Der ganz 'normale' Alltag. Norbert Dinter. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Norbert Dinter
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783748536581
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Glücklicher." entgegnete das Fräulein und führte den Mann in den Laden. "Wie viel Rosen sollen es denn sein? - Leider habe ich nur noch rote Rosen da."

      "Das macht überhaupt nichts." winkte der Trucker ab. "Rot ist die Farbe der Liebe. - Ich hätte gerne alle, die sie noch haben."

      Leise zählend band das Fräulein die Blumen zusammen.

      "Vierzehn," sagte sie schließlich laut. "Es sind genau vierzehn Stück."

      "Das passt ja prima." freute sich Johnny. "Morgen ist unser vierzehnter Hochzeitstag."

      "Na, wenn das kein Glück bringt." kommentierte die Verkäuferin und tippte den Preis in ihre Kasse.

      Während Johnny die Blumen bezahlte, öffnete sich die Ladentür und ein kleines, braunhaariges Mädchen schlich herein.

      "Ich hätte gern eine Rose," bat sie das Fräulein und sah sie aus großen, dunklen Augen an. "Eine Rose für Mami, bitte.“

      Verlegen schüttelte die Verkäuferin den Kopf. "Ich hab' leider keine Rosen mehr. Der Herr hat die letzten Rosen gekauft."

      "Aber ich hab' ihr doch eine Rose versprochen." flüsterte das Kind kaum hörbar und senkte traurig den Kopf. Eine dicke Träne rollte über ihre Wange. "Mami hat Rosen so gern."

      Beschämt hockte sich der große Mann neben das zierliche Mädchen und strich ihr die Träne aus dem Gesicht. "Soll ich Dir eine von meinen Rosen geben?"

      Stumm nickte das Kind. "Bitte."

      "Schön, dann bekommst Du eine von mir." schlug der Mann vor. "Aber erst bringe ich Dich zu Deiner Mami."

      Gerührt sah die Verkäuferin dem ungleichen Paar nach, das Hand in Hand die Straße vor ihrem Laden überquerte.

      "Ist das Dein Auto?" fragte das Mädchen bewundern, als sie Johnnys Truck erblickte. Ihre dunklen Augen leuchteten vor Freude. "Das ist aber groß."

      "Das muss ja auch eine ganze Menge Zeug transportieren." erklärte Johnny.

      "Was für Zeug?" wollte die Kleine wissen.

      "Nun, Maschinen, Autoteile, Rohre - alles, was für ein kleines Auto zu schwer ist."

      "In echt?“ staunte das Mädchen, während es auf den Beifahrersitz krabbelte.

      "In echt." bestätigte Johnny lächelnd und nahm hinter dem Steuer Platz. "Wo müssen wir denn hin?"

      "Erst mal geradeaus." deutete die Kleine. "Und dann nachher um die Kurve."

      "Aber Du kennst den Weg?" interessierte Johnny.

      "Klar." nickte das Mädchen. "Ich geh' ihn jeden Tag."

      "Na schön, dann wollen wir los." Johnny startete den Motor seiner Maschine.

      Erschrocken saß die Kleine für einen Moment still da, doch dann lachte sie wieder. "Boooh, macht der aber einen Krach."

      Auf der kurzen Strecke, die Johnny nach den Anweisungen seiner neuen Freundin zurücklegte, erfuhr er von 'Willy mit den bunten Autos' und von 'Rudi mit dem dicken Ball', von 'Susi mit den roten Zöpfen', und zu guter Letzt, das seine kleine Begleiterin Anna hieß.

      "Wir sind da." jubelte die Kleine, als sie sich einer hohen Hecke näherten. "Bitte, halt' an."

      Johnny stoppte seinen Truck und sah über den Rand der grünen 'Mauer'. Dahinter lag ein Friedhof. Schweigend stieg der große Mann aus und hob Anna aus dem Führerhaus. Das Mädchen lief sofort auf das große Tor in der Hecke zu, doch an der Pforte wand sie sich noch einmal um.

      "Wo bleibst Du denn, komm schon." rief sie voller Ungeduld.

      Johnny nahm die Rosen und folgte dem Kind. Zielstrebig huschte Anna durch die Reihen, und dem Mann fiel es schwer mit der Kleinen Schritt zu halten. Schließlich stoppte sie vor einem Grab mit einem weißen Stein und kniete sich auf den grasbewachsenen Weg.

      "Hallo, Mami." begrüßte sie das gepflegte Stückchen Erde, unter dem, wie auf dem Stein zu lesen war, eine junge Frau begraben lag. "Schau mal, was ich Dir mitgebracht hab. - Rosen, Mami, die hast Du doch so gern."

      Und während Anna Helgas Rosen in einer Vase auf dem Grab ordnete, wobei sie ihrer Mama unentwegt von ihren Freunden, vom Papi und von ihren Erlebnissen erzählte, blickte Johnny hinauf in die untergehende Sonne und sprach ein leises Gebet. In seinen blauen Augen schimmerte es feucht.

      Leben heißt kämpfen

      Birdie war ein Mädchen, das in einer sogenannten 'normalen' Familie geboren wurde. Aber sie war nicht so 'normal', wie sie sein sollte. Birdie lernte früh, dass 'leben' 'kämpfen' heißt, denn ihre Eltern nahmen den Spruch vom 'Krieg der Geschlechter' allzu wörtlich. Nahezu jeden Tag fochten sie ihre Schlachten, und niemals fragten sie dabei nach dem Kind. Birdie lernte ihr Heim zu hassen und aus dem Nest zu fliehen. Sie fühlte sich in den Straßen mehr Zuhause, als in ihrem Elternhaus.

      Eines Tages geschah, was geschehen musste. Ihre Eltern ließen sich scheiden, und Birdie musste wählen, bei wem sie bleiben wollte. Aber wussten ihre Eltern denn nicht, dass sie alle beide liebte? Sie wollte nicht wählen. So traf der Richter eine Entscheidung. Birdie wuchs bei ihrer Mutter auf. Aber sie vermisste ihren Vater. Und sie hasste ihn auch, denn er hatte sie verlassen, sein kleines Mädchen.

      Birdie begann mit den Jungen des Viertels herumzuziehen. Sie mochte es nicht, aber bei den Burschen konnte sie ihre Wut abreagieren. Sie lernte, dass 'leben' 'kämpfen' heißt. Und sie lernte zu kämpfen. Mit ihren Händen und mit Worten.

      Die Leute fingen an, sie als ein 'vulgäres Frauenzimmer' zu bezeichnen. Aber Birdie stört sich nicht daran. Sie fühlt, dass es falsch ist. Sie ist nur einsam.

      In ihr ist eine tiefe Einsamkeit. Und diese Unsicherheit. Ja, das ist richtig. Sie wünscht sich jemanden, der sie liebt und der sie beschützt. Aber Birdie hat Angst, Angst, dass sie wieder einmal wählen muss. Wissen die Leute den nicht, wie weh es tut, wenn man zwischen den Menschen, die man liebt, wählen muss? Birdie denkt, dass die Antwort 'nein' ist.

      Aber sie hofft weiterhin, dass eines Tages jemand kommt, der durch ihre raue Schale einzubrechen versucht und liebt, was er vorfindet: ein ängstliches, warmherziges Mädchen, mit einem Gefühl für romantische Momente und eine lebenslange Liebe.

      Gezeiten

      Margarethe steht am Fenster ihrer Küche und schaut hinaus in den Garten, wo ihre Enkel auf dem kleinen Rasen spielen.

      'Glückliche Kinder', denkt sie für einen Moment und versucht sich an ihre eigene Kindheit im fernen Westpreußen am Ufer des Frischen Haffs zu erinnern. Acht Jahre war sie dort nahezu unbeschwert glücklich gewesen, doch dann drängte sich dieser grausame 'Zweite Weltkrieg' mit seinen Unbilden auch in ihre friedliche Kinderwelt. Sie verlor zuerst ihre Mutter, die an Hungertyphus starb, dann ihren Vater, der kurz nach Kriegsende durch einen tragischen Unglücksfall ums Leben kam, und schließlich auch ihre Heimat, aus der sie zusammen mit einer ihrer beiden Schwestern vertrieben wurde.

      Aber nach einigen unruhigen Zeiten in ihrem jungen Leben fand sie ein neues Zuhause in den friedlichen Tälern der Schweiz. Wieder traf sie auf Menschen, die sie mochten, und ihre unsicher scheinende Zukunft bekam ein neues Ziel. Hier, im Schatten der Berge, konnte sie eine hotelfachliche Ausbildung durchlaufen und erfolgreich abschließen, ehe sie die Härte des Lebens erneut schwer traf. Die geliebten Pflegeeltern, die sie wie ihr eigenes Kind behandelten und sie sogar adoptieren wollten, wurden bei einem schweren Verkehrsunfall getötet. Margarethe blieb wieder einmal allein und verunsichert zurück.

      Doch mit der Verbissenheit eines verzweifelten Menschen, der nach einem Licht im Dunklen sucht, folgte sie einer Idee. Sie wollte Sprachen lernen, und wo geht das besser, als in den Ländern, in denen man diese Sprachen spricht. Erneut packte sie ihre Sachen zusammen, und ließ einen Teil ihrer Vergangenheit hinter sich zurück. Sie entschied sich für Großbritannien, um ihre spärlichen Englischkenntnisse aufzufrischen und zu verbessern.

      Und wie der Zufall es will, traf sie hier einen Menschen, der ein ähnlich