Das Tagebuch des Schattenwolfprinzen. Billy Remie. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Billy Remie
Издательство: Bookwire
Серия: Legenden aus Nohva 3
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742790316
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darauf abgefeuerte Pfeil traf einen Soldaten durch das Loch mitten ins Auge. Janek legte einen zweiten Pfeil ein.

      Ein weiteres Loch. Ein weiterer Pfeil.

      So dezimierte Janek für mich fünf, vielleicht sechs oder sogar sieben Soldaten, bis die Hohlköpfe hinter der Tür endlich die Visiere ihrer Helme herunterklappten. Ich stand währenddessen recht gelangweilt da und stützte mich auf mein unbenutztes Schwert, nachdem mir bewusstgeworden war, dass dieses Spektakel noch etwas andauern würde ...

      Doch dann brach die Tür. Nicht gänzlich, aber ein Teil gab nach und eine Flut Soldaten wurde regelrecht in den Raum gespült, als habe man mit einer Axt eine Spalte in ein Bierfass geschlagen.

      »Es sind zu viele!« Janek schüttelte den Kopf, feuerte aber brav weiter Pfeile ab. Er wich langsam zurück, während ich vollkommen ruhig dastand.

      Die vorderste Front der Soldaten wurde von den hinteren niedergedrückt, die mit Eile in den Raum stürzten. Ich hörte, wie sie in ihrer Sprache, die ich nicht richtig verstehen konnte, riefen und brüllten. Vermutlich verkündeten sie gerade, dass ihr netter Anführer und einige ihrer Waffenbrüder ermordet worden waren. Oder aber, was wahrscheinlicher war, sie brüllten mir in ihrer Sprache Beleidigungen entgegen. Schwer zu sagen, immerhin waren all ihre Gesichter hinter Helmen verborgen, ich sah nur glänzende Rüstungen, die mit gelben und grünen Stoffen verziert waren.

      »Namenloser!«, rief Janek, als ich mich noch immer nicht rührte. »Herr?«

      Im letzten Moment packte ich mein Schwert, doch ich musste gar nicht viel tun, denn der erste Mann lief regelrecht in meine Klinge, als habe er sich nur zu gerne in den Tod stürzen wollen. Ein tragischer aber nicht seltener Unfall unter zu eifrigen Soldaten, die keine Rücksicht auf ihre Vordermänner nahmen und sie geradezu in das Schwert des Feindes rennen ließen. Meine Klinge aus scharfem Silber durchbohrte die einfache Rüstung ohne viel Kraftaufwand meinerseits. Ich stach sie dem Soldaten in den Bauch und sie kam mit einer Blutfontäne zum Rücken wieder raus.

      Ich ließ das Schwert stecken und benutzte den schlaffen Körper als Schutzschild, obwohl mich dessen Gewicht fast in die Knie zwang.

      Ich stemmte mich gegen den Körper, viele Männer rannten gegen mich und ich verwandelte mich zusammen mit der Leiche in einen Rammbock. Mit zusammengepressten Zähnen stemmte ich mich gegen den schlaffen Körper, meine Füße drohten auf dem dreckigen Boden wegzurutschen, aber schließlich gelang es mir, meine Angreifer zurück zu drängen. Mein Schwert, dessen Spitze herausragte, nahm weitere Opfer, ich sah nicht, wie viele, ich bemerkte nur das Blut auf dem Boden, das mich beinahe ausrutschen ließ.

      Mit einem Ruck warf ich die Leiche von mir und zog mein Schwert wieder hervor. Einige Angreifer vielen rückwärts zu Boden und rissen andere Männer mit sich.

      Ich ließ sie liegen, da ich mich gegen weitere Soldaten zur Wehr setzen musste. Meine Hände schwangen mein Schwert gekonnt, Derrick selbst hatte mich im Schwertkampf trainiert, und ich war nicht schlecht, wie er so schön sagte. Ich würde nie behaupten, dass ich hervorragend oder auch nur gut sei, aber ›nicht schlecht‹ traf es mittlerweile ganz gut.

      Meine Stärke war auch nicht meine Geschicklichkeit, obwohl davon reichlich vorhanden war, sondern Zorn. Zorn war etwas Seltsames. Es befällt mich wie eine Krankheit und verwandelt alle meine Handlungen in unbegreifliche Brutalität.

      Auch in jenem Moment, als ich mit jemanden kämpfte und mir von einem am Boden liegendem und bereits dem Tode geweihten Soldaten ein Dolch in die Wade gerammt wurde.

      Ich brüllte auf. Vor Schmerz. Vor Zorn.

      Der Angreifer wollte seine Chance nutzen und zielte mit seinem Schwert auf meinen Hals, wohl um mir den Kopf abzuschlagen. Obwohl ich aus dem Gleichgewicht gekommen war, konnte ich seinen Hieb gerade noch rechtzeitig abwehren, verlor aber deshalb meine Klinge. Der Soldat hob erneut sein Schwert, doch dann traf ihn ein Pfeil, mitten durch die winzige Schwachstelle am Hals. Er gurgelte und fiel auf die Knie, Blut spritzte aus seiner Wunde, in der noch der Pfeil steckte.

      Und glaubt mir, ich übertreibe nicht. Trifft man die richtige Stelle, spritz das Blut mit einer Kraft hervor, die einem unwirklich erscheint.

      Ich bückte mich nach meinem Schwert und drehte mich zu dem Mann am Boden um. In jenem Moment öffnete sich der Käfig in mir. Anders kann ich dieses Gefühl nicht beschreiben. Ich sah den halbtoten Mann am Boden liegen und ärgerte mich darüber, dass er mich verletzt hatte. Dieser halbtote Mann, dieser Niemand, hatte mich verletzen können! Ergriffen von dieser Wut war ich nicht mehr im Stande, mich selbst zurückzuhalten. Ich weiß nicht, ob es anderen auch manchmal so geht, ich weiß nur, dass es mir oft passiert. Der metaphorische Käfig, den ich bereits erwähnt hatte, war das Sinnbild meines inneren Zorns, der immer da war. Doch ich hatte es gut unter Kontrolle, meine Wutausbrüche, auch wenn der Zorn gelegentlich seine Hände und Arme durch die Gitter des Käfigs streckte und nach mir fasste, ich konnte ihn immer wieder zurückhalten. Jedoch geschah es manchmal, dass die Tür aufsprengte und der Zorn herauskam. Wie ein Dämon, oder wie eine Krankheit, die in wenigen Augenblicke von mir besitz ergriff. Ich spürte die Wut in meinem Inneren wie zähflüssigen Honig. Es war ein warmes Gefühl, ein seltsam warmes Gefühl.

      Statt den halbtoten Mann am Boden mit meiner Klinge sauber zu töten, nahm ich meinen Schwertknauf um ihm damit den Schädel einzuschlagen. Blut und Knochensplitter flogen mir ins Gesicht, während meine vom Zorn verzerrte Fratze ein makaberes Bild abgab.

      Ich konnte nicht aufhören, obwohl in meinem Kopf noch dieser klare Gedanke war, der wusste, dass ich eine Grenze überschritt. Aber es war längst zu spät, ich war meinem Zorn ausgeliefert und mein Körper war nur noch ein Werkzeug meiner Wut, während mein Verstand fassungsloser Zuschauer sein musste.

      Ich erhob mich und rannte in die Meute rein, die durch die eingeschlagene Tür kam.

      »Namenloser!«, hörte ich Janek entsetzt schreien, doch er klang für mich sehr weit entfernt.

      Ich sah rot. Nicht nur wegen des vielen Blutes, das aus den Körpern jener Männer spitzte, die meinem Schwert und meiner Wut zum Opfer fielen.

      Ich weiß nicht, wie viele ich niederschlug, regelrecht abmetzelte. Viele. Aber nicht genug.

      Janek rief, ich konnte ihn hören, aber ich hörte nicht auf ihn.

      Wut macht dumm, denn ich konnte das unmöglich gewinnen. Auf jeden einzelnen Mann, den ich niederstreckte, folgten fünf weitere. Es nahm kein Ende und trotz des Zorns in mir konnte ich bereits die Erschöpfung in meinen Armen spüren.

      Ich wäre längst tot, hätten Janeks Pfeile mir nicht in diesem Raum unendliche Male das Leben gerettet.

      Meine Feinde umzingelten mich, fast wie Wasser. Ohne Luft dazwischen. Doch aufhören und fliehen wollte ich nicht. Noch immer konnte ich mich nicht beherrschen, mittlerweile war ich von oben bis unten voll mit fremdem Blut. Vielleicht auch einwenig von meinem eigenen Blut, ich hatte jedenfalls genug Schmerzen um einige Wunden am Leib zu tragen. Mein blondes Haar war verklebt mit roter Flüssigkeit, die schnell einzutrocknen begann.

      Ich war bereits völlig erschöpft, als mich plötzlich Arme von hinten umschlangen und wegzerrten.

      »Wir müssen hier weg!«, brüllte Janek, während er mich fortschleifte.

      Erst wehrte ich mich, weil ich noch mehr Elkanasai niedermetzeln wollte, mein Hunger nach Rache und Blut war noch lange nicht gestillt.

      Doch ich besann mich, dass hier weder der Ort noch die richtige Zeit dafür war.

      Also drehte ich mich um und befreite mich damit aus Janeks Griff, ich übernahm die Führung und wir eilten aus dem Tunnel, immer darauf achtend, dass unsere Verfolger uns nicht aus den Augen verloren.

      ***

      Der Tunnel führte aus dem Boden heraus zu einem Ausgang hinter einem Felsen an einem Waldrand.

      Ich kletterte hervor – oder besser gesagt, kroch ich hervor und zog mich mit letzter Kraft aus dem Loch – und holte keuchend Luft.

      »Ihr seid vollkommen wahnsinnig!«, sagte Janek ebenso atemlos