»Mr. Munro. Selbst Ihre Kinder müssen gewisse Regeln lernen. Dazu gehört auch der Umgang miteinander und untereinander. Ausdrücke, wie ich zitiere: Ehefrauschwein, Grasdaggl oder Bähmulla, was auch immer die letzten beiden Worte bedeuten mögen, werde ich in meiner Schule nicht dulden«, entgegnete Mrs. Smith ungerührt.
Lou bildete sich ein, dass ihre Ohren vor Scham bereits glühten. Selbstverständlich hätte sie die schwäbischen Schimpfworte für Mrs. Smith übersetzen können, sah aber nicht wirklich einen Sinn darin. Sie würde ihren Bruder Tobias ungespitzt in den Boden rammen, wenn er das nächste Mal aus Deutschland zu Besuch kam, den diesem hatten sie diese Schimpfworte offensichtlich zu verdanken.
»Ich denke nicht, dass unser Sohn ‚Ehefrauschwein‘ als Schimpfwort ansieht. Er wollte sich vermutlich lediglich bei der kleinen Lydia einschmeicheln. Da steckten keine bösen Absichten dahinter. Was die Schimpfworte anbelangt, habe ich da schon weitaus schlimmere vernommen. Wir werden aber mit unseren Kindern im Familienrat darüber reden. »Mr. Munro, ich muss schon bitten! Wollen Sie irgendetwas andeuten?«, fiel ihm Mrs. Smith mit deutlich rotem Kopf ins Wort.
Lou hätte sich am liebsten geohrfeigt, schließlich hatte sie es versäumt, Alasdair zu sagen, dass Mrs. Smith eine ledige Emanze war, mit welcher man das Thema Familie oder Ehe ganz bestimmt nicht erörtern sollte. Wer wollte auch schon so einen Drachen heiraten? Um ihm zu verdeutlichen, dass er einfach den Mund halten sollte, senkte sie ihren Fuß auf den seinen. Alasdair ließ sich dadurch jedoch keines Wegs irritieren.
»Moment. Da verstehen Sie etwas völlig falsch, Mrs. Smith. Ich rede von unseren Kindern, nicht von Ihren Familienverhältnissen. Ein bisschen Schlamm und Dreck hat noch keinen Menschen umgebracht, sonst würde ich hier nicht mehr sitzen. Wenn Sie an dieser Schule so auf Perfektionismus aus sind frage ich mich, warum zum Teufel es überhaupt eine Dreckpfütze gab, die groß genug war, dass sich unser Sohn darin wälzen konnte? Wo war die Pausenaufsicht? Es sind schon Kinder in Pfützen ertrunken«, entgegnete Alasdair kalt, was Lou dazu veranlasste einzugreifen, bevor diese Situation vollkommen eskalierte. Ihren Fuß mit vollem Gewicht auf Alasdairs Fuß sagte sie:
»Was mein Mann damit sagen will, Mrs. Smith ist: Wir werden unser Möglichstes tun, um zukünftig solche Situationen zu vermeiden.«
»Das käme mir sehr gelegen, Mrs. Munro. Vielleicht würden Sie dann auch dafür Sorge tragen, dass Ihre Tochter aufhört, den anderen Kindern Angst zu machen. Sie hat diesen erklärt, dass im Lehrerzimmer der Bakterien wegen Waschbecken angebracht sind. Damit sich auch die Lehrer die Hände waschen können, da die Bakterien der Kinder, die sich keine Hände waschen, ihnen sonst die Haut wegfressen. Können Sie sich nur annähernd vorstellen, was hier für ein Theater los war?«
Himmelherrgottsackzement . Meterlange Schlangen auf den Toiletten mit Kindern, die sich plötzlich alle anständig die Hände wuschen, kamen Lou in den Sinn. Vielleicht hätte sie Diana das mit den Bakterien doch nicht ganz so ausführlich erklären sollen. Denn allem Anschein nach war ihre Tochter auf dem besten Weg, zur Drama-Queen zu mutieren. Betroffen räusperte sie sich und ignorierte die Finger ihres Schotten, die Smileys auf ihrem bestrumpften Knie hinterließen.
»Es tut mir sehr leid Mrs. Smith, dass Diana da etwas übertrieben hat. Sie ist ja erst vier Jahre alt. Dennoch finde ich, dass Hygiene ein wichtiges Thema ist«, gab sie zerknirscht zu.
»Mindestens so wichtig wie Alkohol bei Kindern!«, entgegnete Mrs. Smith kühl.
»Was wollen Sie uns damit andeuten, Mrs. Smith?«, übernahm Alasdair die weitere Unterhaltung, da es Lou die Sprache verschlagen hatte. Ihr Herz schien zu rasen, während ihre Ohren sausten und sie kaum noch Luft bekam. Was um alles in der Welt wollte Mrs. Smith andeuten?
»Ihre Frau gibt den Kindern Alkohol. Genauer gesagt: hochprozentigen Schnaps. Zwergenschnaps!«, sagte die Lehrerin und sah Lou dabei mit Augen an, die sie zu durchbohren schienen. Ihr war, als hätte ihr soeben jemand den Teppich unter den Füßen weggezogen. Wohingegen Alasdair in dröhnendes Lachen verfiel.
»A dhia, ha ha ha. Soll das ein Witz sein? Mrs. Smith, ich kann Ihnen versichern, dass meine Frau nichts dergleichen tut oder tun wird. Das ist ein Missverständnis. Bei diesem Zwergenschnaps handelt es sich um simple Zitronenlimonade aus Schnapsgläsern, mit denen die Kinder bei Feierlichkeiten mit uns anstoßen durften. Es mag zwar selbst im heutigen Zeitalter noch Menschen geben, die bei zahnenden Kindern oder bei Schlaflosigkeit Whisky kredenzen wie in den alten Zeiten, doch weder meine Frau noch ich oder irgendjemand aus meiner Familie gehören zu diesem Menschenschlag!«
Selbst auf der Heimfahrt lachte Alasdair noch immer vor sich hin und zog sie mit diesem Vorfall auf. Auch wenn ihren beiden Kindern offensichtlich das künstlerische Talent fehlte, Phantasie war genügend vorhanden. Trotzdem fühlte Lou sich im Moment, als wäre sie die schlechteste Mutter auf der ganzen Welt. Musste sie sich jetzt jedes Wort, das sie zu ihren Zwillingen sagte, ganz genau überlegen? Reichte es nicht, dass sie immer und immer wieder von Selbstzweifeln geplagt wurde? Mach dir nichts vor Louise, du bist alt. Steinalt, sagte ihr Gewissen. »Hör auf zu grübeln, Lou! Du wirst dir doch nicht die Worte dieser frustrierten, grauen Sassenach zu Herzen nehmen«, tröstete sie ihr Schotte und strich ihr zwischen dem Schalten in den nächsten Gang beruhigend über die Wange.
»Du hast gut reden. Immerhin musst du dir nicht jeden Tag beim Abholen der Kinder den Klatsch dieser Frauen anhören. Du bist übrigens gerade an unserem Zuhause vorbei gefahren«, murrte sie frustriert.
Vor dem Fenster nahm Alasdairs Cottage Gestalt an. Sie hatte sich bereits über das schelmische Grinsen um seine Mundwinkel gewundert. Tatsächlich vermieteten sie das Cottage selten, weil es ihnen ein willkommener Rückzugsort war. Ein Liebesleben mit vierjährigen Zwillingen war nämlich kaum möglich, wenn Nacht für Nacht die Eltern auf Wanderschaft gingen, da die Zwillinge samt dem alten Doc das elterliche Bett für sich beanspruchten. So oft es irgendwie ging, trafen sie sich wie die frisch Verliebten an jenem Ort, an dem alles seinen Anfang genommen hatte.
»Ich dachte mir, ich muss meine hübsche Bonnie Lass ganz dringend auf andere Gedanken bringen. Oder bist du zu müde?«
Natürlich war sie müde. Auf einer Skala von eins bis zehn wäre sie locker die elf und somit Dornröschen gewesen. Nur würde sie das unter keinen Umständen sagen. Schließlich kam die Frage von dem Mann, der so ziemlich jeden Morgen ab 4.00 Uhr bereits in seiner Backstube stand und trotzdem niemals müde wirkte. Ganz im Gegenteil zu ihr selbst. Sie antwortete ihm mit einem Lächeln, was ihm anscheinend genügte. Kaum war das Auto geparkt, eilte er zu ihrer Tür und öffnete diese ganz gentlemanlike. Er ließ sie jedoch nur kurz aussteigen, um sie dann zu schultern und zum Haus zu tragen.
»Du wirst dir noch deinen Rücken verrenken, Lad«, schimpfte sie gespielt und musste kichern.
»Aye, du warst schon mal leichter, mo cridhe«, neckte Alasdair sie amüsiert und sorgte dafür, dass sie mit den Händen verärgert auf seinen Rücken trommelte.
»Wirst du das wohl bleiben lassen, du verrücktes Frauenzimmer!«, stieß er lachend aus.
»Erst wenn du mich runterlässt oder das zurücknimmst. Du willst doch wohl nicht behaupten, dass ich fett bin?«
»Von fett war keine Rede, Lass. Angenehm rundlich, aye. Also nicht wie diese tapezierten Knochen, so dass Mann auch etwas in den Händen hat«, erwiderte ihr Schotte, wobei er als Bestätigung mit beiden Händen ihre Pobacken festhielt. Protestierend gab sie ein Quietschen von sich.
Wenn seine a‘ gearmailteach solche Töne von sich gab, konnte er sich kaum zügeln. Wie so oft war ihm völlig unbegreiflich, dass Louise keine Ahnung von ihrer Wirkung auf ihn hatte, auch wenn sein Körper ihn verriet. Oder wusste sie es und machte all diese Töne und Bewegungen aus Provokation? Den ganzen Abend hatte Alasdair sich