Macky
Joh, einverstanden...
Der Ecce homo scheint übrigens das letzte Werk gewesen zu sein, dass Nietzsche schrieb. Um den 4. November 1888 muss es fertig gewesen sein. Das Manuskript erreicht noch vor dem 15. November den Verleger, aber Nietzsche forderte es Anfang Dezember zurück, um es sehr, sehr sorgfältig durchzusehen, und ungemein subtile Veränderung und Korrekturen über den ganzen Text verstreut vorzunehmen. Diese Korrekturen sind nahezu vollständig - auch Zeitlich - dokumentiert. Am 4. Januar 1889 bricht er in Turin als Folge eines paraleptischen Schocks zusammen. Fakt ist, dass Nietzsches schriftstellerisches Ego und Bewusstsein bis zu seinem Zusammenbruch vollständig in Takt gewesen ist... Das ist für mich selbst eine durchaus überraschende Erkenntnis, und ein starkes Indiz für die These einer nach 20 Jahren schlagartig ausbrechenden Syphilis, die hier nur einen größenwahnsinnigen Philosophen trifft, wobei das eine eben möglicher Weise nichts mit dem anderen zu tun hat...
Gruß Joachim Stiller Münster
Der "Ecce homo" ist in der Tat Nietzsches letzte Schrift. Allerdings schreibt Nietzsche darin, dass er in Kürze mit der schwersten Forderung an die Menschheit herantreten müsse. Ich nehme an, dass das die Schrift "Umwertung aller Werte" ist.
Ich finde, dass man Krankheit und Persönlichkeit, insbesondere bei der Syphilis, der sog. Gehirnerweichung, nicht voneinander trennen kann: Syphilis führt zu Größenwahn (s. Wallenstein, der größenwahnsinnig Friedensverhandlungen mit den Schweden machte). Man müsste den pathologischen Teil von Nietzsches Philosophie herausarbeiten.
Macky
eines der zentralen Themen des Ecce homo ist die Einteilung des Nietzscheschen Werkes... Dazu eben ein Auszug aus dem Wiki-Artikel:
- Die Wagnerianisch-Schopenhauerische Zeit (1872–1876), die vor allem im Zeichen dieser beiden Männer steht und romantische Einflüsse zeigt. Sie umfasst die Werke:
……- Die Geburt der Tragödie aus dem Geist der Musik
........- Unzeitgemäße Betrachtungen:
……………..- David Strauß, der Bekenner und der Schriftsteller
…………...- Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben
…………….- Schopenhauer als Erzieher
……………. -Richard Wagner in Bayreuth
- Die „freigeistige“ Zeit 1876–1882. Nietzsche löst sich zunehmend vom
persönlichen Einfluss Wagners und von der philosophischen Prägung durch
Schopenhauer. Vor allem zu Beginn dieser Periode steht die
wissenschaftlich-empirische Erkenntnis im Vordergrund. Daher wird diese
Phase in Nietzsches Werk auch oft als „positivistisch“ bezeichnet. An Stelle der früheren zusammenhängenden Abhandlungen treten jetzt Aphorismensammlungen, worin sich unter anderem der Einfluss der von Nietzsche sehr geschätzten französischen Moralisten widerspiegelt:
…….- Menschliches, Allzumenschliches (mit zwei Fortsetzungen)
……- Morgenröte. Gedanken über die moraltischen Vorurteile
……- Die fröhliche Wissenschaft.
- Das zentrale Werk Also sprach Zarathustra (1883–1885), in dem neue Lehren in symbolisch-dichterischer Sprache formuliert werden. Oft werden Also sprach Zarathustra und die Spätschriften zusammengefasst.
- Die späten Werke (1886–1888 ), in denen die bisherigen Ansätze weiter ausgeführt und zunehmend in polemisch Schärfe gebracht werden. Neben Aphorismen und Sentenzen finden sich nun wieder längere Abhandlungen. Zu dieser Periode zählen:
…….- Jenseits von Gut und Böse
…….- Zur Genealogie der Moral
…….- Der Fall Wagner und Nietzsche contra Wagner
…….- Götzen-Dämmerung oder Wie man mit dem Hammer philosophiert
……..- Der Antichrist
……..- Ecce homo (Autobiographie, kann demselben Kreis zugerechnet werden).
Die Lektüre des Ecce homo scheint mir vor allem für diejenigen interessant, die Nietzschen eigene Sicht auf sein eigenes Leben und sein Werk kennenlernen wollen.
1. Nietzsche verachtet Schwester und Mutter, die immer wieder intrigiert haben... Diese Verachtung bricht vor allem im Ecce Homo voll aus.
2. Nietzsche verachtet alles Deutsche, den Nationalismus, den Antisemitismus und die intellektuelle Unredlichkeit. Das könnte auch eine Koketterie mit seiner angeblich polnischen Abstammung sein.
Da möchte man sich fast fragen, warum er bei seinem Temperament erst so spät drauf kommt... Vielleicht doch ein Hinweis auf einen Minderwertigkeitskomplex? Nietzsche der Duckmäuser?
Was bedeutet eigentlich "Ecce homo"?
Gruß Joachim Stiller Münster
(Die nun folgende Klärung des Begriffs übergehe ich hier und geben nur die Kurzerklärung aus dem Wiki-Artikel wieder;
Mit dem Hinweis Ecce homo (…) stellt nach der Darstellung des Johannesevangeliums der römische Stadthalter Pontius Pilatus dem Volk den gefolterten, in purpurnes Gewand gekleideten und mit einer Dornenkrone gekrönten Gefangenen Jesus von Nazaretz vor, weil er keinen Grund für dessen Verurteilung sieht. Die jüdische Führung fordert daraufhin Jesu Kreuzigung.
Der Ausruf lautet im ursprünglich griechischen Text des Johannesevangeliums Ἰ δο ὺ ὁ ἄ νθρωπος ( idoù ho ánthropos , (Joh 19,5 EU)) und bedeutet „Siehe, der Mensch“. Die lateinische Floskel stammt aus der Vulgata und ist von dorther in die christliche Tradition und die Kunstgeschichte eingegangen.
Lovis Corinths Bild vom "Ecce Homo" ist anregend:
Macky
"Die Wahl dieses Titels [Ecce homo] für eine autobiographische Schrift ist in erster Linie ein gezielter antichristlicher Affront: Mit denselben Worten, mit denen Jesus vorgeführt wurde, führt hier Nietzsche sich selbst vor, ja er ersetzt Jesus durch sich selbst. Und er setzt sich auch gleich an die Stelle des vornehmen Römers - "eingerechnet des ecce" -, der abgeklärt den Sinn des Wortes "Wahrheit" in Frage stellt.
Unter dem plakativen Affront findet sich aber auch noch eine zweite Schicht der Identifikation. In Ecce homo führt sich auch ein Mensch vor, der von sich (Und Richard Wagner) behauptet, "(...) dass wir tiefer gelittne haben (...), als Menschen dieses Jahrhunderts zu leiden vermöchten" (Ecce homo, KSA 6, 290). Nietzsches Ecce homo ist eben auch die Vorführung eines Menschen, der in der Tat an seiner Zeit, seinen Zeitgenossen und sich selbst tief gelitten hat - eine Identifikation mit dem Gefolterten." (Schmidt/Speckelsen, S. 21)
Ein vorbereitender Schritt
"In Voraussicht, dass ich über Kurzem mit der schwersten Forderung an die Menschheit herantreten muss, die je an sie gestellt wurde, scheint es mir unerlässlich, zu sagen, wer ich bin" (Ecce homo, KSA 6 257). Mit diesem Satz beginnt Nietzsche das Vorwort zu Ecce homo. Nietzsche begründet seine merkwürdige Selbstdarstellung mit einer Ankündigung. Ecce homo dient zur Vorbereitung, seiner "schwersten Forderung an die Menschheit", die Nietzsche für die nähere Zukunft in Aussicht