1. Mental Health Europe Konferenz in Wien (E-Mail: Huber, 2. Juni 2007; s. Literaturverzeichnis). Die aktuelle Studie „Costs of Disorders of the Brain" macht den dringenden Handlungsbedarf im Bereich der Förderung von psychischer Gesundheit deutlich: Depressionen, Psychosen, Angsterkrankungen und Burnout-Syndrom sind nur einige der Krankheiten, die sich in den vergangenen Jahrzehnten verbreitet haben. Rund ein Viertel aller Österreicher leidet im Laufe eines Jahres unter einer psychischen Erkrankung. Laut Schätzungen der Kommission waren im Jahr 2005 europaweit 59,6 % der 18- bis 65-Jährigen von psychischen Störungen betroffen. „Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Wirtschaft, Politik sowie Gesundheitswesen sind hier gefordert, entsprechende Maßnahmenpläne zu entwickeln.“ (Elisabeth Muschik, Stv. Obfrau pro mente austria und Vizepräsidentin Mental Health Europe, in: E-Mail, Huber 2.6.2007). Der Ausbau von Betreuungsangeboten in den Mitgliedstaaten und die Aufklärung, Integration und Prävention stehen im Vordergrund.
Völlig widersinnig werden zeitgleich Psychologische Psychotherapeuten unter Androhung des Zulassungsentzugs gezwungen, zu den unten aufgeführten Honoraren zu arbeiten – ohne Berücksichtigung der eigenen Existenz. Zulassungen sollen entzogen, aber keine neuen hinzugenommen werden! Ebenso sieht es aus beim Verkauf eines halben Kassenarztsitzes: Man kann keinen halben Kassenarztsitz zurückkaufen. Dies ist eine zusätzliche Facette des Hintergrunds für das vorliegende Buch.
Zudem soll die „Psychotherapeutenkammer“ in „Landeskammer für Psychologische Psychotherapeuten und Psychologische Psychotherapeutinnen sowie Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutInnen“ umbenannt werden. Der Grund dürfte auch hier ärztliche Standespolitik sein, die „ihre“ Ärzte nicht genügend repräsentiert sieht, wobei die in diesem Fachbereich tätigen Ärzte durch ihre „Ärztekammer“ vertreten werden. Die Bezeichnungen Psychotherapeutenkammer und Ärztekammer ähneln sich zu sehr. Da muss Distanz gewahrt werden! Das könnte ja fast schon assoziativ nach „Gleichstellung“ und damit nach etwas klingen und riechen, dass die ärztlichen Standesorganisationen definitiv nicht wollen: Nämlich nach Psyche und Seele!
Nebenbei bemerkt ist es so, dass 160 KV-Sitze für Psychotherapie nicht mit Ärzten in der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen Lippe (KVWL) besetzt werden können – offenbar haben die Ärzte kein Interesse. Es ist den Ärzten bei den Honoraren, für die wir arbeiten müssen, nicht zu verdenken! Der gute Arzt hält gemäß der ehrwürdigen Ideologie des Gottes in Weiß Ausschau nach lukrativeren Fachbereichen – aber auch in anderen ärztlichen Fachbereichen ist es um die Honorare nicht gut bestellt. Dennoch ist der ärztliche Wille zur Differenzierung und Distanz zu Psyche und Seele ungebrochen – es sei denn, man kann auch hier wieder an ihnen, an Psyche und Seele, verdienen! Dies wird hinsichtlich der standesärztlichen Politik im Fachbereich der Psychosomatik im vorliegenden Buch klar herausgestellt werden. Die Tatsache, dass so viele ärztliche Psychotherapiesitze nicht besetzt sind, belastet die Versorgungssituation in Westfalen – denn die unbesetzten Arztsitze werden auf Grund einer Schutzklausel nicht an die Psychologischen Psychotherapeuten weitergegeben. Bundesweit sind es 1.800 für Ärzte reservierte Praxissitze, die nicht für den Fachbereich Psychotherapie besetzt werden.
Diese unbesetzten Sitze werden dennoch in der vertragsärztlichen Bedarfsplanung als besetzt berücksichtigt. So werden Planungsbereiche als überversorgt und deshalb gesperrt ausgewiesen, in denen im ungünstigsten Fall 40 Prozent der Versorger gar nicht existieren. Im September 2008 teilt die Bundespsychotherapeutenkammer mit, dass die Bundesregierung die Mindestquote für psychotherapeutisch tätige Ärzte nicht – wie bisher im Sozialgesetzbuch V vorgesehen – auslaufen lässt, sondern nur von 40 auf 20 Prozent absenkt. „Dabei kann bereits jetzt ein großer Teil der ärztlichen Praxissitze aufgrund eines gravierenden Nachwuchsmangels nicht besetzt werden. Die Mindestquote für psychotherapeutisch tätige Ärzte trägt damit systematisch zur Unterversorgung psychisch kranker Menschen bei. In Ostdeutschland können deshalb gut 500 Praxissitze nicht mit Psychotherapeuten besetzt werden. Die Gesetzesberatungen werden zeigen, ob die berufspolitischen Interessen der Ärzteschaft Vorrang vor dem Abbau der Unterversorgung psychisch kranker Menschen haben.“ (BPtK-Newsletter, Bundes Psychotherapeuten Kammer, September 2008, S. 1) Allein diese Entwicklung mit den vorliegenden Zahlen hinsichtlich nicht besetzter psychotherapeutischer Arztsitze provoziert politisch offenbar bei den Ärzten eine Initiative, um sich dennoch im „Psychotherapiegeschäft“ ärztlich zu behaupten. Da kommt ein Verständnis, das Psychotherapie als „Ergänzung medizinischer Behandlungen“ zerlegt und reduziert und weiter, politisch per Gesetz definiert und ökonomisch in Module aufspaltet, gerade Recht. Ergänzt um ein Berufsrecht, das Psychologische Psychotherapeuten abhängig in ihrem beruflichen Handeln werden lässt, zeigt sich eine Zulassung zur Abschaffung von Psychologischen Psychotherapeuten, die ehemals von einer Zulassung zur freiberuflichen Tätigkeit der psychologischen Psychotherapie mit all’ ihren unzähligen Psychotherapiemethoden träumten.
Auch der Aufbau und Ausbau, wie junge Diplom-Psychologen in den Genuss einer Psychotherapieausbildung kommen und wo sie als frisch gebackener psychologischer Psychotherapeut im Sinne des Berufes tätig werden können, ist in vorwiegend ärztlicher Hand. Denn unsere Honorare als niedergelassene Psychologische Psychotherapeuten sind so niedrig, dass wir es uns trotz Änderungen des Berufsrecht der letzten Jahre bezüglich der Anstellung eines Kollegen nicht oder nur unter großen Rechenkünsten und Entbehrungen leisten könn(t)en, einen solchen Schritt zu wagen.
Psychologische Psychotherapeuten stehen auf der Warteliste für Jobsharing-Angebote von Kollegen, die sie als Übergangslösung aufgreifen bis sie selbst einen freien Kassenarztsitz kaufen können. Dank Leistungsbegrenzungsklauseln bedeutet dies, die Arbeit von zwei Psychotherapeuten im Job-Sharing darf die vorher allein getätigte Leistungsfallzahl nicht übersteigen – arbeiten also zwei, dürfen sie nicht mit doppelt so vielen Patienten arbeiten wie allein, obwohl der Bedarf an Psychotherapie vorhanden ist! Insgesamt gibt es zu wenig zugelassene Psychologische Psychotherapeuten geht man vom Bedarf in der Bevölkerung, wie oben zitiert, aus und nicht von der Zahl der durch das Gesundheitssystem festgelegten Zulassungen. Die Wartezeiten für Patienten verlängern sich insgesamt erheblich.
Die Wartezeiten werden sich auch in der Zukunft für Patienten nicht zum Positiven verändern, folgt man der gegenwärtigen Politik:
Im September 2011 bahnt sich ein weiterer Skandal für den politischen Umgang mit den Psychologischen Psychotherapeuten an.
Die BundesPsychotherpeutenkammer teilt mit, dass psychisch kranken Menschen weitere Verschlechterungen drohen. Seit langem ist bekannt, dass für Patienten lange Wartezeiten bestehen, wenn sie eine Psychotherapie beginnen wollen.
Im Rahmen des GKV-Versorgungsstrukturgesetzes droht nun bundesweit die Schließung von ca. 6.000 Psychotherapiepraxen in überversorgten Planungsbereichen bestünden!
Wie ist es möglich, dass in Deutschland Menschen, die der psychotherapeutischen Hilfe bedürfen, sich in Wartelisten eintragen und das Bundeskabinett ein „Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung“ verabschiedet, das die Situation für Patienten im Extrem verschlechtern wird.
Sprich: Dann bekommen noch weniger Menschen die Möglichkeit für eine anerkannte psychotherapeutische Behandlung und die Wartezeiten werden sich drastisch weiter verlängern. Es ist insofern nicht von VERBESSERUNG, sondern von VERSCHLECHTERUNG zu sprechen. Wie in den anderen Büchern 1-1.2 mitgeteilt, handelt es sich hier um eine Verkehrung des Gemeinten: Gesagt wird Verbesserung, und verwirklicht werden