Epilog – You can check-out any time you like, but you can never leave
Prolog
In New York City and Me möchte ich über die großen und kleinen Dinge, die mir in Manhattan, Brooklyn & Co begegnen und widerfahren, berichten. Für Familie, Freunde und alle, die der Faszination dieser Stadt ebenfalls erlegen sind – oder erlegen werden, sobald das erste yellow taxi hupend an ihnen vorbeigerauscht ist.
Here I am
Unentwegt bahnt sich das Flugzeug auf dem Display im Vordersitz seinen Weg über den Atlantik. Und je näher der Flieger der amerikanischen Ostküste und meinem Ziel – New York City – kommt, desto weniger interessiere ich mich für die traumhaften Uniformen der Singapore Airlines Flugbegleiterinnen (kann man die kaufen?!) oder dafür, dass ich mal wieder gut daran getan habe, ein special meal vorab zu beantragen (dieses Mal vegetarian Indian) – sieht nämlich viel besser aus als das Standardessen und schmeckt toll – oder für die neuesten Folgen „Big Bang Theory“ im Entertainment-Programm.
Stattdessen erlebe ich eine Achterbahn der Gefühle: Abschiedsschmerz von Familie und Freunden, von denen ich für einige Monate durch ein Weltmeer getrennt sein werde, Vorfreude in kurzer Zeit wieder in der tollsten Stadt der Welt zu sein, Zweifel, ob ich mich nicht etwas zu schnell in ein zu großes Abenteuer gestürzt habe. Entsprechend zappe ich bei der Musikauswahl zwischen „Greatest Guitar Riffs“, sphärischen Entspannungsklängen und kitschigen Liebesschnulzen hin und her.
Nach acht Stunden Flug und der Landung heißt es dann ab zur Immigration. Auch mit Visum läuft alles deutlich unspektakulärer ab als erwartet. Dann das bange Warten am Kofferband – doch juhu! Irgendwann purzelt mein Hab und Gut wohlbehalten auf das Karussell. Also nichts wie raus (so gut das eben geht mit zwei Koffern, einer Laptoptasche, einer Reisetasche und einer Handtasche…) zum Taxi. Und los geht die wilde Fahrt.
Dabei merke ich, dass bei meiner mittlerweile siebten Ankunft in New York sich eine gewisse Routine eingeschlichen hat. Ich starre nicht mehr fassungslos auf die doch recht heruntergekommenen Häuser, die die Wohnviertel rund um den JFK Airport ausmachen und frage mich nicht mehr, ob das etwa New York sein soll und wo ich da nur gelandet bin. Stattdessen tippe ich wild auf dem Handy rum und frage mich, warum O2 keine Begrüßungs-SMS mehr schickt. Deshalb verpasse ich um ein Haar auch den magischen Moment, wenn das Taxi um eine Kurve biegt und sich auf einmal vor einem die Skyline auftut – Freedom Tower (One World Trade Center), Empire State Building, Chrysler Building. Magisch – auch beim siebten Mal.
Nach rund vierzig Minuten hält das Taxi vor meinem neuen Zuhause. Für die nächsten dreieinhalb Monate werde ich ein kleines Studio-Apartment in Chelsea mein Heim nennen. Das chinesische Sprichwort „Lieber eine Hütte, wo man glücklich ist, als ein Palast, wo man weint” muss wohl in solch einem Raum entstanden sein. Über meinem Bett blättert der Putz von der Wand, die Fenster lassen sich nur mit viel Glück und Kraft öffnen beziehungsweise schließen und die Matratze des Betts dürfte jedem Orthopäden die Tränen in die Augen treiben. Dass ich für die monatliche Miete in Deutschland wahlweise eine hübsche kleine Wohnung oder ein Einfamilienhaus (je nachdem, ob man nun München oder Mecklenburg-Vorpommern als Vergleich heranzieht) mieten könnte, verdränge ich in diesem Moment. Immerhin ist es sauber und die Leute, die ich bisher aus dem Haus kommen sah, machten alle einen netten Eindruck.
Zum weiterhin vorhandenen Gefühlschaos gesellen sich nun langsam aber sicher Müdigkeit und Erschöpfung. Doch es ist erst Mittag und draußen lacht die Spätsommersonne vom Himmel. Also raffe ich mich auf. Ich wandle durch die Straßen. Planlos. Irgendwie getrieben. Richtung Union Square, einem meiner Lieblingsplätze in der Stadt, irre einmal durch den dortigen Whole-Foods-Supermarkt (Randnotiz: Die Autorin dieser Zeilen hat einen Supermarkt-Tick, ich werde noch sehr häufig über die grandiosen kulinarischen Einkaufs-Tempel(chen) dieser Stadt schreiben), dann wieder rein in die U-Bahn zurück zum Apartment. Auf dem Heimweg mache ich noch einen Abstecher in den um die Ecke gelegenen riesigen 24-Stunden-Drogeriemarkt Duane Reade. In den endlosen Gängen bestätigt sich das, was ich als Tourist immer am Rande wahrgenommen hatte: Teeeeuer! Eine Flasche Dove-Duschgel oder entsprechendes Shampoo wird für sieben bis acht Dollar offeriert. „Hätte ich doch von daheim mitbringen sollen“, schießt es mir durch den Kopf. Gefrustet kaufe ich gar nichts und wanke heimwärts. Dort angekommen, bin ich durchgefroren, immer noch müde, immer noch hungrig. Ich fühle mich überfordert.
Da ich nicht einmal mehr Nüsschen aus dem Flieger habe, ziehe ich mir etwas Wärmeres an und wage mich wieder raus auf die Straße; dieses Mal gen Westen zu Ray’s Famous Pizza zwei Blocks weiter. Mit meinem plain slice (Tomatensauce und Käse) setze ich mich an einen der Tische und beiße genüsslich rein. Da sitze ich nun, in einem kargen Raum ohne Fenster mit seltsamen Kacheln an der Wand, die Szenarien aus Italien darstellen sollen. In der Ecke plärrt ein Fernseher. An zwei weiteren Tischen sitzen noch Gäste, die einen ganz vernünftigen Eindruck machen. In die letzte Spelunke bin ich also nicht geraten. Und mit jedem weiteren Bissen meines fettig-salzigen 3-Dollar-Glücks kehren meine Lebensgeister zurück. (Einschub: In New York gibt es – meiner Meinung nach – zwei Haupttypen von Pizza: Die slices, die man bei den unzähligen pizza joints bekommt. Sie sind günstig, machen satt und schmecken ganz okay und sind perfekt für ein kleineres Abendessen oder als Snack zwischendurch, wenn sich der Hunger meldet. Und es gibt die italienischen Pizzerien, meist mit großem Steinofen, wo man neapolitanische Pizza in Vollendung genießen kann – allerdings im Schnitt für stolze 25 Dollar pro pie, also pro ganzer Pizza.)
Gut gestärkt gönne ich mir ein paar Schritte weiter bei Billy’s Bakery noch einen red velvet cupcake, den ich einen Block weiter im High Line Park verzehre. Überhaupt der High Line Park. Leider am späten Nachmittag etwas überrannt, aber trotzdem ein wunderbarer Ort, an dem gerade auch diese Zeilen in das Netbook getippt werden. Und während ich so in der Sonne sitze, auf das Empire State Building blicke und mir meinen Nachtisch schmecken lasse, merke ich, wie es in mir hochkriecht: das Fieber. Das New-York-Fieber! Ich laufe weiter die grün bepflanzten Schienen entlang. Als ich an den dort ansässigen Food-Ständen vorbeikomme, denke ich erst: „Mist, schon satt.” – Und dann wird mir bewusst: „Ganz egal, du kannst morgen wieder kommen oder übermorgen oder überübermorgen oder nächste Woche oder nächsten Monat – du lebst jetzt hier!!!“
Beflügelt spaziere ich weiter bis zum Chelsea Market. Das große rote Backsteingebäude, in dem einst die berühmten Oreo-Kekse hergestellt wurden, beherbergt heute eine Mischung aus Restaurants, ausgefallenen Geschäften und Kunstinstallationen. Auf den oberen Ebenen gibt es noch Büros. Google hat beispielsweise hier seine New Yorker Zentrale. Zu den dortigen Geschäften zählt unter anderem der Manhattan Fruit Exchange. Bei meinen Urlaubsaufenthalten bin ich immer vorbeigegangen, schließlich kann man als Touristin mit Zucchini und Paprika nicht ganz so viel anfangen. Nun aber muss ich ja mal abchecken, wo ich was für meinen täglichen Bedarf künftig kaufen werde. Außerdem ist es ein Supermarkt – also nix wie rein! Kaum geht die Tür auf, umweht mich ein unglaublich frischer und fruchtiger Duft. Bin ich