Helga macht eine überraschte Miene und meint „Aha?“
„Ja“ antwortet Margot „erinnerst du dich noch an diese Petch-a-boon, liebe Tante?“ „Sicher ...“ bestätigt diese mit leicht angewidertem, fragendem Gesichtsausdruck. Was will die mit der frechen Göre?
„Nun, es sieht so aus, als ob der Junge zu Westerburg, dieser Henley, ein Jahrgangskollege von mir... naja, es ist mir halt aufgefallen, dass die beiden viel Zeit miteinander verbringen. Die stecken ständig die Köpfe zusammen.“ Sie macht eine kurze Pause:
„Dieses dumme Schwein mit seinem Riesenmaul ist auch meistens in der Nähe anzutreffen.“ meint sie abschließend.
Helga schmunzelt: „Na dann lass Sie doch. Liubomir ist auf unserer Seite, das kann ich dir verraten.“ Doch Margot schüttelt den Kopf.
„Liubomir Iliev ist ein super Lehrer. Militärgeschichte mein Lieblingsfach. Doch ich will viel weiter gehen. Hab was Krasseres geplant.“
„Jetzt bin ich aber neugierig“ meint Ihre Tante.
„Ich lass die verschwinden, diese Petch-a-boon, mein ich. Ich weiß auch schon wohin. Aber genau da brauche ich deine Hilfe!“
„Aha. Nun schwierige Zeiten rechtfertigen einiges. So, dann mal raus mit der Sprache. Bisher geb ich grünes Licht.“
Margot strahlt ob dieser Zustimmung: „Wir verschleppen Sie rauf ins Bergsanatorium Altrosa. Dort bekommt Sie einen neuen Job als Versuchskaninchen. All diese Anti-Depressiva. Glaub mir: Das ist schlimmer als der Tod.“
„Jetzt siehst du, warum ich deine Hilfe brauche. Ich weiß das dein Chef und der des intensivmedizinischen Instituts...“
„Ja, Rebelkov und Prof. Noktios sind einander bekannt.“ Zwitschert Helga dazwischen: „Ich glaube das lässt sich arrangieren. Freiwillige Medikamententester werden immer gebraucht...“ sinniert sie weiter.
Gespannt blickt der junge Kampfknäul, Ihr Gegenüber, Sie nun an. Helga nippt an Ihrem Tee:
„Vielen Dank für all diese Informationen, liebe Margot. Ich kümmere mich darum. Aber keine Aktionen vor dem offiziellen ‚Go‘ seitens Rebelkov. Ist das klar?“
„Selbstverständlich liebe Frau Tante Generalassistenz. Aber natürlich erwarte ich Deine Anweisungen. Ich bin stets zu Diensten.“
Dame Helga reibt sich genüsslich die Hände und meint abschließend: „Nach über zwanzig Dienstjahren kann ich dir aber bereits so viel verraten: Ich glaube das geht in Ordnung.“
(V) Letzter schöner Tag auf Erden
Auch wenn der Konflikt Alte versus Neue Welt mehr und mehr offensichtlich wird, so hat es der Direktor des noblen Alanis Instituts für angewandte Wissenschaften, Regis Vekter, doch geschafft diesen aus seinem College weitestgehend herauszuhalten.
Seine Schule kümmert sich primär um die Bildung. Sie stellt damit ein unabhängiges Bollwerk dar. Freilich gibt es Fraktionen. Da wäre z. B. Liubomir Iliev und seine MIL-Gang zu nennen. Populär ist sie, auch weil kein geringerer als der Sohn der Regentin, Herold von Westarp diesem Kreise mehr als nur nahesteht.
Dann gibt’s die sich-raushalter und durchschlängler, aber wie überall kann man diese getrost vergessen.
Auf der anderen Seite des Spektrums tummeln sich die liberalen Freidenker im Interspecies-Unterricht. Prachtexemplare dieser Gattung kennen wir allzu gut.
Was schleicht denn da für eine Bande um die Ecke? Ein junger drahtiger Ruba, er mag um die 15 sein, textet gerade heftig seine Klassenkameradin zu. Mit Armen und Beinen fuchtelt er dabei.
Das angesprochene gleichaltrige, exotische Mädchen hebt beschwörend die Hände neben Ihren Kopf. Es ist Patchara Petch-a-boon, angehende Diplomatin aus der östlichen Provinz Xonburi hier auf dem Trivy.
Direkt hinter den beiden läuft ein gutaussehender Junge, wahrscheinlich ein Klassenkamerad. Er schüttelt leicht den Kopf. Es handelt sich um Prinz Henley zu Westerburg, einer der wenigen Schüler vom andern Stern, des 0.82 Lichtjahre entferntem Indi.
Er trägt die Haare nun etwas wilder gestuft, die Dunkelroten, leicht silbrig glänzenden Strähnen in seiner schwarzen Mähne sind Natur, ebenso wie seine strahlend schönen weinroten Augen.
„Zum letzten Mal, Svino…“ meint Patchara an die Adresse Ihres zappligen Gegenübers: „auch wenn wir dieses Jahr nur zwei gemeinsame Fächer haben kannst du das mit dem Referat vergessen!“
„Blah, Blu, pappel-popp“ quakt der Angesprochene zurück „was vor du Angst haben hast? Einfach ist’s ganz schön.“
„Svino!“ schnappt Patchara genervt zurück „Keiner macht ein Doppel-Referat in diesem neuen Fach. Erstmal abwarten um was es in ‚Purposition‘ eigentlich geht.“
Sie macht eine Pause: “Außerdem ist mir heute noch, ganze drei Jahre später unsere Interregions-Katastrophe sehr wach im Gedächtnis.“
Svinenysh ist entgeistert: „Unglück was? Schön wars ist’s gewesen toll ab dafür…“
Patchara winkt ab, Svinenysh zieht darauf hin eine Grimasse rüber, dann strecken Sie sich gegenseitig die Zunge raus. Patchara Petch-a-boon ist mittlerweile stolze 15, außer Svinenysh schafft das keiner mehr.
Henley schlurft derweil hinterher und murmelt: „was sich liebt…“ aber dies bleibt den beiden Hitzköpfen in der Eifer des Gefechts verschlossen.
Ja, die beiden Streithälse sind so vertieft, dass sie nur wenig von Ihrer Umwelt mitbekommen. Normalerweise hat das die kluge Patchara besser im Griff. Gerade biegen Sie um die Ecke in einen größeren Raum ein.
Oh nein, da vorne, in der Aula steht auch Sie: Margot Rottweil mit Ihrer Gang, Ihres Zeichens Intimfeindin Patchara Petch-a-boons inklusive deren Anhang.
Heute also, keine Woche nach Unterrichtsbeginn das erste unausweichliche Aufeinandertreffen.
Margot setzt eine grässliche Fratze auf. Triumphierend trötet Sie an Ihre Klone gewandt: „Da seht mal, hier kommt das neueste Liebespaar! Süß wie Sie sich kabbeln.“
Das schallende Gelächter Ihrer Drohnen lässt die Aula fast erzittern. Aber, die eine oder andere aus der Traube blinzelt auch blöd in Richtung Henley. Eine einzelne winkt sogar zaghaft.
Patchara indes lässt die Schultern hängen und murmelt: „Auch das noch. Ich hätte besser aufpassen sollen.“
Sie bleibt stehen, die schreckliche Margot ist jetzt nur noch etwa zehn Meter von unserem Trio entfernt. Selbst Svinenysh schaut mittlerweile in Ihre Richtung.
Margot brüllt: „Macht ruhig weiter Ihr Lieben. Bin gespannt was dabei rauskommt. Bekloppter als du kann‘s nur schwer werden. Dein Liebliches Trymoo-Schwein mit seinem Riesen-Maul ist genau der passende für Dich!“
Wieder lautes Gelächter der Drohnen. Svinenysh quakt: „Dumpfkuh blöde bist du! Weiß jeder alles!“
„Oho, huuh“ murmeln einige Jungs aus Margots Gang daraufhin. Margot ergreift erneut das Wort:
„Halt die Fresse Toilettenputzer. Schau zu dass du zurück gehst wo du hergekommen bist. In den Sumpf, du Opfer.“
Henley und Patchara linsen sich an. Sie sind kurz davor einzuschreiten, doch diesmal ist Svinenysh schneller. Mit einem einzigen Satz springt er die zehn Meter rüber ins Feindesland, entreißt einem Nachbar die Cola und schüttet sie Margot über den Kopf.
Geschickt dreht er sich dann um 90 Grad und hüpft mit einem erneuten Satz heim zu den Seinen.
Wie ein begossener Pudel steht nun Margot in Ihrer ganzen Fülle da. Die süße Cola zusammen mit all dem Gel in Ihren kurzen Stoppelhaaren ist eine Giftmischung an der sie noch eine Weile Freude haben wird.
Zeit