Es wurde wärmer, lauschig warm sogar und von fern hörten sie die Dorfglocke Mittag läuten. Nun gönnten sie dem Pferd und sich selbst wieder eine Pause. Schirrten es aus und liefen geschwind zum Fluss hinab, an dem ihnen schon ihre Mutter mit dem schweren Korb am Arm, halbwegs durch die Flussmitte gewatet, entgegen kam. Etwas weiter hinter ihr kam ein Mann heran gelaufen, stark mit den Armen gestikulierend. Als er näher kam, erkannten sie ihren Vater und hörten auch sein Rufen. >>Warte doch auf mich, warte doch Rozalka, ich trage den Korb!<< Rozalia hangelte sich mit Hilfe ihrer Söhne jenes niedrige Flussufer hoch und erreichte vor Władek angestrengt, aber glücklich lächelnd, das rettende Ufer.
>> Schaut einmal, was ich euch mitgebracht habe!<< Strahlte sie. Bei so einem prall gefüllten Korb mit Eiern, Schinken, Brot und Wurst und für Vater eine große Flasche kühles Bier vergaßen sie die mühevolle Arbeit schnell. Auch Władek kam nun heran geeilt.
Ganz außer Atem versuchte er, sich zu erklären. >>Warum hast du nicht gewartet? Du musst mich doch rufen gehört haben, Rozalia!<< - >>Ach Władek, komme erst einmal zu Atem und dann erzählst du mir, warum du die Jungs hier alleine so schwer ackern lässt!<<
>> Ich habe in der Zeit auch viel geleistet.<< Prustet er beleidigt los. >>Mir war doch total entfallen, dass ich heute schon in der Kirche zur Mitarbeit eingeteilt war. Aber nun bin ich ja hier und nach dem leckeren Mittagsstündchen geht es dann mit der Feldarbeit weiter!<< - >>Denkt daran, dass auch im Haus noch genug Arbeit ist. Anna kann nicht alles alleine machen. Und bei mir geht nun einmal im Moment nicht alle Arbeit gut von der Hand.<<
Dann schlug Władek vor: >>Ich denke, dass die Jungs mit dir nach Hause gehen könnten und ich den Rest des Tages alleine pflüge.<< So ein verlockendes Angebot brauchte er nicht ein zweites Mal vorzuschlagen. Seine Jungs waren zwar alle gerne in der Landwirtschaft tätig, liebten es aber auch, wenn es abwechslungsreich zuging. >>Ich werde mich ums Holzhacken kümmern.<< Warf Edward gleich freiwillig ein. >>Und ich schaue, was es beim Federvieh und im Stall sonst noch zu tun gibt. Außerdem wären da noch einige kleinere Handgriffe an Reparaturen am Haus zu verrichten, mein lieber Vater. Kümmere dich doch da mal zuerst drum, anstatt im Gemeinderat den ersten Posten zu beanspruchen.<< Hielt Piotr kühn seinem Vater entgegen.
Kaum, dass er dies ausgesprochen hatte, zog er den Kopf schnell weg, sonst hätte er sich für seine Frechheit eine kräftige Kopfnuss eingefangen. >>Du frecher Bengel. Mach nur, dass ich dir auf die Beine helfe. Werde erst einmal so anerkannt im Dorf, wie ich es bin. Dann kannst du mitreden.<< - >>Genug gefaxt, ihr Schwerarbeiter.<< Lenkte Rozalia müde ein. >>Ich werde mich jetzt nach unserer Stärkung auf den Rückweg machen. Geht ihr zwei dann gleich mit mir mit?<< Bei dieser Aufforderung erhoben sich Edward und Piotr, schnappten den nun fast leeren Korb fast gleichzeitig und wollten losrennen. Władek half seiner hochschwangeren und etwas ungelenken Frau beim schwierigen Aufstehen, drückte sie herzlich und scheuchte seine kichernden Söhne wie ein aufgescheuchter Hahn davon. Er selbst ging in Richtung Pferd, zäumte es vor den Pflug und legte los, weitere Furchen zu ziehen. Die Mutter mit ihren beiden jüngsten Söhne gingen zurück zum Fluss, um ihn erneut zu durchqueren, damit sie nach Hause gelangten. Zuhause angekommen, wechseln sie gleich die Kleidung, um wieder trockene Tücher um sich zu spüren.
Plötzlich verspürte Rozalia heftige Leibschmerzen und krümmte sich in Pein zusammen. Ein Aufschreien und schmerzverzerrtes Stöhnen schreckte ihre Söhne aus ihrer Sorglosigkeit hoch und sie stürzten sofort herbei, um zu helfen. Immer noch stöhnte diese laut und hielt krampfhaft mit einem Arm ihren Bauch umschlungen. Sie spürte ein warmes Etwas zwischen ihren Beinen herablaufen und stellte fest, dass da Blut kam. Schreckensbleich schaute sie ihre Jungs an und sofort kapierten sie, was da gerade passierte.
Schnell lief Piotr zu Anna; - während Edek zum Dorfarzt rannte, um Hilfe zu holen. Als der Arzt, der nicht weit von ihnen entfernt wohnte und zum Glück schon im Garten angetroffen wurde, verständigt war, lief Edward noch zur Hebamme, um auch sie zu bitten, nach ihrer Mutter und dem ungeborenen Kind in ihrem Bauch zu schauen.
Alle diese Helfer kamen zu Rozalias Haus am Fluss mehr gerannt als gegangen. Der Gemeinschaftsraum der Familie war nun mit hektisch agierenden Menschen gefüllt und deshalb zogen sich Edek und Piotr ins Nebenzimmer zurück. Die Mutter so leiden zu sehen, gefiel ihnen gar nicht. Diese hing auf einen Stuhl gestützt, gleichzeitig sich am Küchentisch festhaltend, vornüber gebeugt und starrte nur auf ihren Bauch und wimmerte voller Sorgen um das ungeborene Kind. Der Arzt hieß sie sich auf den Küchentisch zu legen und den Unterleib frei zu machen. Er gab Anweisungen an Anna und an die nun ebenfalls eingetroffene Hebamme, heißes Wasser, viel heißes Wasser zu bereiten und machte sich daran, die Gebärende zu untersuchen.
>> Sie wissen ja, dass Sie nicht mehr die Jüngste Gebärende sind, meine liebe Rozalia. Und deshalb wird es ein bisschen schwerer als bei den anderen Geburten.<< Stellte er mitfühlend fest und streichelte ihren Arm, um ihr Mut zu machen. >>Legen sie sich hin und wir werden da irgendwie durchkommen. Nun müssen wir mal schauen, wie wir das Bündel aus ihrem Bauch heraus bringen. Wie sieht es mit den Schmerzen aus? Schlimmer als bei den anderen Kindern oder ähnlich?<<
Rozalia nickte bei allem was er sagte mit dem Kopf, schrie hin und wieder vor Schmerzen auf und der Arzt begann zu zählen, um zu kontrollieren, in welchem Abstand die Wehen kamen. Nun fing er mit der Leidenden ein Gespräch über alltägliches aus dem Dorf an, um sie abzulenken. >>Wie ist es dazu gekommen, dass es jetzt schon los ging. So plötzlich?<< Wollte er dann doch wissen.
>> Das hier war nicht alleine die Fruchtblase, die platzte. Was hattest du schweres gearbeitet, bevor die Wehen einsetzten?<< Rozalia berichtete vom Essenskorb, den es über die Wieprz zu bringen galt, damit die Feldarbeiter was zu Mittag hatten. Dass sie dabei den Fluss durchwatete und eigentlich erst zu Hause diese Schmerzen bekam. >>Ich habe das Gefühl, mir hängt das Kind schon zwischen den Beinen. So schwer und träge fühlt es sich an.<< Sie krallte sich gleichzeitig an den Armen des Arztes fest, weil eine erneute Wehe einsetzte.
>> Soweit ist es noch nicht! Nicht ganz soweit. Aber wir müssen nun machen, dass auf die Welt kommt, was du da in deinem Bauch versteckst!<< Abgewandten Blickes zur Hebamme und Anna, die mit ihren Töpfen heißen Wassers und sauberen Tüchern bereit standen, sagte er: >>Obwohl es mir lieber gewesen wäre, ich hätte etwas machen können, damit sie das Kind noch ein wenig länger ausgetragen hätte. Je schneller sie jetzt die Geburt hinter sich bringt, desto eher haben beide eine Chance, das zu überstehen! Denn es fühlte sich nicht gut an, was ich da fühlte!<<
Anna wurde es sehr mulmig bei diesen Worten des Arztes und sie ging ins Nebenzimmer zu ihren Brüdern.
>> Geht, ruft den Vater nach Hause! Es gibt Schwierigkeiten. Die Andeutungen des Arztes könnten viel bedeuten. Ich will, dass er hier bei Mama ist. Außerdem muss das aufhören, dass wir immer durch den Fluss waten müssen um aufs Feld zu kommen. Es sollte erst einmal eine ordentliche Brücke gebaut werden, bevor Vater sich an der Kirchenarbeit beteiligt!<<
Die Brüder rannten los und sie ging zur Mutter und den beiden Helfern ins Zimmer zurück, stellte sich sodann an die Seite des Tisches, den Blicken der Mutter zugewandt. Diese griff hilfesuchend nach der Hand ihrer großen erwachsenen Tochter, schaute sie mit Schweißtropf nasser Stirn fragend an und erkannte sogleich die Sorgen in Annas Augen. Währenddessen klatschte ihr der Arzt dauernd auf die Arme und will sie antreiben, konzentriert zu bleiben, um zu pressen, sobald er eine Wehe kommen fühlte. Die Schmerzen in Rozalias Unterleib wurden schier unerträglich. Ihre Schreie so laut, wie es ihre Lungen nur hergaben. >>Anna, bitte laufe und hole ein Stück festes Holz oder ein Tuch, um deiner Mutter etwas zwischen die Zähne zu geben. Damit sie was zum draufbeißen hat und die Zähne keinen Schaden nehmen!<< Kam die Aufforderung des Arztes an sie.