Zulassung zur Abschaffung - Die heillose Kultur - Band 2. Dr. Phil. Monika Eichenauer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dr. Phil. Monika Eichenauer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Зарубежная психология
Год издания: 0
isbn: 9783844217742
Скачать книгу
profitieren, die sie an sich schon in diesem Jahr als Folge der Umsetzung aktueller Kostenstudien verbuchen können: ‚Wenn der Orientierungswert in dieser Höhe liegt, würden wir 2009 einen Honorarverlust von rund 10 % hinnehmen müssen.’ Da es mit großer Sicherheit nur einen Orientierungswert geben wird, könnte eine Lösung aus Bests Sicht darin bestehen, für psychotherapeutische Leistungen einen Zuschlag von mindestens zehn Prozent vorzusehen: ’Sonst kommen wir nicht auf eine angemessene Vergütung.’“ (Deutsches Ärzteblatt, PP, Heft 1, Januar 2008, S. 9)

      Zu Anfang des Artikels (S. 8) heißt es: „Der KBV-Vorstand geht fest davon aus, dass es zumindest von 2009 an mehr Honorar für niedergelassene Ärzte und Psychologische Psychotherapeuten geben wird.“ Offenbar kann in der KBV nicht berechnet werden, ob es nach oben oder nach unten geht mit Honoraren, wie der Einschätzung von Herrn Best zu entnehmen: An keiner Stelle wird mitgeteilt, wie hoch das Honorar denn nun sein wird und schon gar nicht wird mitgeteilt, dass es tatsächlich höher sein wird als gegenwärtig. Dieter Best mutmaßt: Es wird bedeutend niedriger sein. Das andere ist, dass man uns wieder ein Jahr unter Spannung halten will und mit Blick auf die Zukunft hoffnungsfroh jeden Morgen die Praxis aufschließen lassen möchte: Jedoch hinsichtlich der Honorare ohne Grund.

      Dann ist weiter anzumerken, dass auch die Best’sche Berechnung völlig im Dunklen bleibt. Ich beziehe mich einfach und schlicht auf den Punktwert in der folgenden Betrachtung: Der Unterschied von 5,1 bis 3,7 Cent ist mit 1,4 Cent zu beziffern – und das sind nicht „rund 10 %“ weniger (dann wären es 0,51 Cent), sondern 1,4 Cent sind nun meinerseits großzügig statt ab- , aufgerundet rund 1/3 von der Bezugsgröße 5,1 Cent. Und das wären, nun meinerseits großzügig abgerundet, rund 30 % weniger als das bisherige im Vergleich mit dem prophezeiten Honorar für das Jahr 2009. Da ich nun davon ausgehe, dass Dieter Best richtig gerechnet hat, wäre somit die Frage, in welcher Berechnung die Differenz von ca. 20 % aufschlägt und wie sie „stillschweigend“ ausgeglichen wird, um die restlichen 10 % Minus, von denen Dieter Best spricht, mittels Extrazuschlag auszugleichen, um auf das gleiche (niedrige) Honorarniveau wie in 2008 zu gelangen? Wobei festgestellt werden muss, dass wir weder wissen, wo dieses liegen wird und die obigen Ausführungen weiterhin belegen, dass wir durch diese Honorarpolitik unterfinanziert werden. Die Aussage der KBV, wir könnten 2009 mit einem höheren Honorar rechnen, ist nirgends zu entnehmen.

      Für 2008 ist bereits Anfang März pro Sitzung das Honorar um 3,00 Euro niedriger als in den Vormonaten zu konstatieren. Soll das heißen, wir sollen nun wieder für Einhaltung des bisherigen Honorars klagen, wohingegen von Erhöhungen des Honorars die Rede war?

      Mit dem real anzunehmenden Honorar für 2009 ist dann jede Psychologische Psychotherapeutenpraxis pleite bzw. gleicht fehlendes Einkommen individuell wieder irgendwie aus?

      Nun wäre doch das Orakel zu befragen: Wieso bekommen wir dann 2009 höhere Honorare? Weiter: Was nährt den Glauben, dass, wie Dieter Best meint, die Lösung darin bestünde, dass wir außerordentlich sozusagen 10 % Zuschlag extra bekommen könnten, die jeder theoretischen und praktischen Erfahrung widerspricht?

      Weiter: Worin ist dann die Erhöhung unseres Honorars zu erblicken? Es wäre dann doch lediglich das Honorar erzielt, das wir gegenwärtig bereits haben bzw. schon nicht mehr haben?

      Worin ist das Gute zu erblicken: Da doch insgesamt das Honorar 2009 unter Einbeziehung der Inflationsrate dann weit unter dem gegenwärtigen Honorar läge? Vielleicht liegt das Gute doch ausschließlich in dem Satz: „Mit dem EBM kann man 2008 leben.“

      Aus dem Artikel ist summa summarum zu schließen: 2009 ist nicht mehr mit den Honoraren zu leben.

      Dann gehen wir als Berufsfachgruppe vollends Pleite, nachdem wir uns jahrelang finanziell durchgeschleppt haben. Im Gesundheitswesen stellen sich Abschaffungen und Insolvenzen still und klammheimlich dar – im Unterschied zu Arbeitplatzeinsparungen und Standortverlagerungen wie bei Nokia, Siemens, Henkel und anderen Akteuren in der Mitte der gesellschaftlichen Bühne heißen. Die Konsequenzen, wenn dem so sein sollte, sind freilich noch weit reichender als in diesen Fällen – persönlich und gesellschaftlich: Dann werden Patienten nur noch mit Psychopharmaka, Psycho-Pflastern und Medikamenten versorgt.

      Wollen Sie, lieber Leser, so eine Medizin und Modul-Psychotherapie, die Ihre Lebenszusammenhänge und Ihre Seele nicht als primäre Basis in Behandlungen einbezieht? Wollen Sie Psychologische Psychotherapeuten und Ärzte, die schlecht bezahlt werden? Überlegen Sie bitte einen Moment, wie Sie eine Arbeit verrichten, die dauerhaft schlecht bezahlt wird und bei der Ihnen Ihre berufliche Identität stückchenweise am lebendigen Körper abgesäbelt wird und das, obwohl Sie zig Fachausweise und Ausbildungen vorlegen mussten, um in den Genuss einer solchen Tätigkeit in diesem System zu kommen!

      Sehen Sie, da müssen Sie innerlich Berge versetzen, um dennoch ihre Arbeit gut zu verrichten!

      Nun folgen Sie mir bitte noch einen Augenblick! Richard David Precht zitiert in seinem viel gelesenen Buch „ Wer bin ich und wenn ja, wie viele?“ (2007) eine Untersuchung des Psychologen Marc Hauser von der Harvard Universität. Es geht um folgende Situation: „Ein Waggon rast völlig außer Kontrolle über das Gleis direkt auf fünf Gleisarbeiter zu. Sie, lieber Leser, stehen an der Weiche und sehen den führerlosen Wagen heransausen. Wenn Sie die Weiche nach rechts umstellen, können Sie das Leben der fünf Männer in letzter Sekunde retten. Der einzige Haken dabei ist: Wenn der Waggon nach rechts abbiegt, überfährt er ebenfalls einen Gleisarbeiter – allerdings nur einen einzigen. Was würden Sie tun?“ (2007, S. 169)

      Dann wurde die Versuchsanordnung durch Marc Hauser variiert: Sie stehen nicht an der Weiche, sondern auf einer Brücke über dem Gleis. Neben Ihnen steht ein dicker Mann, den Sie auf die Schiene stoßen müssten, um den Waggon von den fünf Gleisarbeitern abzulenken.

      Precht weist darauf hin, dass sich 300 000 Menschen diese beiden Fragen bisher gestellt haben. Das Ergebnis bezüglich Frage 1: „Fast jeder der Befragten würde die Weiche umstellen. Er würde den Tod von einem einzigen Menschen in Kauf nehmen, um das Leben von fünf Männern zu retten. Frage 2: Nur jeder Sechste würde den dicken Mann von der Brücke schubsen, um das Leben der fünf Männer zu retten. Die große Mehrheit würde es nicht tun.“ (Precht, 2007, S. 170)

      Precht: „Ist das nicht ein seltsames Ergebnis? Ob ich die Weiche umstelle oder den Mann von der Brücke stoße – das Resultat ist doch in beiden Fällen das Gleiche? Ein Mann stirbt, und fünf werden dadurch gerettet. Von der Bilanz der Toten und Überlebenden her gesehen gibt es keinen Unterscheid. Und doch scheint es einer zu sein. Ob ich den Tod eines Menschen in Kauf nehme oder ob ich ihn selbst herbeiführe, ist ganz offensichtlich nicht dasselbe. Psychologisch macht es einen erheblichen Unterschied, ob ich aktiv oder passiv für den Tod von Menschen verantwortlich bin. Im ersten Fall habe ich das Gefühl, einen Mord zu begehen, selbst wenn ich damit das Leben anderer Menschen rette. Im zweiten Fall ist es eher das Gefühl, Schicksal zu spielen. Zwischen aktivem Tun und passivem Unterlassen liegen gefühlte Welten. Und bezeichnenderweise unterscheiden auch die Strafgesetzbücher nahezu aller Länder sehr genau zwischen mutwilligen und unterlassenden Handlungen.“ (Precht, 2007, S. 170; Block M.E.)

      Überträgt man diese Untersuchung auf das Gesundheitswesen und die darin arbeitenden Psychologischen Psychotherapeuten und Ärzten, so stehen sie jeden Tag vor der Notwendigkeit, eine Auswahl an Patienten, die sie behandeln, zu treffen: Nehme und behandele ich einen Privatpatienten oder einen Kassenpatienten? Diese Entscheidung nimmt ihnen keiner ab. Es ist auf der tieferen Ebene auch eine Frage, ob ich meine finanzielle und menschliche Existenz gegen die Existenz des Patienten stelle. Welcher gebe ich mehr Gewicht? Wen und wie viele behandele ich? Was kann ich selbst gerade noch verkraften und weis dennoch nicht, wie ich die Steuern bezahlen kann?

      Es macht einen riesigen Unterschied, ob ich persönlich jeden Tag aufs Neue viele solcher Entscheidungen für oder gegen Patienten treffen muss (und mit diesen Entscheidungen fertig werden muss), weil die Krankenkasse ggf. die notwendigen Maßnahmen nicht erstattet und mir bewusst ist, dass ich sie dann selbst bezahlen muss: und dies zusätzlich bei nicht diskutablen Honoraren. Oder ob Politiker aus großer