Piotr, der Zwangsarbeiter. Rozalia Wnuk. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rozalia Wnuk
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783745001006
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      Titel

       Piotr, der Zwangsarbeiter

      Roman von Rozalia Wnuk

      Erscheinungsjahr: 2017

      Kapitel 1

      >> Du weißt schon, dass Bolek noch mit dem Wagen kommt und uns helfen will, das geschlagene Holz abzufahren?<< - >>Ich weiß, Mama sagte es mir und, dass wir uns beeilen sollten, weil es zusehends kühler wird. Bevor der Winter kommt und der erste Schnee fällt, müssen wir die Schober voll mit Brennholz haben. Außerdem muss alles Holz, was wir für den Ausbau der neuen Kirche zur Verfügung stellen, geschlagen und eingefahren sein. Es braucht ja auch seine Zeit. Da gehen sicher noch ein paar Monate drauf, bis es gut getrocknet im Sägewerk verarbeitet werden kann! Haben die Helfer schon einen Zeitplan aufgestellt, wann es mit dem Ausbau des Dachstuhls losgehen sollte?<< Der junge, für die Zahl an Jahren körperlich starke, zwölf jährige Piotr, steht an einem duftenden jungen Fichtenstamm gelehnt im Familienwald, die Axt leger am Körper angelehnt, während er mit seinem nur zwei Jahre älteren Bruder Edward den zukünftigen Schlag ihres Holzes aus dem eigenen Waldbestand besprach.

      Ein Eichelhäher äußerte keckernd seine Zustimmung zu ihrem Gespräch und sparte nicht mit lautem Gekrächze. Edward, der mit dem Entfernen der Äste an den Baumstämmen kurze Zeit inne hielt, gesellte sich neugierig zu seinem Bruder und lehnte sich nun seinerseits an den Baumstamm, um Näheres über das geplante Vorhaben der kleinen Dorfgemeinde zu erfahren. Doch auch Piotr hat mehr Fragen dazu als Antworten und vertröstete seinen Bruder.

      >>Alles zu seiner Zeit! Warten wir es ab und helfen, so gut wir können! Jetzt ist erst einmal wichtig, dass wir die Hölzer herein bekommen!<< Darin waren sich die beiden Brüder durchaus einig. Denn ohne die anderen am Bauprojekt Beteiligten konnten sie ohnehin nichts genaues wissen. Und deshalb wurde das Gespräch kurzerhand auf später verschoben. Immerhin hatten die beiden so eine kleine Verschnaufpause, um dann mit dem Entasten, der für sie bereits geschlagenen Bäume, fortzufahren.

      Noch war es lau und ein herbstlich schwüler Wind säuselte durch den, überwiegend aus Fichten, hin und wieder durch vereinzelt stehende Buchen und Birken unterbrochenen, Wald. Die Wege waren durch den letzten Regen aufgeweicht und gelegentlich schwirrten Mückenschwärme, aufgescheucht durch die Arbeit der jungen Burschen, hoch, sobald sie sich in der Nähe eines dieser nassen Tümpelchen und Brutstätten der Komare, der Stechmücken, befanden. Gerade weil neben den Waldstücken noch kleinere moorige und sumpfige Wiesenstückchen verliefen, die diesen lästigen Waldbewohner hervorragend Nahrung und Brutplätze boten, konnte man sie ohne Zweifel als Plage bezeichnen. Alles trockenlegen möchten diese Waldbesitzer auch nicht, um ein natürliches Biotop zu erhalten und das ökologische Gleichgewicht dieser Landschaft nicht zu zerstören. Schnell wie Pfeilgeschosse stürzten sich die aufgebrachten Mückenschwärme, bereit zum gemeinsamen schmerzhaften Angriff auf ihre Opfer, um an ihnen Rache für die Störung zu nehmen.

      Nur allzu leicht konnten sich Stiche dieser aggressiven Stechmückenart entzünden und sogar zu ernsthaften Erkrankungen führen. Schnell rissen sich die jungen Burschen einen Fichtenzweig von den Bäumen und wedelten damit die lästige Gesellschaft, die ständig kreisend sich um ihrem Kopf herum bewegte, davon.

      >> Es dürfte schwierig werden, mit dem beladenen Pferdegespann durchzukommen.<< Meinte Edward. >>Nützt nichts, wir schaffen so viel wie möglich nach Hause! Sollte es noch einmal so einen starken Regen geben, haben wir schon einen kleinen Vorsprung geschaffen.<< War Piotrs Antwort auf die Sorge seines Bruders.

      Sie spürten klopfende Geräusche auf dem Fichtennadel durchtränkten Waldboden und schon leise hörten sie den trappelnden Hufschlag im Unterholz, der zu einem herannahenden Pferdewagen gehörte. Auf halber Höhe des aufgeweichten, sandigen Waldweges meinte der Wagenführer zu seinem Sohn: >>Ach wie freue ich mich dass wir heute nach getaner Arbeit am Abend einen schönen Tanz aufführen dürfen, Bolek. Ich wäre froh, das Holz läge schon verstaut und trocken im Schuppen. Dass du natürlich darauf achtest, die besten Hölzer für mich zur Seite zu legen, um sie beim Dachbau für die Kirche benutzen zu können, darauf vertraue ich. Die Innenausstattung einer solchen Holzkirche muss besonders gemütlich wirken, damit wir Gläubigen uns im Gotteshaus wohlfühlen. Besonders in unseren kalten Wintern brauchen wir so eine heimelige Atmosphäre.

      Nur gut, dass wir den Neubau endlich bekamen. Lange genug sind wir doch in die Kirche der Nachbargemeinde Ostrówek marschiert, nur um unserem Herrn nahe zu sein. 600 Jahre lang ohne eigenes Gotteshaus zu sein, obwohl wir doch schon lange eine eigene, große Gemeinde waren, war schon eine Zumutung. Jetzt können wir die Messen in unserem kleinen Dorf selbst halten und müssen nicht mehr bei Eis und Schnee kilometerweit laufen!

      Ja, wie Mutter sich bei der Einweihung 1924 freute, als wir nur noch vom Fluss heraufkommen mussten und praktisch schon am Wegesrand in ein neues Gotteshaus gehen konnten. Ich werde dafür sorgen, dass der Dachstuhl besonders gut ausgearbeitet wird, damit er eine lange Lebensdauer hat. So ordentlich und handwerklich massiv, wie der von mir gebaute Beichtstuhl soll er werden. Kannst du junger Mensch das nachfühlen? Wir sind einfach stolz darauf, endlich eine eigene Kirche und einen eigenen Pfarrer bekommen zu haben. Stetig haben wir seit dem neuen Jahrhundert alle Hebel in Bewegung gesetzt, um endlich eine eigene selbstständige Gemeinde zu werden. Und dazu gehört eine Kirche und ein Priester.<<

      Den Erklärungen, die der Vater abgab, seine Aufmerksamkeit schenkend, kamen die beiden an das kleine Wäldchen, in dem Piotr und Edek schon die Bäume bearbeiteten und zum Abtransport vorbereiteten. Edek war dabei, noch einige Stämme zurechtzurücken, als Bolek und Władysław mit dem Gespann eintreffen.

      >> Ah, da seid ihr ja.<< Rief Piotr den Ankommenden zu.

      >> Und schaut mal, wen ich mitgebracht habe?<< Brüllte Bolesław ihnen entgegen. >>Prima Papa, dass du Zeit fandest mitzukommen. Dann bekommen wir noch mal so viel geschafft! Bist du denn schon mit dem Einbringen der Kartoffeln fertig?<< - >>Ja gewiss. Ich hatte doch reichlich Hilfe dabei. Wozu sonst habe ich so prachtvolle, starke Jungs in die Welt gesetzt?<< - >>Ha ha, du und in die Welt gesetzt, das war ja dann wohl eher unsere Mutter! Ist sie jetzt ganz alleine zu Hause mit der vielen Arbeit bei den Tieren?<<

      >> Nein, Anna ist schon von der Gemeindearbeit zurück und hilft ihr. Sie wird heute nicht mehr allzuviel machen müssen. Eure Brüder und eure Schwester helfen doch fleißig, wo sie nur etwas Zeit finden. Julian war heute nicht unterwegs und hat die Kühe schon gemolken und wieder auf die Weide geführt. Und Jożef hat die Uniform an den Nagel gehängt und ist mit dem Heuschober fertig. Deshalb können wir bestimmt zusammen Abendessen! Bevor wir zum Dorffest gehen, würde ich noch gerne einen Abstecher zur nahen Kirche machen, weil ich etwas nachmessen muss. Das wird ein Fest werden! Die ganze Familie ist zusammen. Stolzer könnten eure Eltern heute nicht auf euch sein! Dafür danke ich euch, meine Kinder! Vergesst nicht, dass euch Burschen heute Abend, wenn zum Tanz aufgespielt wird, die Dorfschönheiten zulächeln werden. Also benehmt euch und macht uns keine Schande! Jede Familie wird zu Essen und zu Trinken mitbringen, wie das Tradition ist und danach könnt ihr die Bretter des Tanzbodens zum Wackeln bringen.

      Ich werde mich zurückhalten, gemessen am Zustand eurer Mutter. Wenn wir uns als Familie alle zusammen am Ausbau der hölzernen Verkleidung des Dachstuhls und des Innenausbaus für die Kirche beteiligen möchten, gibt es genügend Gesprächsstoff. Der Abend kann sich also hinziehen!<<

      >> Wissen die Dorfbewohner schon, dass nur unsere Familien an dem Projekt arbeiten wollten?<< - >>Mein Vater, meine Brüder und ich, sowie die Cousins der Familien aus dem Dorf und der Umgebung sind bereit, diese Aufgabe zu übernehmen. Ihr beiden, du und Piotr, seid mir zu jung, um auf dieser Höhe zu arbeiten und dürft allenfalls Hilfestellung leisten. Es sollte ein Familiengeschenk werden, das für Generationen erhalten bleibt! Was wir an Holz übrig haben werden, verbaue ich wieder zu etwas Schönem. Wie etwas aussehen soll, wenn ich ein Stück Holz anschaue, davon habe ich ganz schnell eine genaue Vorstellung. Immerhin braucht die Gemeinde nach Fertigstellung des Innenausbaus alle möglichen Heiligenfiguren. In den Beichtstuhl konnte ich oben hinein meinen Namen eingravieren und das Jahr der Herstellung, damit man im Dorf immer weiß, dass hier Władysław