Mein berlinerndes Herz. Mathilde Schrumpf. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Mathilde Schrumpf
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783750273122
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hält. Doch hält es, was es nie versprochen hat.

      Wann werde ich für Verbrechen begnadigt, derer ich mich selbst bezichtigte? Dich nach allem, was du dagegen aufgeboten hast, noch immer zu wollen: schmerzhaft, grundlos und niemandem, am wenigsten mir selbst erklärlich. Ich hatte dieses verbrecherische Gefühl für Jahre in mir eingeschlossen, denn du hattest gesagt, lass das. Eine Unterlassungsklage. Und da dich zu wollen für mich hieß, wir machen, was du sagst, hört ich eben damit auf. Offiziell.

      Was Menschen verboten ist, tun sie heimlich. Da ich an anderen Gefühlen gelernt und geübt habe, schaue ich mir auch meine Liebe zu dir an. Geduckt, etwa mittelgroß tritt sie hinaus ins Sonnenlicht, und mein erster Gedanke bei ihrem Anblick ist: Was hätte aus ihr werden können.

      Sie war, nun ja, nicht eingesperrt, sagen wir: interniert, in einem mittelgroßen Zimmer. Dreimal am Tag gab ich ihr zu essen. Schließlich fügte sie sich drein und lebte ihr Leben. Oft musste sie sich fragen lassen, was ihr Festhalten an dir denn bringen solle: Wenn du stürbest, stürbe sie dann auch?, und Ähnliches mehr. Sie hat mit diesen Fragen zu leben gelernt. Wenn sie ihr wehtaten, übte sie, ihre Aufmerksamkeit auf andere Dinge zu richten.

      Diese Liebe und ich, wir hatten ein Abkommen: Ich hatte ihr versprochen, wenn sie 30 wird, darf sie raus. Aber bis dahin müsse sie sich ruhig verhalten.

      Die ersten 15 Jahre gingen so hin, Frühling, Sommer und Weihnachten brachte sie herum und spannte mit wohl kalkulierter Kraft den Bogen der Ausdauer. Dann aber, ganz allmählich, ließ sie die Arme sinken, kehrte sich um, saß 30 Minuten tatenlos am Schreibtisch, legte sich in einer Zimmerecke auf den Boden und starrte ins Leere.

      Dann öffnete sie den Mund: „Ich will etwas anderes.“

      Ich stand hinter dem Guckloch an der Zimmertür. Sie zu bewachen, war selbstverständlich mein Beruf geworden, denn ich konnte nur das, und nur ich konnte es. Ich wusste sofort, was das bedeutete. Ich konnte sie nicht halten. Sie würde sich so oder so verändern, nicht bleiben, was sie gewesen war. Um das Gesicht zu wahren, zögerte ich noch fünf Tage, als sei nichts geschehen. Dann schob ich an einem Dienstagmorgen den Riegel zurück und sperrte die Tür auf.

      Die Liebe hatte ihre Siebensachen gepackt. Ich nahm nun selbstverständlich an, dass sie zu dir laufen oder gar im Zimmer hocken bleiben würde, nach all der Zeit. So war es aber nicht.

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