Das zeigt auch unser Gespräch.
Mona hängt eigenen Gedanken nach, sagt unvermittelt:
„Krankenhausärztin stelle ich mir als harten, mäßig bezahlten Job vor.“
Könnte das nicht ein Grund sein, sich eine einträgliche Nebenbeschäftigung zuzulegen? Dann kommen ihr Zweifel. Wahrscheinlich sind die Arbeitszeiten in der Klinik sehr unregelmäßig. Obendrein Bereitschaftsdienst. Wenn die Frau nach Hause kommt, ist sie fix und fertig. Das passt schlecht zum Job einer Sex-Domina. Wie lange gehen solche Treffen? Wann haben ihre Kunden Zeit?
„Noch mal, Mona: Ihr Freund – der Mann heißt Bucharin – wirkte ehrlich überrascht und fand die Unterstellung beleidigend.“
Seine Freundin hätte niemals als Prostituierte gearbeitet, schon gar nicht als Domina.
Das Sex-Thema scheint Monas Phantasie zu beflügeln. Vielleicht ist der Freund zu gutgläubig, findet sie. Schließlich hätten Frauen großes Geschick, ihren Männern etwas vorzuspielen oder zu verheimlichen. Der Job als Sex-Domina sei ohnehin leichter mit dem Gewissen zu vereinbaren. Denn gewöhnlicher Geschlechtsverkehr gehört normalerweise nicht zu der Betätigung; oder? Und wieso muss das ein männlicher Kunde gewesen sein? Gibt es keine Frauen, die derartige Sex-Dienste in Anspruch nehmen? Also müsste das K 11 auch eine Täterin in Betracht ziehen.
Corinna nickt und schreibt auf ihrem Klemmbrett.
Monas Hinweise bringen mich auf einen anderen Gedanken.
„Die Verletzungen erscheinen mir ungewöhnlich. Auf das Ausleben einer Lustphantasie deutet das nicht hin, oder?“
„Schwer zu sagen. Kollegin Conrad kennt sich aus mit solchen Taten. Sie schließt ein perverses, aber verunglücktes Sexspiel weitgehend aus. Für uns spricht die Tatausführung für gezielt, vorsätzliche Gewalt gegen die Frau.“
Also planvolles Vorgehen.
Wie ist der Täter in die Wohnung gelangt?
„Auch da, Robert, Fehlanzeige. Es gibt keine Hinweise auf ein gewaltsames Eindringen.“
Demnach hat sie dem Täter die Tür geöffnet. Und hat ihn gekannt. Das wiederum spricht für einen Kunden, führt Mona den Gedanken weiter.
„Nein, Schatz,“ gibt Corinna zurück.
„Es kann eine fremde Person gewesen sein. Erinnert euch, wie leicht mich Harkötter damals an meiner Wohnungstür überwältigt hat, weil ich arglos geöffnet habe.“
Es freut sie sichtlich, wie angeregt sich Mona am Nachdenken über ihre Polizeiarbeit beteiligt.
Zwei Notizen später sieht Corinna mich auffordernd an.
„Na, so still. Was denkst Du, Robert?“
„Noch mal einen Schritt zurück, okay? Fest steht nur, es gab den Angriff. Der war keine Gelegenheitstat, sondern geplant. Und er galt bewusst der Frau. Der Täter hat also eine Art Beziehung zu dieser Person, und sei es nur im Kopf.“
Für ein harmloses Sex-Spiel bringt man keine Säure mit. Wurde ein Fläschchen, ein Glas oder etwas Ähnliches mit Säure gefunden, vielleicht im Bad? Bevor ich anfange, Sex-Kunden, vielleicht auch Sex-Kundinnen aufzutreiben, probiere ich es mit einfacher Logik. Was ist, wenn der Freund die Wahrheit sagt? Wenn die Frau wirklich nur als Ärztin tätig ist?
Corinna nickt langsam.
„Das hieße, jemand will uns bewusst auf eine falsche Fährte locken.“
„Berkamp, Du meinst ...“ überlegt Mona, „andersrum. Dann müsste der Täter die Sex-Spielsachen mitgebracht und ausgebreitet haben, damit es aussieht als ob ...“
„Eben. Corinna, schaut euch die Sachen genau an. Vielleicht erkennt man, ob sie häufig benutzt worden sind.“
Während ich spreche kommt eine weitere Idee dazu.
„Noch etwas. Das Handwerkszeug solcher Damen. Habt ihr größere Mengen Kondome und Kleenex-Tücher gefunden?“
Corinna schlägt überrascht mit der flachen Hand auf ihr Schreibbrett.
„Hallo! Das ist ein guter Gedanke, echt gut. Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Wir gehen dem nach. Und der Herkunft der Säure.“
Sie hebt das Clipbord an und schreibt wieder.
Mona wartet eine Weile, ehe sie sich vergewissert:
„Oh Mann, jemand will ein Sex-Ding vortäuschen, hat aber nicht daran gedacht, dass dazu ein satter Vorrat Kondome gehört? Auf den ersten Blick eine klare Sache. Aber wenn man genauer hinschaut ... das Chaos wird immer größer.“
„Schatz, das ist am Anfang immer so. Aber mit Geduld, guter Technik und klugen Mitdenkern bringen wir Licht ins Dunkel.“
„Na super. Also Mammi, an die Arbeit. Spart euch die Suche nach Kunden. Euer Täter ist ein hintertriebenes Dreckschwein.“
Corinna schaut auf ihre schmale Armbanduhr und lässt das Schreibbrett auf den Teppich fallen.
„Ihr Lieben, wisst ihr, wie spät es ist? Für heute reicht ’s. Es war mir wie immer ein Vergnügen. Danke für die Anregungen. Montag ist auch noch ein Tag. Wer kocht morgen? Mona, an sich bist Du ...“
Schon überredet, bestätigt die. Es gibt Fisch mit Blumenkohl; keine Widerrede. Bei schönem Wetter in Bingen mit Blick auf den Rhein.
Erfolgreiche Kriminalisten sollten schließlich öfter mal über den Tellerrand hinausschauen.
9
Wettschulden sind Ehrenschulden.
Vor einem halben Jahr hätte ich jeden für verrückt erklärt, der mir das vorhersagt. Jetzt wasche ich mit gelassener Sorgfalt an jedem zweiten Montag – handwarm mit Schonwaschmittel – Damenunterwäsche, BHs, Panties und hänge sie zum Trocknen auf. Während der Viertelstunde brechen meine Gedanken regelmäßig in die freie Wildbahn aus und kehren mit netten Geschichten zurück.
Dennoch, meine Montage sind „grauer“ als früher. Sie beginnen zwar geschäftig, oft auch vergnüglich. Ich habe mir angewöhnt, meinen beiden Herzblättern das Frühstück zu bereiten. Zwischendurch feuere ich sie mit albernen Sprüchen an, ihre Betten rechtzeitig zur Ergreifung der Arbeitswelt zu verlassen und erträglich laut um die Dusche zu streiten.
Sind sie schließlich für die nächsten fünf Tage abgezwitschert, fühlt sich die Wohnung farbloser an. Dann hocke ich erst ein wenig missmutig und unschlüssig in der Küche herum. Die Aussicht auf die eine oder andere Nachmittagssitzung mit Coaching-Kunden hellt meine Stimmung zwar auf. Doch gelegentlich beschleicht mich ein verstörender Gedanke. Wenn das so weitergeht, verwandeln mich meine beiden Frauen mit süßem Lächeln in einen wohlerzogenen Hausmann, jede Woche etwas mehr.
Nach dem Beseitigen der Frühstücksspuren verbringe ich den Vormittag mit Aufräumtätigkeiten und fälligen Hausarbeiten.
Heute kreisen meine Gedanken hartnäckig um Frau Dr. Neskovaja.
Ich erinnere mich gut an die damalige Begegnung im Nordwest-Krankenhaus. Dass inzwischen eine Ärztin aus Russland hier bei uns arbeiten kann, fand ich erfreulich. Und jetzt?! Mit ihrer Figur ist die Frau bestimmt eine Wucht in schwarzen Dessous. Aber als Prostituierte kann ich sie mir einfach nicht vorstellen. Dafür war ihre ganze Ausstrahlung damals zu „ärztlich“, ihr Blick zu „lieb“.
Tolle Begründung; ich weiß.
Hey, das ist die Antwort!
Gegen ein allzu braves Hausmannsdasein lässt sich etwas tun.
*
Kleine Einführung in die für mich faszinierendste Sache der Welt. Nachdem er und seine Kumpels mit dem Abschlachten von Indianersippen und Siedlerfamilien sowie dem Plündern ausgedehnter Waldgebiete für