachen nicht zu nahe zu kommen. Vor allem nicht, wenn Cohen dabei war.

      Wenn Arrav sich zu seinem Freund gesellte und auch nur kurz mit ihm sprach, spürte er bereits nach wenigen Augenblicken den drohenden Blick aus stechend grünen Augen auf sich, die Feuer auf ihn zu sprühen schienen. Was seltsam war, denn er glaubte fest daran, dass er seine Absichten gegenüber Cohen nie durch Gesten oder Blicke preisgab. Trotzdem spürte er die Eifersucht des Blutdrachen auf mehrere hundert Fuß Entfernung, und der imposante Mann hütete Cohen wie seinen Augapfel.

      Nach wie vor begehrte Arrav Cohen, doch nicht so sehr, dass er dumm genug wäre, wegen eines schönen Mannes den Zorn des Blutdrachen auf sich zu ziehen, also hielt er sich im Hintergrund.

      Als er einmal scherzhaft zu Cohen meinte: »Dein Drache schaut mich an, als wolle er mich gleich fressen, vielleicht sollten wir zukünftig nur noch über Briefwechsel mit einander kommunizieren« - Hatte Cohen nur kopfschüttend geantwortet: »Du täuschst dich. Er hegt höchstens Zweifel an deiner Aufrichtigkeit, immerhin könntest du auch nur hier sein, um uns auszuspionieren. Mit mir hat das nichts zu tun, gewiss nicht, da überschätzt du seine Gefühle für mich.«

      Arrav hätte beinahe Mitleid mit Cohen gehabt, der so unglücklich verliebt schien, doch das Mitleid hatte sich nicht auf Cohens verletzte Gefühle bezogen. Cohen war es, der sich täuschte, denn Arrav sah als Außenstehender mehr als deutlich, wie vernarrt der Blutdrache in Cohen war. Doch da Cohen ihm ohnehin nicht glauben wollte, mischte er sich bei den beiden nicht ein. Er wusste, dass er gegen den Blutdrachen keine Chance hatte, und zog sich würdevoll als Geschlagener zurück, außerdem hatte er die beiden mehr als einmal zusammen beobachtetet und eines schlagartig begriffen.

      Was er suchte, würde Cohen ihm nicht geben können. Und das verwirrte ihn sehr.

      Diese Verwirrung trug Schuld daran, dass er seit einigen Tagen nicht schlafen konnte, und nächtliche Gänge zur Küche unternahm. Dort fand er, was seine Gedanken lähmte und ihm beim Wiedereinschlafen half. Als er in die dunkle Küche kam, entzündete er eine einzelne Kerze auf einem Tisch und goss sich Wein ein.

      Wein, wie er ihn noch nie getrunken hatte. Stark und vollmundig. Würzig. Nicht wie diese gepantschte Brühe, die er sein Leben lang getrunken hatte. Seit Wochen kam er nicht los von dem roten Getränk, allein dafür hatte sich sein Verrat an Rahff gelohnt. Doch Arrav respektierte Rahff als Mann natürlich weiterhin, immerhin verdankte er ihm sein Leben. Ohne Rahff hätte Arrav nie das erwachsenen Alter erreicht. Trotzdem bereute er seinen Entschluss, ihn zu verraten, keineswegs. Er wusste, genau wie Rahff es hätte wissen müssen, dass er gar keine andere Wahl gehabt hatte, wenn er ein besseres Leben führen wollte.

      Und wer würde nicht gerne aus dem Dreck steigen, wenn er darin badete?

      Als die Tür zur Küche leise quietschend geöffnet wurde, zuckte Arrav unwillkürlich ertappt mit dem Becherrand am Mund zusammen.

      Er erkannte den anderen Mann sofort, drehte diesem dem Rücken zu und zog den leichten, seidenen Morgenmantel vor der nackten Brust zusammen. Er fühlte sich seltsam entblößt, so knapp bekleidet, er hatte nicht damit gerechnet, zu dieser Stunde noch jemandem zu begegnen.

      »Oh.« Eagle stockte überrascht an der Tür. »Vergebung, ich wusste nicht, dass jemand hier ist.«

      »Ich muss um Vergebung bitten, Eure Hoheit.« Arrav hielt den Morgenmantel mit einer Hand fest zusammen, als er sich umdrehte und leicht den Kopf ergebend neigte. »Ich bin es, der Euren Wein ohne Euch kostet.«

      Lächelnd trat Eagle gänzlich ein und ließ die Tür leise wieder zufallen. Es war ihm jedes Mal deutlich anzusehen, dass er den Respekt genoss, der ihm nun zuteilwurde. Arrav hielt deswegen nicht weniger von ihm, Eagle besaß genug Charme, um durch das Genießen der Aufmerksamkeit, die man ihm schenkte, nicht arrogant zu wirken.

      »Es ist unser aller Wein«, warf Eagle großzügig ein.

      Arrav